Eine Witwe, die ihren Partner kurz vor dessen Tod geheiratet hatte, erhielt keine Witwenrente, obwohl die beiden seit sieben Jahren die Hochzeit geplant hatten. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ging trotzdem von eienr Versorgungsehe aus. (L 2 R 501/18)
Inhaltsverzeichnis
Der rechtliche Hintergrund
Eine Hinterbliebenenrente wird grundsätzlich dann gewährt, wenn der / die Rentenversicherte und der / die Hinterbliebene mindestens ein Jahr verheiratet waren. Bei Ehen, die kürzer als ein Jahr dauerten, muss der Verdacht ausgeräumt sein, dass es sich nicht um eine Versorgungsehe handelte, die Partner also nur wegen der Hinterbliebenen Rente heirateten. Ausgenommen davon sind unvorhersehbare Tode, zum Beispiel durch einen Unfall.
Erwerbsunfähig und Rentner
Die Betroffene schloss mit dem Verstorbenen am 08. April 2016 die Ehe, angemeldet war ursprünglich der 14. April 2016. Der Versicherte war seit März 2012 erwerbsunfähig aufgrund eines durch Asbest verursachten bösartigen Tumors. Er bezog eine Unfallrente und später auch eine Regelaltersrente der Deutschen Rentenversicherung. Seine Ehefrau bezog vor seinem Tod ebenfalls eine gesetzliche Altersrente sowie eine Betriebsrente des Bankgewerbes.
Große Liebe, späte Heirat
Die Betroffene beantragte am 29. April 2016 bei der Deutschen Rentenversicherung eine große Witwenrente. Der Partner war kurz nach der Hochzeit verstorben. Sie gab an, ihr Ehemann sei seit 1963 ihre große Liebe gewesen. Trotz einer kurzzeitigen räumlichen Trennung 1969 und auch während die beiden mit anderen Ehepartnern verheiratet gewesen seien, sei der Kontakt nie abgerissen.
Heirat war seit Jahren geplant
Seit 2006 seien sie ein Liebespaar gewesen und seien zusammengezogen. Sie hätten sich bald entschlossen, zu heiraten. Doch nach der diagnostizierten Krebserkrankung habe diese im Vordergrund gestanden, und die Heiratspläne in den Hintergrund gerückt. Doch habe ihnen beiden der Gedanke an die baldige Hochzeit während der Erkrankung viel Kraft gegeben.
Verschieben der Heiratspläne wegen Reha
2014 hätten sie die Heiratspläne verschieben müssen, da beide Partner eine Reha-Maßnahme durchgeführt hätten. Im März 2015 hätten sie die Hochzeit dann erneut wegen einer Chemotherapie aufschieben müssen. Trotz einer neuen Immuntherapie ab September 2015 hötten sie nicht mehr länger warten wollen.
Hochzeit soll Wunder bewirken
Im März 2016 hätte sie beim Standesamt allein die Hochzeit angemeldet, der Versicherte hätte erst unmittelbar vor der Trauung am 08. April unterschrieben. Beide hätten gewusst, wie ernst die Situation war. Doch sie hätten die Hoffnung nicht aufgegeben und geglaubt, die Hochzeit könne eine Wunder bewirken, und dem Erkrankten neue Lebenskraft geben.
Rentenantrag abgelehnt
Die Rentenversicherung lehnte den Antrag auf eine Witwenrente ab. Die Begründung lautete, die Ehe hätte kürzer als ein Jahr gedauert, und die Vermutung einer Versorgungsehe sei nicht widerlegt. Die Witwe hätte wissen müssen, dass der Tod ihres Partners absehbar war. Einen Widerspruch der Witwe wies die Rentenversicherung zurück.
Die Rentenversicherung unterfütterte die Ablehnung mit den medizinischen Befunden des Jahres 2015. Diese zeigten, dass es sich um eine fortgeschrittene Tumorerkrankung mit zunehmender Verschlechterung gehandelt hatte. Zur Zeit der Eheschließung habe sich der Partner bereits in einem Hospiz befunden. Die Betroffene legte Klage vor dem Sozialgericht Berlin ein, um ihren Anspruch durchzusetzen.
