Immer wieder melden sich Betroffene bei Beratungsstellen mit einer einfachen, aber existenziellen Frage: “Ich bekomme Pflegegeld – verliere ich dadurch meinen Anspruch auf Wohngeld?” Die Antwort ist nicht pauschal – und genau darin liegt das Problem.
Denn was auf den ersten Blick klar geregelt scheint, führt in der Praxis oft zu Missverständnissen, widersprüchlichen Bescheiden und erheblichen finanziellen Einbußen.
Inhaltsverzeichnis
Pflegegeld ist keine normale Sozialleistung
Pflegegeld wird nach § 37 SGB XI gezahlt – und zwar dann, wenn eine pflegebedürftige Person (ab Pflegegrad 2) sich zu Hause von einer Privatperson pflegen lässt. Es handelt sich um eine zweckgebundene Leistung: Das Geld soll die pflegerische Versorgung im häuslichen Umfeld ermöglichen, nicht den allgemeinen Lebensunterhalt sichern.
Deshalb wird das Pflegegeld in vielen sozialrechtlichen Kontexten nicht als Einkommen gewertet.
So auch beim Wohngeld, das im Wohngeldgesetz (WoGG) geregelt ist. Laut § 14 Abs. 2 Nr. 26 WoGG werden Leistungen, die ausdrücklich für Pflege oder Betreuung gedacht sind, nicht als Einkommen angerechnet, wenn sie bei der wohngeldberechtigten Person selbst anfallen.
Der Teufel steckt im Detail: Wer bekommt das Geld – und wer lebt wo?
Ob Pflegegeld beim Wohngeld angerechnet wird oder nicht, hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab:
- Wer erhält das Geld? (die pflegebedürftige Person oder eine andere Person)
- Wo lebt die Pflegeperson? (im gleichen Haushalt oder außerhalb)
Die Unterscheidung mag banal erscheinen, hat aber ernste Konsequenzen. Denn: Wenn das Pflegegeld an eine Person außerhalb des Haushalts weitergegeben wird, kann es ganz oder teilweise als Einkommen angerechnet werden – und das mindert im Zweifel den Wohngeldanspruch erheblich.
Vier häufige Fallkonstellationen – und ihre Folgen
| Konstellation & rechtliche Grundlage | Anrechnung beim Wohngeld? |
| Pflegebedürftige Person bezieht Pflegegeld selbst (§ 14 Abs. 2 Nr. 26 WoGG) | Nein |
| Pflegegeld wird an Pflegeperson im selben Haushalt weitergeleitet (sittliche Pflicht) | Nein, wenn familiäre Bindung vorliegt |
| Pflegegeld wird an Pflegeperson außerhalb des Haushalts weitergeleitet (ohne klare gesetzliche Regelung) | Teilweise, bis zu 50 % Anrechnung möglich |
| Pflegegeld wird an fremde Pflegeperson außerhalb des Haushalts weitergeleitet | Ja, volle Anrechnung als Einkommen |
Was bedeutet “sittliche Pflicht” im Sozialrecht?
Die sittliche Pflicht ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der insbesondere in familiennahen Beziehungen angenommen wird. Es geht darum, dass jemand aus moralischer Verantwortung eine Pflege übernimmt – etwa Eltern für Kinder, Kinder für Eltern, Ehepartner füreinander.
Diese Verpflichtung wird vom Gesetzgeber nicht eingefordert, aber sozialrechtlich anerkannt – mit der Folge, dass bestimmte Leistungen nicht als Einkommen gelten.
Wird das Pflegegeld an eine solche Person weitergeleitet, erkennt die Wohngeldbehörde es in der Regel nicht oder nur teilweise als Einkommen an. Aber: Dieser Ermessensspielraum ist nicht gesetzlich fixiert – und variiert zwischen Bundesländern und Kommunen erheblich.
Weiterleitungsproblem: Wenn das Geld “die Seite wechselt”
Kritisch wird es, wenn das Pflegegeld nicht bei der pflegebedürftigen Person verbleibt, sondern an eine externe Pflegeperson weitergegeben wird – etwa an eine Nachbarin oder Freundin, die nicht im gleichen Haushalt lebt.
Hier sehen Wohngeldstellen zunehmend eine Einkommensverschiebung: Das Pflegegeld wird als Einkommen der Pflegeperson gewertet und kann je nach Haushaltskonstellation auf das Wohngeld angerechnet werden.
Teilweise erfolgt eine Anrechnung zu 50 %, teilweise in voller Höhe. Das widerspricht dem Zweck der Leistung – sorgt aber in der Praxis für Abzüge oder Ablehnungen.
Die Behörde entscheidet – aber oft nicht nachvollziehbar
Es gibt keine bundesweit einheitliche Verwaltungsvorschrift, wie Pflegegeld beim Wohngeld zu behandeln ist. Deshalb kommt es zu Einzelfallentscheidungen. Manche Ämter fordern detaillierte Nachweise über die Pflegetätigkeit, die Verwendung des Pflegegeldes und die persönliche Beziehung der Beteiligten.
Andere stellen pauschal auf die Wohnsituation ab. In beiden Fällen gilt: Wer seine Rechte nicht kennt oder falsche Angaben macht, riskiert Leistungskürzungen.
Handlungsempfehlung für Betroffene
- Pflegegeld immer angeben: Auch wenn es meist nicht angerechnet wird, sollten Sie es nicht verschweigen. Die Verwendung und der Zweck können entscheidend sein.
- Haushaltsverhältnisse offenlegen: Wer lebt wo, wer pflegt wen – und in welcher Beziehung stehen die Personen zueinander? Diese Angaben sollten dokumentiert werden.
- Pflegebeziehung belegen: Pflegevertrag, Pflegeprotokolle oder Bestätigungen des Medizinischen Dienstes (MD) können helfen, die Zweckbindung nachzuweisen.
- Rechtsberatung nutzen: Sozialverbände wie der VdK, SoVD oder spezialisierte Sozialrechtskanzleien kennen die Ermessensspielräume – und helfen beim Widerspruch gegen falsche Bescheide.
Fazit: Pflegegeld ist geschützt – aber nicht automatisch
Pflegegeld wird grundsätzlich nicht auf das Wohngeld angerechnet, solange es der pflegebedürftigen Person selbst zugutekommt oder im familiären Kontext verwendet wird. Doch sobald das Geld an Dritte außerhalb des Haushalts weitergeleitet wird, entstehen rechtliche Grauzonen.
Wer auf Wohngeld angewiesen ist und Pflegegeld bezieht oder weitergibt, sollte den Sachverhalt frühzeitig prüfen lassen. Denn falsche Angaben oder unklare Verhältnisse führen schnell zu finanziellen Einbußen – obwohl der Gesetzgeber das eigentlich verhindern wollte.




