Welcher Grad der Behinderung gilt bei welcher Krankheit? – Neue Tabelle 2025

Viele Betroffene suchen eine einfache โ€žGdB-Tabelleโ€œ, um abzulesen, welcher Grad der Behinderung bei welcher Krankheit gilt. Tatsรคchlich existiert eine offizielle Grundlage โ€“ aber sie ist differenzierter, als es eine starre Liste vermuten lรคsst.

MaรŸgeblich ist die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) mit den โ€žVersorgungsmedizinischen Grundsรคtzenโ€œ.

Dort wird nicht die Diagnose an sich bewertet, sondern die konkrete funktionelle Beeintrรคchtigung und deren Auswirkungen auf die Teilhabe. GdB (Grad der Behinderung) und GdS (Grad der Schรคdigungsfolgen) werden dabei nach denselben Kriterien in Zehnerschritten angegeben.

Wo die offiziellen Werte stehen โ€“ und wie man sie liest

Die eigentlichen Richtwerte finden sich im Teil B der โ€žVersorgungsmedizinischen Grundsรคtzeโ€œ. Er ist eine GdS-Tabelle, die fรผr das Schwerbehindertenrecht herangezogen wird und damit faktisch die GdB-Bewertung steuert.

Fรผr jedes Organsystem sind Bandbreiten angegeben, die je nach Schwere der Funktionsstรถrung gelten. Die Werte sind Durchschnittswerte; im Einzelfall darf und muss abgewichen werden, wenn die Lebensrealitรคt dies erfordert. Gerade deshalb ersetzt die Tabelle keine individuelle Prรผfung, sondern strukturiert sie.

Tabelle mit allen groรŸen Krankheitsgruppen nach den offiziellen Versorgungsmedizinischen Grundsรคtzen

Gesundheitsgruppe (Teil B โ€“ VersMedV) Mรถglicher GdB (GdS) โ€“ Bandbreite als Orientierung
Kopf und Gesicht Von 0 (z.โ€ฏB. unauffรคllige Narben) bis รผber 10 bei komplexeren Schรคdeldefekten oder funktionellen Einschrรคnkungen.
Nervensystem und Psyche Sehr weit gespannt: z. B. leichte Hirnschรคden: 30โ€“40, mittel: 50โ€“60, schwer: 70โ€“100. Bei psychischen Stรถrungen ergeben sich 0โ€“20 (leicht), 30โ€“40 (mittlere Anpassungsschwierigkeiten), 50โ€“70 (mittelschwer), 80โ€“100 (schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten)
Sehorgan Feine Abstufungen โ€“ von geringfรผgigen Einschrรคnkungen bis zu vollstรคndiger Blindheit (GdB meist 100). Konkrete Summen variieren je nach Sehleistung, Gesichtsfeldausfall etc.
Hรถr- und Gleichgewichtsorgan Reicht von geringem Hรถrverlust (niedrige GdB-Werte) bis hin zur Taubheit bzw. Hรถrlosigkeit mit hohen Werten โ€“ teilweise bis 100.
Nase Beispiele: vollstรคndiger Verlust der Nase oder des Riechvermรถgens fรผhren zu einem messbaren GdB (typisch: mittlere Spannen im unteren Bereich).
Mundhรถhle, Rachenraum, obere Luftwege Wertspanne je nach AusmaรŸ (z. B. Artikulationsstรถrungen, Schluckstรถrungen, offensichtliche Defekte) โ€“ meist mittlere GdB-Spannen.
Brustkorb, Atemwege und Lungen Von geringen Einschrรคnkungen (0โ€“20) bei leichter Bronchitis bis zu deutlich hรถheren Werten bei dauerhafter Funktionsminderung oder schwerem Verlauf (z. B. Asthma, COPD).
Herz und Kreislauf Sehr gestuft: z. B. keine Leistungsbeeintrรคchtigung: 0โ€“10, mittlere Belastungsintoleranz: 20โ€“40, deutliche Belastungseinschrรคnkung: 50+, komplexe Verlรคufe noch hรถher.
Verdauungsorgane Von einfachen Magen-Darm-Beschwerden (niedrige Werte) bis zu schweren Leber- oder Pankreaserkrankungen mit Heilungsbewรคhrung โ€“ teils deutlich hรถhere GdB-Spannen.
Brรผche (Hernien) Formen wie Leisten- oder Nabelbruch haben typische Werte (oft eher im unteren bis mittleren Bereich).
Harnorgane Reicht von einfacher Harnwegsentzรผndung bis zu Nierentransplantation oder Inkontinenz โ€“ die Werte steigen je nach Schwere.
Mรคnnliche Geschlechtsorgane Von Verlust eines Hodens (mittlerer Bereich) bis zu vollstรคndigem Verlust oder Tumornachsorge mit Heilungsbewรคhrung (mรถglicherweise hรถher).
Weibliche Geschlechtsorgane Analog: z. B. Mastektomie, Entfernung der Gebรคrmutter, hormonelle Beeintrรคchtigungen โ€“ entsprechend gestaffelte GdB-Werte.
Stoffwechsel, innere Sekretion Diabetes mellitus, Gicht, Schilddrรผsenerkrankungen, Mukoviszidose etc. Diabetes: Spanne je nach Einschrรคnkung etwa 0โ€“50.
Blut, blutbildende Organe, Immunsystem Von Anรคmie bis Lymphom oder Leukรคmie โ€“ Werte je nach Schwere zwischen niedrig und sehr hoch (bis 100 bei malignen Erkrankungen).
Haut Von leichten Hauterkrankungen bis zu groรŸflรคchigen oder therapieresistenten Erkrankungen โ€“ Werte steigen entsprechend.
Haltungs- und Bewegungsorgane, rheumatische Krankheiten Beispiele: leichte Bewegungseinschrรคnkungen: niedrige Werte; stรคrkere Rheumabeschwerden oder Wirbelsรคulenschรคden: mittlere bis hohe GdB-Spannen.

