Wer eine dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigung hat, kann mit einem anerkannten Grad der Behinderung nicht nur Nachteilsausgleiche nutzen, sondern auch steuerliche Erleichterungen, besonderen Kündigungsschutz und früheren Renteneintritt beantragen.
All diese Ansprüche setzen jedoch voraus, dass der Status offiziell festgestellt und – ab einem Grad von 50 – ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt ist. Zuständig ist in fast allen Bundesländern das jeweilige Versorgungsamt; vereinzelt übernehmen Sozial- oder Landesämter diese Aufgabe.
Inhaltsverzeichnis
Erste Anlaufstelle und Wege zum Antrag
Das klassische Antragsformular erhalten Betroffene beim Versorgungsamt, in vielen Kommunen inzwischen auch als barrierefreies Online-Formular.
Seit 2025 erlauben zehn Bundesländer – darunter Berlin, Bayern, NRW und Hessen – eine vollständig digitale Antragstellung mit Upload der Befunde; das spart den Weg zur Behörde und verkürzt vielerorts die Bearbeitungszeit.
Schritt für Schritt: Das benötigst Du für einen Antrag auf Schwerbehinderung
Schritt | Beschreibung |
1. Antragsformular beschaffen | Beim Versorgungs- oder Sozialamt (alternativ auf dem Landes-Onlineportal) das Formular herunterladen oder in Papierform abholen; digitale Anträge verkürzen häufig die Bearbeitungszeit. |
2. Persönliche Angaben eintragen | Name, Anschrift, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit sowie Beschäftigungs- oder Rentenstatus vollständig und gut lesbar ausfüllen, um Rückfragen zu vermeiden. |
3. Ärzteliste und Schweigepflichtentbindung | Alle behandelnden Haus- und Fachärztinnen bzw. -ärzte mitsamt Anschrift angeben und per Unterschrift von der Schweigepflicht entbinden, damit die Behörde Befunde anfordern kann. |
4. Aktuelle medizinische Befunde zusammenstellen | Gutachten, Krankenhaus- und Reha-Entlassungsberichte, Labor- und Bildbefunde (idealerweise nicht älter als zwei Jahre) kopieren oder als PDF bereithalten. |
5. Zusätzliche Nachweise beilegen | Falls vorhanden: Pflegegrad- oder BG-Bescheide, Rentenentscheidungen, Schmerztagebuch, Hör- oder Sehtests – sie untermauern den Antrag und beschleunigen die Bewertung. |
6. Identitätsnachweis beifügen | Kopie des Personalausweises (bei Drittstaatsangehörigen zusätzlich Aufenthaltstitel); bei Minderjährigen Vollmacht oder Betreuerausweis einreichen. |
7. Biometrisches Passfoto bereitstellen | Aktuelles Lichtbild (35 × 45 mm, heller Hintergrund); Kinder unter zehn Jahren sind davon befreit. |
8. Antrag komplett einreichen | Unterlagen postalisch, persönlich oder via Upload abgeben; vorab auf Vollständigkeit prüfen, um Nachforderungen zu vermeiden, und Eingangsbestätigung abwarten. |
9. Rückfragen beantworten | Bei behördlichen Nachforderungen fristgerecht reagieren (meist binnen zwei Wochen) oder Gutachtertermin wahrnehmen. |
10. Bescheid prüfen | Festgestellten Grad der Behinderung (GdB) und Merkzeichen kontrollieren; bei Unstimmigkeiten innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. |
11. Schwerbehindertenausweis entgegennehmen | Ab GdB 50 stellt das Amt den Ausweis aus (Plastikkarte oder Papierform); ggf. fehlendes Foto nachreichen. |
12. Nachteilsausgleiche nutzen | Mit Bescheid und Ausweis Steuererleichterungen, Zusatzurlaub, Kündigungsschutz, Parkerleichterungen, ÖPNV-Ermäßigungen oder vorgezogenen Rentenbeginn geltend machen. |
Persönliche Nachweise, die beigelegt werden müssen
Dem Antrag müssen Nachweise zur Identität und zum Aufenthaltsstatus beigelegt werden. In der Regel genügt eine Kopie des Personalausweises; Menschen ohne EU-Staatsangehörigkeit legen zusätzlich eine Kopie ihres gültigen Aufenthaltstitels bei.
Wer minderjährig ist oder sich vertreten lässt, fügt außerdem die Vollmacht oder den Betreuerausweis bei, damit die Behörde prüfen kann, ob der oder die Unterzeichnende vertretungsbefugt ist.
Medizinische Unterlagen: das Herzstück des Verfahrens
Entscheidend für die Feststellung sind aktuelle medizinische Befunde. Eingereicht werden ärztliche Gutachten, Krankenhaus- oder Reha-Entlassungsberichte, Labor- und Bildbefunde sowie – je nach Krankheitsbild – Schmerztagebücher, Migräne-Kalender oder Blutzuckerprotokolle.
