Als die Deutsche Rentenversicherung (DRV) 1992 erstmals erfasste, wie viele Witwenrenten nach Ablauf des Sterbevierteljahrs wegen der Einkommensanrechnung vollstรคndig eingestellt wurden, waren es rund 4 500 Fรคlle.
Drei Jahrzehnte spรคter lag diese Zahl bereits bei gut 106 000 โ ein Anstieg um mehr als das 23-Fache.
Hinter dem Trend steht allerdings keine Reform, sondern eine gesellschaftliche Entwicklung: Immer mehr Hinterbliebene โ vor allem Frauen โ verfรผgen รผber eigenes Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen, das oberhalb der Freibetrรคge liegt. รnderungen bei der Witwenrente zum 1. Juli kรถnnten die Situation nun abmildern.
Stand heute: Wie viele Hinterbliebene Renten beziehen โ und wie hoch sie sind
Nach der jรผngsten DRV-Statistik โErgebnisse auf einen Blick 2024โ wurden zum Stichtag 31. Dezember insgesamt 5,46 Millionen Hinterbliebenenrenten gezahlt, davon 5,18 Millionen Witwenrrenten.
Der durchschnittliche monatliche Zahlbetrag lag โ nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrรคgen โ bei 712 Euro.
Noch immer erhalten knapp 86 Prozent der Berechtigten Frauen eine Hinterbliebenenrente, doch bei den Mรคnnern steigt der Anteil stetig: 2023 gab es bereits rund 736 000 Witwerrenten, verglichen mit 144 000 im Jahr 1992.
Die Rechtslage bis 30. Juni 2025: Freibetrag und 40-Prozent-Anrechnung
Seit der Rentenanpassung 2024 dรผrfen Witwen und Witwer monatlich 1 038,05 Euro pauschaliertes Nettoeinkommen anrechnungsfrei behalten.
รbersteigt ihr Einkommen diesen Betrag, werden 40 Prozent des รผbersteigenden Teils von der Hinterbliebenenrente abgezogen. Fรผr jedes waisenrentenยญberechtigte Kind erhรถht sich der Freibetrag um 220,19 Euro.
Die Regel ย greift erstmals nach dem Sterbevierteljahr und betrifft alle Arten von Einkommen, einschlieรlich Vermรถgens- und Kapitaleinkรผnften.
Zum 1. Juli 2025 tritt die Reform in Kraft: Zwei Entlastungsstufen
Die Rentenreform 2025 รคndert die Spielregeln spรผrbar:
1. Hรถherer Grundfreibetrag: Mit der Rentenerhรถhung steigt der anrechnungsfreie Betrag um fast vier Prozent auf 1 076,86 Euro. Auch der Kinderzuschlag wรคchst auf 228,42 Euro.
2. Neuer Sockel-Freibetrag fรผr Arbeitseinkommen: Zusรคtzlich bleibt kรผnftig ein Betrag in Hรถhe der Minijob-Grenze โ 2025 sind das 556 Euro pro Monat โ vollstรคndig unberรผcksichtigt, bevor das 40-Prozent-Modell greift.
Damit ist ein regulรคrer Minijob anrechnungsfrei, solange keine weiteren Einkommensarten vorliegen.
Die Reform gilt ausschlieรlich fรผr Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkรผnfte. Kapital- und Vermรถgenseinkommen werden weiterhin ohne Sockel in die Berechnung einbezogen.
Wer profitiert โ und wer weiterhin leer ausgeht
Eine geringe oder teilzeitnahe Beschรคftigung bleibt ab Juli in der Regel vollstรคndig anrechnungsfrei.
Vollzeitbeschรคftigte oder Bezieher grรถรerer Abfindungen werden das hรถhere Grundfreibetragsniveau zwar spรผren, doch ihre Rente kann weiter ganz oder teilweise ruhen, sobald Nettoeinkommen und Sockel zusammen den Grenzbetrag รผbersteigen.
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Kritik der Sozialverbรคnde
Der Sozialverband VdK und die Wohlfahrtsverbรคnde begrรผรen den Sockel zwar als Schritt in die richtige Richtung, kritisieren aber, dass Vermรถgenseinkommen weiterhin zu 100 Prozent oberhalb des Grundfreibetrags angerechnet werden.
Gerade รคltere Frauen, die kleinere Kapitalrenten oder Zinsertrรคge nutzen, kรถnnten daher trotz Reform in den Ruhensbereich fallen.
Was Betroffene jetzt beachten sollten
Einkommen, das bislang knapp รผber 1 038 Euro lag, kรถnnte ab Juli wieder vollstรคndig anrechnungsfrei sein.
Wer einen Minijob plant, sollte sich die 556-Euro-Grenze merken: Sie bleibt komplett auรen vor, sofern keine weiteren Einkรผnfte bestehen.
Bei hรถheren Verdiensten lohnt es sich, eine Vergleichsberechnung vor und nach dem 1. Juli 2025 erstellen zu lassen โ insbesondere fรผr Altfรคlle nach ยง 114 SGB VI, in denen noch Sonderregeln zum 60-Prozent-Satz oder eingeschrรคnkter Einkommensanrechnung gelten.
Eine schriftliche Mitteilung an die Rentenversicherung รผber jede Einkommensรคnderung bleibt Pflicht, sonst drohen Rรผckforderungen.
Ausblick
Die reformierte Freibetragslogik mildert die Belastung fรผr Teilzeit- und Minijob-Beschรคftigte, bremst aber den Grundtrend nicht: Angesichts steigender Erwerbsquoten werden ruhende Hinterbliebenenrenten auch kรผnftig zunehmen.
Wichtig ย ist wie immer deshalb, dass Betroffene ihre individuelle Einkommenssituation regelmรครig prรผfen.