Müssen Hartz IV Bezieher jetzt umziehen?

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Müssen Hartz IV Bezieher nun umziehen – oder nicht?

(03.09.2010) Wie die Bundesregierung jetzt verlautbaren ließ, müssen Hartz IV-Empfänger doch nicht befürchten, in kleinere Wohnungen umziehen zu müssen. Tatsachen, anhand derer diese Furcht, welche mehr als 6 Millionen ALG II-Bezieher beschäftigt, irgendwie entkräftet werden könnte, nennt die Bundesregierung jedoch nicht – im Gegenteil: perfider Weise wird stattdessen darauf verwiesen, dass die Kommunen noch mehr Freiheiten bei der Festlegung, welche Unterkunftskosten sie übernehmen wollen, erhalten sollen. Das lässt das Schlimmste befürchten und ist alles andere als eine "Entwarnung".

Wie das Bundesverfassungsgericht im Februar diesen Jahres offenlegte, ging es den verantwortlichen bei Hartz IV von Anfang an niemals darum, den tatsächlichen Bedarf von denjenigen zu decken, die auf diese letzte Stufe der sozialen Sicherung Erwerbsfähiger gefallen sind, sondern allein darum, dafür möglichst wenig Geld auszugeben. Auch deshalb haben Kommunen bereits seit Beginn der Hartz IV Gesetzgebung weitestgehend freie Hand bei der Festlegung, welche Unterkunftskosten sie übernehmen wollen und dabei nach Kräften von allen legalen und illegalen Einsparmöglichkeiten Gebrauch gemacht.

Allein das Bundessozialgericht (BSG) hat mit etlichen Grundsatzurteilen dieser Sparwut deutliche Grenzen gesetzt, aber selbst diese Grenzen werden von den meisten Kommunen nicht beachtet. So dürfen Kommunen rechtswidrige, weil gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung des BSG dazu verstoßende, Festlegungen (Verordnungen) zu den Unterkunftskosten des SGB II erlassen und anwenden, ohne dass sich Hartz IV-Empfänger dagegen irgendwie wehren können. Das wissen die Kommunen und machen deshalb davon reichlich gebrauch. Allen voran sind hier als Negativbeispiele Berlin und München zu nennen; wer dort nicht draufzahlen will, muss die Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten einklagen.

Aber selbst wenn man das mit seiner Klage erreicht hat, währt dieser Sieg oft nicht lange, weil diese rechtswidrigen Verordnungen trotzdem weiterhin angewendet werden. Denn diese Verordnungen unterliegen nicht der Rechtsprechung der Sozialgerichte, sondern sind nur in aufwendigen Normenkontrollklagen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit angreifbar. Möglicherweise war das einer der Gründe, die rechtliche Zuständigkeit für das SGB II mit der Einführung von Hartz IV von der bis dahin zuständigen Verwaltungs- zur Sozialgerichtsbarkeit zu übertragen. Im schlimmsten Fall bedeutet dies für Betroffene, beim nächsten Hartz IV-Bescheid wieder langwierige und aufwendige Widerspruchs- und Klageverfahren, um die tatsächlichen Unterkunftskosten wieder für die nächsten 6 Monate zu bekommen.

Die Bundesregierung plant nun, wie sie freimütig erklärt, per Gesetzesänderung den Kommunen noch mehr Freiheiten bei der Festlegung, welche Unterkunftskosten von Hartz IV-Empfänger sie denn übernehmen möchten, einzuräumen, als diese schon haben.

Was das in der Praxis bedeutet, ist offensichtlich: den Kommunen soll ermöglicht werden, unter Umgehung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nach Gusto ohne jede Regeln festlegen zu können, wie viel sie einem Hartz IV-Empfänger an Unterkunftskosten zahlen wollen. Um zu wissen, dass die Kommunen von dieser stark erweiterten Möglichkeit Geld zu sparen umgehend nach Kräften Gebrauch machen werden, muss man kein Hellseher sein.
Statt endlich mal eindeutige Grenzen und klare Regeln im SGB II festzulegen, wie sie die Sozialgerichte seit Jahren fordert, werden die bestehenden noch weiter aufgeweicht bzw. ganz abgeschafft.

Betroffenen wird einmal mehr nur der Weg zum Sozialgericht bleiben, um die ihnen zustehenden Leistungen zu erhalten, wenn sie nicht in kleinere und billigere Wohnungen umziehen wollen, weil die Kommune zu Lasten der Hartz IV-Empfänger noch mehr Geld sparen will. (fm)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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