Bürgergeld Versagungsbescheid rechtswidrig, wenn das Jobcenter keine Entscheidung über den Leistungsanspruch selbst getroffen hat

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Gem. § 66 Abs. 1 SGB I kann das Jobcenter ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind.

Das Jobcenter forderte folgende Unterlagen von der Klägerin zur Vorlage auf:

– Nachweise über die seit 1. März 2018 gezahlte Miete

– detaillierte Angaben, wovon die Klägerin in den letzten Monaten gelebt habe
– Erklärung, ob und wann sich die Klägerin seit März 2018 in der T. aufgehalten habe, einschließlich Vorlage des Reisepasses
– (übersetzte) Nachweise zum Ausgang des vorgetragenen Klageverfahrens in der T.
– Nachweise über Eigentumsverhältnisse an dem bzw. an den Häusern in N.
– ungeschwärzte, geordnete Kontoauszüge für den Zeitraum 1. Dezember 2015 bis 30. April 2016.

Die Klägerin hat die angeforderten Unterlagen nicht vollständig vorgelegt. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hat sie lediglich vorgetragen, dass sich ihre Vermieterin mit Mietforderungen bislang zurückgehalten habe, dass sie zunächst von angespartem Geld und dann von geliehenem Geld gelebt habe und dass sie weder Reisepass noch übersetztes Scheidungsurteil vorlegen könne.

In dem Versagungsbescheid hat das Jobcenter jedoch – nicht nur – auf das Fehlen derjenigen Unterlagen abgestellt, zu deren Vorlage die Klägerin aufgefordert worden war.

Es hat auch auf das Fehlen von Unterlagen abgestellt, die er nicht angefordert hatte, namentlich eine Verlustanzeige des Passes, Klärung der Eigentumsverhältnisse am Grundeigentum und Darlegung zu Miteigentumsanteilen an Eigentumswohnungen in der T..

Des weiteren hat das Jobcenter im Rahmen des Widerspruchsbescheides ersichtlich auch die Hilfebedürftigkeit der Klägerin geprüft und unter anderem ausgeführt, die Klägerin habe das Vorliegen einer Notlage nicht plausibel und widerspruchsfrei dargelegt, obwohl sie die Beweislast dafür trage. Der Sachverhalt sei unglaubwürdig dargestellt worden. Offenbar sei weder die Miete tatsächlich geschuldet gewesen, noch seien Nachweise über Schulden bei Freunden vorgelegt worden. Offensichtlich sei die Klägerin seit Monaten in der Lage, ihren Lebensunterhalt selbstständig zu sichern.

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Das Landessozialgericht Hamburg hat nun mit Urteil vom 20.05.2025 – L 4 AS 106/23 D – festgestellt, dass der Versagungsbescheid des Jobcenters rechtswidrig ist.

1. Die Versagung von Leistung beinhaltet nämlich – anders als hier geschehen – keine Entscheidung über den Leistungsanspruch selbst.

2. Voraussetzung für eine Versagung nach § 66 Abs. 1 SGB I ist es nämlich gerade, dass die Ermittlungen und damit auch die Prüfung des Vorliegens der Leistungsvoraussetzungen im Hinblick auf die unterlassene Mitwirkung noch nicht abgeschlossen sind.

3. Wenn das Nichtvorliegen der Leistungsvoraussetzungen feststeht oder das Jobcenter die Angaben des Hilfesuchenden für unwahr hält, darf das Jobcenter die Leistung – nicht versagen – , sondern es hat vielmehr die vom Hilfesuchenden gemachten Angaben zu würdigen und anschließend über den geltend gemachten Anspruch als solchen zu entscheiden.

So ist es hier jedoch gerade nicht geschehen – Fehler des Jobcenters

Obwohl das Jobcenter offenbar davon ausging, dass die Voraussetzungen für die Annahme einer Hilfebedürftigkeit der Klägerin nicht vorlagen, ist er weiterhin nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 SGB I vorgegangen, anstatt über den Anspruch als solchen zu entscheiden.

Vor diesem Hintergrund kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Versagungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben war.

Anmerkung vom Bürgergeld Experten Detlef Brock

1.Ein Versagungsbescheid trifft – keine Aussage zu einzelnen Leistungsvoraussetzungen – , sondern zur fehlenden Mitwirkung des Antragstellers im Verwaltungsverfahren. Beim Versagungsbescheid sind im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren lediglich Mitwirkungshandlungen zu berücksichtigen, die bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erfolgen.