Schon zehn Jahre Heiratswunsch
Vor Gericht gab sie an, schon zehn Jahre vor dem Tod des Partners hätten sie gewünscht, zu heiraten. Die Krankheit habe die Realisierung dieses Wunsches behindert und sei nicht umgekehrt der Grund für die Hochzeit gewesen. Sie hätten bis zuletzt die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Gesundheit des Mannes sich verbessere.
Tödlicher Tumor
Das Sozialgericht lehnte die Klage mit der gleichen Begründung wie die Rentenversicherung ab. Die Betroffene habe nicht nachweisen können, dass die Ehe mit dem Versicherten aus anderen Gründen als einer Versorgung geschlossen worden sei. Der Mann hätte unter einem sehr aggressiven Tumor gelitten, bei dem die mittlere Überlebenszeit bei sieben bis 16 Monaten liege. Die Erkrankung habe sich zudem 2015 verschlimmert.
Eine Eheschließung mit einem an einer lebensbedrohlichen Krankheit leiden würde allerdings gerade als objektiver Umstand betrachtet, um eine Versorgungsehe einzugehen. Am 08. April 2016 sei offenkundig gewesen, dass die Krankheit zum Tod führen würde.
Auch die Hoffnung, dass die lebensbedrohliche Krankheit überstanden werden könnte, stünde nicht gegen eine Versorgungsehe. Langjährige Hochzeitsabsichten würden einer Versorgungsehen mit einem Todkranken nur dann entgegen stehen, wenn sie hinreichend konkret seien und die Heiratsabsicht bereits vor Bekanntwerden der Krankheit nachweislich beabsichtigt gewesen sei. Lediglich abstrakte Pläne ohne konkreten Termin reichten dafür nicht aus.
Berufung vor dem Landessozialgericht scheitert
Die Witwe legte Berufung vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein. Auch dort scheiterte sie. Grundsätzlich teilten die Richter die Argumente der Rentenversicherung und des Sozialgerichts, fügten aber noch Details hinzu, die in ihren Augen den Verdacht einer Versorgungsehe untermauerten.
Noch 2015 hätte die Hochzeit keine Priorität gehabt
So führten die Richter aus: Dass der schon vor dem Ausbruch der Erkrankung bekundete Heiratsplan tatsächlich erst mit dem drohenden Ableben des Versicherten ernsthaft geworden ist, ergibt sich zur Überzeugung des Senates auch daraus, dass (…) bei (…) Besuch in der Wohnung des Versicherten am 30. März 2015 (…) das „Paar“ angesprochen auf die Hochzeitspläne mitgeteilt hat, dass sie zwar „bereits öfter ans Heiraten gedacht hätten, aber es ginge ja auch ohne dem. Jetzt hätten sie aber bereits auch mit den Kindern darüber gesprochen. Einen Termin gäbe es bisher nicht. Es seien dafür auch so viele Formalitäten zu erledigen, Unterlagen erforderlich. Er (der Versicherte) sagte, dass, wenn sie heiraten, es gut wäre. Wenn er vorher stürbe, wäre es auch nicht zu ändern“.“
Die Richter schlossen daraus, dass es Vorrang gehabt hätte, ein „Nest“ für die Klägerin und den Versicherten zu bauen, die Hochzeit sei jedoch unbestimmt geblieben. Konkret geworden seien die Pläne erst kurz vor dem absehbaren Tod des Partners geworden.
Kein Beweis, der gegen eine Versorgungsehe spricht
Das Landessozialgericht wies die Klage als unbegründet zurück und kam zu dem Ergebnis:
„Insgesamt lassen die von der Klägerin geltend gemachten Umstände zwar andere Motive der Heirat nicht unmöglich erscheinen, stehen jedoch der Vermutung einer die Begründung eines „zusätzlichen“ Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezweckenden Eheschließung nicht mit der zur Führung des Vollbeweises erforderlichen Evidenz entgegen.“