Hinweise zur Nutzung dieser Tabelle

Diese รœbersicht zeigt dieย Organโ€‘ und Funktionsgruppen, wie sie verbindlich in Teilโ€ฏB der GdSโ€‘Tabelle aufgefรผhrt sind. Innerhalb jeder Gruppe sindย viele Einzeldiagnosenย mit jeweils unterschiedlichen GdBโ€‘Spannen enthalten, die hier nicht im Einzelnen aufgefรผhrt werden kรถnnen.

Fรผr dieย exakte GdBโ€‘Bestimmungย ist immer der konkrete Krankheitsverlauf, die funktionelle Auswirkung im Alltag und ggf. der Verlauf einschlieรŸlich Heilungsphasen entscheidend โ€“ eine rein diagnostische Tabelle wรคre unzulรคnglich. Das System ist bewusst flexibel als Bandbreite gestaltet und erlaubt eineย individuelle Bewertung im Einzelfall, wie von der VersMedV vorgesehen.

Grundprinzipien der Bewertung

Bewertet wird, wie stark und wie dauerhaft (mindestens sechs Monate) die Teilhabe eingeschrรคnkt ist โ€“ nicht, ob eine bestimmte Diagnose vorliegt. Die VersMedV betont ausdrรผcklich, dass altersรผbliche Verรคnderungen unberรผcksichtigt bleiben, dass Zehnerwerte รผblich sind und dass es auf die Gesamtauswirkungen im Alltag ankommt. Mehrere Beeintrรคchtigungen werden zu einem Gesamt-GdB zusammengefasst; einfache Addition einzelner Werte ist unzulรคssig. Diese Systematik erklรคrt, warum vermeintlich identische Diagnosen bei verschiedenen Menschen zu unterschiedlichen Ergebnissen fรผhren kรถnnen.

Beispiele: Was die Tabelle fรผr hรคufige Krankheitsbilder vorsieht
Bei Diabetes mellitus unterscheidet die Tabelle danach, wie aufwendig und risikobehaftet die Therapie ist und wie sehr sie den Alltag einschrรคnkt. Ohne Hypoglykรคmierisiko ergibt sich kein Wert.

Bei Therapieformen mit Hypoglykรคmierisiko und spรผrbaren Einschnitten ist ein GdS von 20 vorgesehen; mit tรคglicher, dokumentierter Selbstkontrolle und weiteren Einschrรคnkungen kommen 30 bis 40 in Betracht.

Wer eine intensivierte Insulintherapie mit mindestens vier Injektionen tรคglich benรถtigt, die Dosis eigenstรคndig variieren muss und dadurch deutlich im Alltag beeintrรคchtigt ist, erreicht in der Regel einen GdS von 50; auรŸergewรถhnlich schwer regulierbare Lagen kรถnnen darรผber liegen.