Die Unterlagen sollten nach Vorgabe der Behörden nicht älter als zwei Jahre sein, weil der Grad der Behinderung die gegenwärtige Funktionsbeeinträchtigung abbilden soll.
Lesen Sie auch:
– Wo beantrage ich die KFZ-Steuerermäßigung bei Schwerbehinderung?
Rolle der behandelnden Ärztinnen und Ärzte
Auf dem Formular werden sämtliche Haus- und Fachärztinnen oder -ärzte mit Anschrift benannt. Mit der Unterschrift entbindet die antragstellende Person diese Mediziner von der Schweigepflicht, damit die Behörde ergänzende Berichte direkt anfordern kann.
Wer erwerbstätig ist, sollte das im Antrag vermerken; in solchen Fällen sieht § 17 Absatz 2 SGB IX ein beschleunigtes Verfahren mit verbindlichen Fristen vor.
So machst Du den GdB-Antrag erfolgreich
Das Passfoto – kleine Formalie mit Effekt
Für den eigentlichen Ausweis verlangt die Verwaltung ein aktuelles biometrisches Lichtbild im Format 35 × 45 Millimeter vor hellem, einfarbigem Hintergrund; Kinder unter zehn Jahren sind von der Foto-Pflicht befreit.
Wer bereits in den vergangenen fünf Jahren ein Foto hinterlegt hat, kann auf Wunsch die Speicherung verlängern und braucht kein neues einzureichen.
Unterlagen für besondere Konstellationen
In bestimmten Fällen werden zusätzliche Dokumente benötigt: Liegt eine Berufsgenossenschafts-Entscheidung, ein Pflegegrad-Gutachten oder ein Rentenbescheid wegen Erwerbsminderung vor, sollte die entsprechende Kopie beigefügt werden, weil sie den Nachweis der Ursache oder der Folgekosten erleichtert.
Auch Entlassungsberichte aus Rehabilitationsmaßnahmen, Sprachaudiogramme bei Hörbehinderung oder Sehtests bei Sehbehinderung können den Antrag substantiiert unterfüttern.
Verfahrensfristen und Bescheid
Ist der Antrag vollständig, muss das Amt ohne externe Gutachten innerhalb von drei Wochen entscheiden; muss eine Gutachterin hinzugezogen werden, verlängert sich das Verfahren um die Zeit, die das medizinische Sachverständigengutachten benötigt, plus weitere zwei Wochen für die Entscheidung.
Der Feststellungsbescheid listet ab einem Grad von 20 alle anerkannten Gesundheitsstörungen und – ab 50 – die erteilten Merkzeichen auf.
Digitalisierung und kommende Reformen
Die fortschreitende Digitalisierung der Antragswege ist nur eine von mehreren Neuerungen, die die große Reform der Versorgungsmedizin-Verordnung mit sich bringt, die voraussichtlich noch 2025 in Kraft tritt.
Künftig wird bereits eine zusätzliche Beeinträchtigung von zehn Punkten den Gesamt-GdB erhöhen können, während moderne Hilfsmittel nicht mehr automatisch zu Abzügen führen.
Parallel dazu schaffen mehrere Länderportale die Möglichkeit, Befunde direkt hochzuladen, sodass Rückfragen seltener werden und die Bescheide schneller ergehen.
Wenn der Bescheid negativ ausfällt
Fällt der Bescheid negativ aus oder wird ein niedrigerer Grad der Behinderung anerkannt, können Betroffene binnen eines Monats schriftlich Widerspruch bei der im Bescheid genannten Stelle einlegen. Ein formloses Schreiben genügt, doch empfiehlt es sich, parallel neue oder bislang nicht berücksichtigte medizinische Unterlagen beizufügen, um die gesundheitlichen Einschränkungen nochmals zu belegen.
Bleibt der Widerspruch erfolglos, ist innerhalb eines weiteren Monats Klage vor dem zuständigen Sozialgericht möglich – ohne Anwaltszwang und mit geringen Gerichtskosten.
Unabhängige Teilhabeberatungen sowie Sozial- und Behindertenverbände wie VdK oder SoVD unterstützen kostenlos oder kostengünstig bei der Formulierung von Widersprüchen und Klagen, prüfen Gutachten und können, falls nötig, eigene Sachverständige einschalten, um die Erfolgsaussichten zu verbessern.
Fazit
Die Beantragung einer Schwerbehinderung ist ein formelles, aber berechenbares Verfahren: Wer das amtliche Formular, alle aktuellen medizinischen Unterlagen, die Schweigepflichtentbindung und ein korrektes Passfoto einreicht, legt den Grundstein für eine zügige Entscheidung.
Der wachsende Ausbau digitaler Portale und die 2025 anstehende Reform vereinfachen das Prozedere weiter – setzen aber zugleich voraus, dass Befunde fachärztlich präzise und aktuell sind.
Wer unsicher ist, kann kostenlose Beratungsangebote von Sozial- und Behindertenverbänden oder den Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungen nutzen, um den Antrag von Anfang an vollständig einzureichen und so unnötige Verzögerungen zu vermeiden.