Nicht nur Einkommen entscheidet über gesellschaftliche Ungleichheit

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Die Corona-Krise hat die oftmals als „soziale Ungleichheit“ bezeichneten okönomischen Unterschiede in der Bevölkerung besonders sichtbar gemacht.

Wohlhabende Menschen und solche mit unbefristeten Arbeitsverträgen, ausreichend Wohnraum für Home-Office und genügend finanziellem Spielraum, um die Mehrkosten zu decken, kommen relativ problemlos durch den anhaltenden Lockdown.

Befristet Angestellte, Solo-Selbstständige, von Hartz IV Betroffene, Menschen in Altersarmut, Geflüchtete und Obdachlose leiden am stärksten unter den Folgen der Pandemie. Ein neuer Auswertungszugang zeigt detailliert, wie die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander klappt und welche sozialen und psychologischen Folgen das hat.

Armut und Wohlstand – differenzierte Auswertung zeichnet komplexes Bild

Die Forscher des SOCIUM Forschungszentrums Ungleichheit und Sozialpolitik in Bremen haben für das Bundesarbeitsministerium die Langzeitbefragung Sozio-ökonomisches Panel, die seit Mitte der 80er Jahre durchgeführt wird, ausgewertet und diverse Faktoren miteinander verrechnet. So konnten sie ein komplexeres Bild der gesellschaftlichen Verhältnisse zeichnen und mehrere Dimensionen von Armut und Wohlstand gleichzeitig erfassen.

Nicht allein das Einkommen entscheidet bei dieser Vorgehensweise, ob Menschen in die Kategorien Wohlhabend, Wohlstand, Mitte, untere Mitte, Prekariat oder Armut eingeordnet werden. Stattdessen flossen auch die jeweilige Position auf dem Arbeitsmarkt, die größe des Wohnraums, mögliche Rücklagen, die Anzahl der Kinder und der Wohnort.

Die Mitte schrumpft, Armut und Wohlstand wachsen

Die Befunde der Auswertung sind auf den ersten Blick wenig überraschend. Je besser die ökonomische Stellung, desto mehr Sozialkontakte, politisches Engagement, Besuche kultureller Veranstaltungen, höhere Lebenszufriedenheit und Gesundheit. Man kann es sich eben leisten.

Die wichtige Erkenntnis, die sich aus der verschränkten Verrechnung verschiedener Dimensionen ergibt, ist jedoch eine andere. Anders als Studien, die nur das Einkommen berücksichtigen und daher zu dem Befund gelangen, dass der Wert für Ungleichheit in Deutschland relativ konstant bleibt, zeigt die Auswertung der Bremer Sozialforscher, dass eine deutliche Polarisierung des Reichtums stattfindet und wie sich dieser verschiebt.

Die einbezogenen Faktoren verstärken sich gegenseitig. Dass jene reicher werden, die ohnehin vermögend sind, ist klar. Die Auswertung zeigt aber auch, dass Arbeitsmarkt-Booms in der Regel nur denen helfen, die bereits gut in den Arbeitsmarkt integriert sind.

Die Ärmsten der Gesellschfaft werden systematisch abgehängt

Die Auswertung zeigt auch, dass seit den 80er Jahren eine Verhärtung insbesondere der Gruppe der Menschen in Armut stattgefunden hat. Das deutsche Sozialsystem ist offenbar nicht in der Lage, überhaupt die Voraussetzungen für einen möglichen ökonomischen Aufstieg zu schaffen.

Besonders bedenklich ist dies auch angesichts der anhaltenden Corona-Situation. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist massiv angestiegen, während Weiterbildungsangebote zurückgegangen sind und eine angemessene Grundsicherung noch immer in weiter Ferne liegt. Wie Deutschland mit den sozialen Folgen der ökonomischen Krise umgehen wird, wird darüber entscheiden, wie stark sich die Spaltung der Gesellschaft in den nächsten Jahren fortsetzt. Bild: Hyejin Kang / AdobeStock

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