Tabelle: Beispiele fรผr die Erteilung eines Grad der Behinderung

Krankheit / Gesundheitsstรถrung Mรถglicher Grad der Behinderung (GdB) laut VersMedV
Diabetes mellitus Ohne Hypoglykรคmierisiko: 0. Mit Hypoglykรคmierisiko und leichten Einschrรคnkungen: 20. Bei dokumentierter Selbstkontrolle und deutlichen Einschnitten: 30โ€“40. Intensivierte Insulintherapie mit Alltagseinschrรคnkungen: ab 50.
Depression / Psychische Stรถrungen Leichte Stรถrungen: 0โ€“20. Deutlich einschrรคnkende Stรถrungen (z. B. mittelgradige Depression): 30โ€“40. Schwere Stรถrungen mit Anpassungsschwierigkeiten: 50โ€“70. Sehr schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten: bis 100.
Asthma bronchiale Ohne dauerhafte Einschrรคnkung, seltene leichte Anfรคlle: 0โ€“20. Hรคufige/schwere Anfรคlle: 30โ€“40. Serien schwerer Anfรคlle: ca. 50. Mit dauerhafter Lungenfunktionsminderung ggf. hรถher.
Herzkrankheitenย (z. B. Herzinsuffizienz) Leichte Einschrรคnkungen, keine Belastungsdyspnoe: 20โ€“30. Mittelschwere Einschrรคnkungen (Belastungsdyspnoe bei Alltagstรคtigkeiten): 40โ€“50. Schwere Einschrรคnkungen (Ruhedyspnoe, starke Belastungseinschrรคnkung): 60โ€“100.
Krebserkrankungen Wรคhrend und kurz nach Therapie (Heilungsbewรคhrung): meist 50 oder hรถher. Nach Ablauf der Heilungsbewรคhrung: abhรคngig von verbleibenden Einschrรคnkungen, ggf. deutlich niedriger.
Rรผckenleiden / Wirbelsรคulenschรคden Leichte funktionelle Einschrรคnkungen: 0โ€“20. Deutlich schmerzhafte oder wiederkehrende Bewegungseinschrรคnkungen: 30โ€“40. Schwere Einschrรคnkungen mit Nervenschรคden oder Lรคhmungen: 50โ€“70.
Sehbehinderung Sehleistung โ‰ค 30 %: GdB 20โ€“30. Sehleistung โ‰ค 10 %: GdB 50. Blindheit (beidseitig oder nahezu blind): GdB 100.
Hรถrbehinderung / Schwerhรถrigkeit Geringgradige Schwerhรถrigkeit: 20โ€“30. Hochgradige Schwerhรถrigkeit: 50โ€“70. Gehรถrlosigkeit: 100.
Epilepsie Seltene, leichte Anfรคlle: 20โ€“30. Hรคufige Anfรคlle trotz Therapie: 40โ€“60. Sehr hรคufige oder schwere Anfรคlle: bis 80.

Grad der Behinderung bei psychischen Erkrankungen

Bei psychischen Stรถrungen, zu denen auch depressive Erkrankungen zรคhlen, spannt die Tabelle einen weiten Bogen. Leichtere psychovegetative oder psychische Stรถrungen bewegen sich zwischen 0 und 20.

Wird die Erlebnis- und Gestaltungstรคtigkeit wesentlich eingeschrรคnkt โ€“ etwa bei ausgeprรคgteren depressiven, phobischen oder somatoformen Stรถrungen โ€“ nennt die Tabelle 30 bis 40.

Schwere Stรถrungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten sind mit 50 bis 70 bewertet; bei schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten reicht der Rahmen bis 80 bis 100. Entscheidend ist die reale Einschrรคnkung der sozialen Teilhabe, nicht der Diagnosebegriff allein.

Bei Atemwegserkrankungen zeigt das Beispiel Bronchialasthma die Logik der Staffelung. Ohne dauerhafte Lungenfunktionsminderung und mit seltenen leichten Anfรคllen reicht die Spanne von 0 bis 20. Hรคufige oder schwere Anfรคlle rechtfertigen 30 bis 40; bei Serien schwerer Anfรคlle sind 50 mรถglich.

