Sozialhilfe: Erbengemeinschaft hat kein Anspruch auf Mietforderung vom Sozialamt

Wenn die Verjährungsfrist für die Mietforderung abgelaufen ist, kann die Erbengemeinschaft sie nicht mehr beim Sozialamt durchsetzen, da der Anspruch erloschen ist.

Mietforderungen verjähren gem. § 195 BGB innerhalb von drei Jahren

Mit wegweisendem Urteil zur Geltendmachung von Unterkunftskosten gegenüber dem Sozialamt bei einer Erbengemeinschaft hat das Landessozialgericht Nordrhein- Westfalen ( LSG NRW, Urt. v. 05.06.2025 – L 9 SO 351/23 – ) festgestellt, dass bei Verjährung die Erbengemeinschaft kein Anspruch auf Mietforderung vom Sozialamt hat.

Das Gericht führt dazu aus:

Wenn der geltend gemachte Sozialhilfeanspruch des Vaters bestanden hätte, wäre die Klägerin prozessführungsbefugt und aktivlegitimiert. Die Ansprüche des Vaters wären, wenn sie bestünden, auf die Erbengemeinschaft übergegangen.

Sozialhilfeansprüche sind nach Maßgabe der §§ 58, 59 SGB I vererblich, wenn der Hilfebedürftige zu Lebzeiten seinen Bedarf mithilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe vorleistenden Dritten gedeckt hat, weil der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat (BSG Urteile vom 23.07.2014 – B 8 SO 14/13 R und vom 21.09.2017 – B 8 SO 4/16 R).

Das gilt auch, wenn Bedarf nicht durch eine Geldleistung, sondern durch die Sachleistung eines Dritten gedeckt worden ist. Entscheidend ist allein, dass wegen der zwischenzeitlichen Bedarfsdeckung noch Schulden gegen den Nachlass behauptet werden bzw. bestehen (BSG Urteil vom 12.05.2017 – B 8 SO 14/16 R).

Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin behauptet, sie habe den Unterkunftsbedarf des Vaters durch die Zurverfügungstellung einer Wohnung gedeckt und habe offene Forderungen aus dem Mietverhältnis gegenüber der Erbengemeinschaft.”

Übernahme von Unterkunftskosten setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ( BSG ) eine wirksame Mietzinsforderung voraus

Denn bei Nichtzahlung der Miete droht regelmäßig Kündigung und Räumung, die mit Grundsicherungsleistungen verhindert werden soll (BSG Urteil vom 02.09.2021 – B 8 SO 13/19 R). Hieran bestehen aber Zweifel.

Zwar ist das Wohnrecht nicht in das Grundbuch eingetragen und damit als dingliches Wohnrecht iSd § 1093 BGB nicht wirksam geworden (zum Verhältnis von dinglichem Wohnrecht und Mietvertrag LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 02.03.2017 – L 19 AS 1458/16; LSG Sachsen Urteil vom 29.06.2023 – L 7 AS 573/19).

Es spricht allerdings viel dafür, den notariellen Vertrag so zu verstehen, dass damit der Mietvertrag aus dem Jahr 1977 aufgehoben werden sollte, weil der Vater ursprünglich erbbauberechtigt an den Grundstücken war und die Klägerin und ihr Ehemann ihm daher redlicherweise die Möglichkeit einräumen wollten, dort weiterhin mietfrei zu wohnen.

Nicht abschließend hat das Gericht die Frage

Ob die Mietforderung – wenn sie zunächst bestanden haben sollte – ab dem Jahr 2016 dauerhaft gestundet worden ist. Hierfür spricht viel. Grundsätzlich ist von einer ggf. stillschweigenden Stundung auszugehen, wenn die Mietforderung über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht wird und auch eine Kündigung wegen der Mietrückstände nicht erfolgt.

Die Erbengemeinschaft war hier aber keiner Mietforderung mehr ausgesetzt bzw. sie kann sich davon befreien, da die Ansprüche mittlerweile verjährt sind

Mietforderungen verjähren gem. § 195 BGB innerhalb von drei Jahren. Die Verjährung beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Die Klägerin wusste um die ihre angeblichen Mietforderungen gegen den Vater bzw. die Erbengemeinschaft, so dass die Ansprüche für das Jahr 2020 mit Ablauf des Jahres 2023 und die Ansprüche für das Jahr 2021 mit Ablauf des Jahres 2024 verjährt waren. Umstände oder Handlungen, die zu einer Hemmung oder einem Neubeginn der Verjährung führen, liegen nicht vor.

Der Erbengemeinschaft ist es zumutbar sich auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu berufen

Es ist zumutbar, sich gegenüber der Klägerin als Vermieterin auf die Verjährung zu berufen. Dabei kann offen bleiben, ob Leistungsberechtigte sich dann grundsätzlich nicht zugunsten des Sozialhilfeträgers gegenüber Dritten auf Verjährung berufen müssen, wenn es sich um eine bestehende vertragliche Beziehung handelt, die nicht belastet werden soll (so im Ergebnis BSG Urteil vom 13.07.2017 – B 8 SO 1/16 R gegenüber einem Leistungserbringer der Eingliederungshilfe; LSG Sachsen Urteil vom 17.03.2022 – L 3 AS 568/21; LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 25.03.2014 – L 3 AS 343/10 ZVW bei einem bestehenden Mietverhältnis).

Im vorliegenden Fall ist nicht ein bestehendes Vertragsverhältnis betroffen und der ursprünglich Leistungsberechtigte ist verstorben.

Jedenfalls in einer solchen Konstellation ist die Erhebung der Einrede der Verjährung zumutbar. Der Anspruchsausschluss aufgrund der Möglichkeit für die Erbengemeinschaft, die Einrede der Verjährung zu erheben, ist für die Klägerin nicht unbillig. Sie hätte die Möglichkeit gehabt, ihre mietrechtlichen Ansprüche gegen die Erbengemeinschaft titulieren zu lassen.

Anmerkung vom Verfasser:

Fristen beachten: Um sicherzustellen, dass die Erbengemeinschaft keine Ansprüche verliert, ist es ratsam, sich anwaltlich beraten zu lassen.