Sozialhilfe: Kosten für Ausstellung eines ausländischen Passes sind als Werbungskosten von der Rente abzusetzen

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Die Kosten für die Ausstellung eines russischen Passes, die Lebensbescheinigung und die Unterschriftsbeglaubigung können als Werbungskosten von den Einnahmen aus einer russischen Rente abgezogen werden.

Es ist schon fraglich, ob der Regelsatz für Sozialhilfeempfänger auch Kosten für ausländische Pässe enthält (Orientierungssatz Detlef Brock).

So entschieden vom SG Dresden, 03.09.2018 – S 42 SO 80/15 – rechtskräftig

Begründung:

Die Antragstellerin und ihr Ehemann sind deutsche und russische Staatsbürger und Inhaber deutscher Ausweispapiere. Beide beziehen sie Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII.

Beide machten beim Grundsicherungsamt nach dem SGB XII die Kosten für die Beschaffung eines russischen Reisepasses, die Unterschriftsbeglaubigung sowie die Kosten für die Lebensbescheinigung als Werbungskosten geltend, die auf ihre Grundsicherungsleistungen angerechnet wurde.

Das Sozialamt kam dem Widerspruch des Ehemannes nach, doch für seine Frau wurde dieser abgelehnt mit der Begründung, sie beziehe erst seit 2014 eine russische Rente.

Das SG Dresden hat das Sozialamt zur Übernahme der Kosten in Höhe von 76 Euro verurteilt

Erforderlichkeit im Sinne des § 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB XII lag vor

Denn die Kosten der Passbeschaffung sind nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII vom Einkommen aus der Rente abzusetzen.

Für den Bezug der russischen Rente im Ausland ist die jährliche Vorlage einer Lebensbescheinigung erforderlich.

Für den Erhalt der Lebensbescheinigung ist es wiederum erforderlich, sich mit einem russischen Pass auszuweisen.

Aufwendungen der Kosten sind auch kausal für den Bezug der Rente erst im April 2014 bei der Ehefrau

Denn die Ehefrau könne auch darauf verwiesen werden, dass die Kosten für den Pass im Regelsatz enthalten sind.

Ehefrau verfügt auch über einen deutschen Pass

Der russische Pass wird nur dafür gebraucht, um regelmäßig die russische Rente zu beziehen.

Hinweis des Gerichts

Der Auffassung des Sozialhilfeträgers, die Kosten sind im Regelsatz enthalten, kann sich das Sozialamt aber nicht berufen

Denn die Kosten eines weiteren Passes neben dem deutschen Pass sind im Regelsatz nicht berücksichtigt.

Gericht meldet Zweifel an, ob überhaupt Kosten für ausländische Pässe im Regelsatz enthalten sind

Das Gericht hat schon Zweifel, ob überhaupt Kosten für ausländische Pässe im Regelsatz entsprechend berücksichtigt worden sind.

Die Berechnung des entsprechenden Anteiles nach dem Regelbedarfsermittlungsgesetzes stellt nämlich allein auf die Gültigkeitsdauer eines deutschen Personalausweises und die für diesen anfallenden Kosten ab.

Nicht aber auf die Gültigkeitsdauer und die Kosten ausländischer Ausweispapiere (so z.B. LSG NSB, Urteil vom 13.06.2017 – L 3 AS 1794/15).

Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock

Zur Geltendmachung der russischen Rente ist ein Sozialhilfeempfänger verpflichtet, denn es würde ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten vorliegen.

Wird die russische Rente bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB XII berücksichtigt, liegt eine Kausalität der Ausgaben vor, so dass diese Kosten als mit der Erzielung von Einkommen verbundene notwendige Ausgaben (§ 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB XII) zu berücksichtigen sind.

Die Kosten für einen weiteren ausländischen Pass sind im Regelbedarf (§ 28 SGB XII) nicht berücksichtigt.

Hinweis

BSG, Urteil v. 08.12.2022 – B 8 SO 11/20 R –

Lebt ein ausländischer Sozialhilfeempfänger in einer stationären Einrichtung, hat er einen Anspruch auf einen Zuschuss für seinen neuen Pass seines Herkunftsstaates

1. Die vom Heimatland erhobenen Gebühren für die Ausstellung eines neuen Passes sind dem weiteren notwendigen Lebensunterhalt iS von § 27b Abs 1, Abs 2 Satz 1 SGB XII zuzuordnen.

2. Die Deckung von Bedarfen durch ergänzende Darlehen scheidet für Leistungsberechtigte in stationären Einrichtungen aus, weil der Barbetrag, anders als der Regelsatz, keine Ansparbeträge beinhaltet.

Deshalb liegt auch keine gleichheitswidrige Besserstellung gegenüber Leistungsberechtigten vor, die außerhalb einer stationären Einrichtung leben und den vollen Regelsatz erhalten.

3. Für Leistungsberechtigte in stationären Einrichtungen scheidet die Ausstellung eines Ausweisersatzes schließlich typischerweise aus, weil sie die Passbeschaffungskosten als Zuschuss verlangen und sich damit einen Pass zumutbar beschaffen können (Orientierungssatz Detlef Brock).