Besteht zusรคtzlich eine dauerhafte Einschrรคnkung der Lungenfunktion, wird diese gesondert berรผcksichtigt, was den Gesamtwert anheben kann. Bei Kindern gelten eigene, altersbezogene Anhaltswerte mit hรถheren Bandbreiten bei schweren Verlรคufen.

Heilungsbewรคhrung, Verlauf und Kombinationen

Die Tabelle arbeitet teils mit Heilungsbewรคhrungen, etwa nach der Entfernung bรถsartiger Tumoren. In solchen Phasen werden befristet hรถhere Werte angesetzt, weil Therapie und Nachsorge die Teilhabe spรผrbar belasten.

Zugleich betont die Verordnung den Blick auf typische Schwankungen chronischer Erkrankungen: Bewertet wird das durchschnittliche AusmaรŸ der Beeintrรคchtigung รผber die Zeit, nicht nur ein โ€žguterโ€œ oder โ€žschlechterโ€œ Tag. Bei mehreren Gesundheitsstรถrungen wird ein Gesamt-GdB festgelegt, der die Wechselwirkungen berรผcksichtigt; der hรถchsten Einzelbewertung folgt nicht automatisch die Summe weiterer Werte.

Ab wann gilt man als schwerbehindert โ€“ und was bedeutet das?

Rechtlich gilt eine Schwerbehinderung ab einem festgestellten GdB von wenigstens 50; dann kann ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt werden. Wer einen GdB zwischen 30 und 40 hat, kann unter bestimmten Bedingungen bei der Agentur fรผr Arbeit Menschen mit Schwerbehinderung gleichgestellt werden โ€“ mit arbeitsrechtlichen Schutzwirkungen, aber ohne Ausweis.

Beide Schwellen sind in offiziellen Informationen der Bundesregierung verankert.

Antrag, Begutachtung und Bescheid

Die Feststellung erfolgt auf Antrag bei der zustรคndigen Behรถrde des Wohnsitzes. Grundlage der Entscheidung sind รคrztliche Unterlagen und โ€“ soweit erforderlich โ€“ Gutachten anhand der VersMedV-Kriterien.

Der Bescheid nennt den GdB, gegebenenfalls Merkzeichen sowie die Befristung oder den Hinweis auf eine Heilungsbewรคhrung. Gegen die Entscheidung ist ein Rechtsbehelf mรถglich. Die VersMedV-Broschรผre des BMAS stellt hierfรผr die verbindlichen medizinischen MaรŸstรคbe bereit, auf die sich die Gutachten beziehen.

Warum starre โ€žKrankheit-=-GdBโ€œ-Listen in die Irre fรผhren

Die Praxis zeigt: Nicht โ€žwelche Krankheitโ€œ entscheidet, sondern โ€žwelche Folgenโ€œ โ€“ wie stark, wie hรคufig, wie lange und mit welchen Auswirkungen auf Alltag, Mobilitรคt, Kommunikation, Arbeit und soziale Beziehungen. Die offizielle Tabelle ist deshalb eine Bandbreite mit Begrรผndungspflicht, keine starre Liste.

Fรผr Betroffene lohnt es, im Antrag den funktionellen Alltag โ€“ Therapieaufwand, Anfalls- oder Krisenhรคufigkeit, Unterstรผtzungsbedarf, รœberwachungspflichten, Einschrรคnkungen in Schule, Beruf und Freizeit โ€“ nachvollziehbar zu dokumentieren.

Die Gutachterinnen und Gutachter mรผssen diese Lebenswirklichkeit an den in der VersMedV festgelegten MaรŸstรคben spiegeln.

Fazit

Die Frage โ€žWelcher GdB bei welcher Krankheit?โ€œ lรคsst sich nur im Kontext der individuellen Teilhabeeinschrรคnkung beantworten. Die verbindliche Grundlage ist die GdS-Tabelle in der VersMedV, deren Werte nach Schweregrad und Auswirkungen gestaffelt sind.

Wer die Logik der Tabelle โ€“ und ihre Beispiele etwa zu Diabetes, psychischen Stรถrungen oder Asthma โ€“ kennt, kann die eigene Situation besser einordnen und Unterlagen zielgerichtet zusammenstellen. Fรผr die rechtliche Schwelle zur Schwerbehinderung bleibt der festgestellte GdB von 50 der maรŸgebliche Punkt.