Bürgergeld: Auch bei fehlender Erforderlichkeit des Umzuges muss das Jobcenter die Unterkunftskosten dynamisieren

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Auch bei fehlender Erforderlichkeit des Umzugs muss das Jobcenter die Unterkunftskosten dynamisieren. Dies geht aus einem aktuellen Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg vom 26.04.2023 (L 4 AS 95/23 B ER D) hervor. Demnach kann dahinstehen, ob der Umzug der Antragstellerin in die neue Wohnung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a. F. bzw. des § 22 Abs. 1 Satz 6 SGB II in der ab dem 1. Januar 2023 geltenden Fassung erforderlich war.

Denn auch in diesem Fall sind die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der bis zum Umzug zu tragenden Aufwendungen zu übernehmen (§ 22 Abs. 1 Satz 6 SGB II bzw. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a. F.). Dies gilt auch dann, wenn sich die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung nach dem Umzug tatsächlich erhöht haben, aber weiterhin im Rahmen des Angemessenen geblieben sind.

Entgegen der Auffassung des Jobcenters ist nicht der 30. Juni 2019, der Tag vor dem Umzug der Antragstellerin, maßgeblich. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt des Umzugs, also der 1. Juli 2019, wobei die Gesamtmieten (Kaltmiete, Betriebskosten und Heizkosten) der alten und der neuen Wohnung zu diesem Zeitpunkt zu vergleichen sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 6/14 R –; Urteil vom 17.02.2016 – B 4 AS 12/15 R –).

Dem steht auch nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des BSG nicht auf eine Veränderung des Mietpreises der bisherigen Wohnung abzustellen ist, sondern der bisherige Mietpreis zu dynamisieren ist, um einen erheblichen Ermittlungsaufwand der Leistungsträger zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2016 – B 4 AS 12/15 R).

Denn die Veränderung des Mietpreises wurde hier während des bestehenden Mietverhältnisses vereinbart und wäre zum maßgeblichen Bezugszeitpunkt am 1. Juli 2019 in Kraft getreten, wenn das Mietverhältnis nicht beendet worden wäre.

Nur zeitlich nachfolgende Änderungen sind hingegen unbeachtlich

Letztlich handelt es sich bei der Ermittlung der Miethöhe der bisherigen Wohnung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 6 SGB II, wenn zur Vermeidung einer Doppelmiete die Mietverhältnisse nahtlos ineinander übergehen, stets um eine fiktive Annahme, was gelten würde, bestünde das Mietverhältnis noch diesen einen Tag des Umzugs fort.

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Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

Ganz anderer Auffassung hingegen das LSG NRW, Urt. v. 09.10.2025 – L 19 AS 854/24 -, wonach die fortgesetzte Deckelung der Kosten der Unterkunft und Heizung ohne Zeitgrenze bei einem Leistungszeitraum, der 4 bis 4 ½ Jahre nach dem Umzug liegt, nicht verfassungswidrig ist.

Einer alleinstehenden Bürgergeldempfängerin mit 2 minderjährigen Kindern wurden 4 bis 4 ½ Jahre vom Jobcenter die Unterkunftskosten monatlich um mehr als 20% der Regelleistung gekürzt, weil ihr Umzug aus Sicht des Jobcenters nicht erforderlich war.

Eine dauerhafte Kürzung der Unterkunftskosten wegen fehlender Umzugserfordernis dürfte verfassungswidrig sein meint der Sozialrechtsexperte Detlef Brock von gegen-hartz. Dafür sprechen gleich mehrere Gründe:

Zum einen ist dies ein unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff in das Existenzminimum und es existiert keine gesetzliche Regelung zur Wiedererlangung der vollständigen Unterkunftskosten.

Rechtstipp zur Rechtsfrage

Die gedeckelten Aufwendungen für Unterkunft nach einem nicht erforderlichen Umzug innerhalb des Vergleichsraums sind im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechend den Veränderungen der durch ein schlüssiges Konzept bestimmten Angemessenheitsgrenze ab dem Umzugszeitpunkt zu dynamisieren (BSG, Urteil vom 17.2.2016, B 4 AS 12/15 R; Fortführung von BSG vom 29.4.2015 – B 14 AS 6/14 R – ).

Eine zeitlich unbegrenzte und nicht anderweitig kompensierte Unterdeckung des Bedarfs begegnet grundrechtlichen Bedenken. Durch die dauerhafte Unterdeckung im KdU-Bereich ist der Leistungsempfänger dauerhaft gezwungen, Teile seiner Regelleistung zur Deckung dieser Kosten einzusetzen ( LSG Sachsen-Anhalt vom 20.11.2014 – L 4 AS 777/13 -).