Sozialamt stellte Sozialhilfe wegen Kontowechsel ein – Gericht kassierte Sanktion

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Keine Einstellung bewilligter Sozialleistungen nach einem Kontowechsel durch den bei eigenwilligen, rechtswidrigen Vorgehen des Sozialamtes
Keine Versagung der Sozialhilfe wegen Nicht-Vorlage der Kopie der neuen Kontokarte, denn allein ein Kontowechsel berechtigt das Sozialamt nicht zu faktischen Einstellung bewilligter Leistungen der Grundsicherung, wenn nicht die Voraussetzungen der ยงยง 60 ff. SGB I vorliegen und verfahrensfehlerfrei umgesetzt werden (LSG NRW – L 9 SO 191/17 B ER – rechtskrรคftig -).

Eine ausschlieรŸlich in der Sphรคre des Sozialhilfetrรคgers liegende Problematik, dass ein frรผherer Sachbearbeiter des Duisburger Sozialamtes unter erheblicher krimineller Energie zahlreiche Sozialhilfezahlungen auf eigene Konten รผberwiesen habe und die Vorgesetzten nun gehalten seien, im Rahmen des Vieraugenprinzips alle Kontendaten bei der Zahlbarmachung von Sozialhilfe zu รผberprรผften Mitwirkungspflichten von Leistungsberechtigten zu statuieren, kann nicht dazu fรผhren, dass existenzsichernden Leistungen zur Folge entzogen werden.

Insoweit dรผrfte wohl nur eine Optimierung der internen Verwaltungsablรคufe ohne rechtliche Sanktionierung der Leistungsberechtigten in Betracht kommen.

Eigenwilliges Vorgehen des Sozialamtes

Es spricht einiges dafรผr, dass die hรถchst eigenwillige Vorgehensweise des Sozialamtes , den Antragsteller mit Schreiben unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht nach ยง 60 SGB I bei Belehrung รผber die Folgen fehlender Mitwirkung (ยง 66 Abs. 1 SGB I) aufzufordern, die Kopie seiner neuen Kontokundenkarte oder ein Anschreiben seines neuen Kreditinstituts zwecks รœberprรผfung der Kontodaten einzureichen, rechtswidrig ist, jedenfalls aber nicht zur faktischen Einstellung der ihm bestandskrรคftig bewilligten Leistungen fรผhren kann.

Mitwirkungspflicht des Antragstellers hinsichtlich der Vorlage einer Kopie der neuen Kontokarte erweist sich als solche mehr als zweifelhaft

Denn zu den fรผr Leistungen nach dem SGB XII erheblichen Tatsachen gehรถren insbesondere solche Umstรคnde, die im Zusammenhang mit dem Nachweis der Hilfebedรผrftigkeit stehen. So kann die Behรถrde in diesem Zusammenhang insbesondere die Vorlage von Kontoauszรผgen als Beweismittel verlangen.

Hier geht es aber nicht um die Leistungsvoraussetzungen an sich, sondern die Leistungsmodalitรคten hinsichtlich der Art der Auszahlung.

Ungeachtet der Frage, ob hierauf รผberhaupt Mitwirkungspflichten eines Leistungsberechtigten nach ยง 60 SGB I gegrรผndet werden kรถnnen, was bereits zweifelhaft ist, regelt ยง 47 SGB I, der bei Leistungen der Sozialhilfe jedenfalls im Rahmen des nach ยง 17 Abs. 2 Satz 1 SGB XII eingerรคumten Ermessens zu berรผcksichtigen ist, die Modalitรคten der Auszahlung von Sozialleistungen.

Danach sollen Geldleistungen kostenfrei auf ein Konto des Empfรคngers รผbermittelt werden.

Gleiches gilt auch fรผr die Mitteilung einer Kontoรคnderung. Teilt der Glรคubiger die Erรถffnung eines neuen Kontos mit und wรผnscht er die Zahlung noch ausstehender Betrรคge ausschlieรŸlich auf das neue Konto, so hat der Schuldner dem im Regelfall Folge zu leisten.

Damit der Leistungstrรคger seiner Pflicht zur Leistung auf das vom Leistungsempfรคnger gewรผnschte Konto nachkommen kann, muss der Berechtigte seinerseits Sorge dafรผr tragen, dass dieser Wunsch dem leistungsverpflichteten Trรคger hinreichend deutlich und rechtzeitig vor dem gewรผnschten oder in Betracht kommen Zahlungstermin bekannt wird.

Betroffene Leistungen und gewรผnschter ร„nderungstermin mรผssen so klar und fรผr den Leistungstrรคger unmissverstรคndlich bezeichnet sein, dass dieser bei vernรผnftiger Organisation in der Lage ist, die gewรผnschte ร„nderung fristgerecht umzusetzen .

Diesen Voraussetzungen ist der Antragsteller mit seinem Schreiben an die Sozialbehรถrde nachgekommen, indem er die neue Bankverbindung unter Angabe des Namens der Bank sowie von IBAN und BIC mitgeteilt und um Abรคnderung fรผr Januar, spรคtestens Februar gebeten hat.

Ein Ausnahmetatbestand im Sinne eines unverhรคltnismรครŸigen Verwaltungsaufwandes, der den Leistungstrรคger zur Verweigerung der รœberweisung auf das angegebene Konto berechtigen kรถnnte, ist damit – nicht ersichtlich.

Wann wรคre die Vorlage einer Kopie der neuen Kontokarte nach Ansicht des Gerichts vor zulegen?

Dies wรคre allenfalls dann denkbar, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Zweifel gerade an der Kontoinhaberschaft des Antragstellers bestehen wรผrden.

Solche Zweifel macht das Sozialamt selbst nicht geltend, – sondern begrรผndet ihre Vorgehensweise damit, dass ein frรผherer Sachbearbeiter des Duisburger Sozialamtes unter erheblicher krimineller Energie zahlreiche Sozialhilfezahlungen auf eigene Konten รผberwiesen habe und die Vorgesetzten nun gehalten seien, im Rahmen des Vieraugenprinzips alle Kontendaten bei der Zahlbarmachung von Sozialhilfe zu รผberprรผfen.

Unfassbar die Auffassung des Sozialamtes fรผr das Gericht

Denn auch wenn dies aus Sicht des Sozialhilfetrรคgers durchaus legitim erscheinen mag, stellt sich doch die Frage, ob eine solche ausschlieรŸlich in der Sphรคre des Sozialhilfetrรคgers liegende Problematik dazu fรผhren kann, Mitwirkungspflichten von Leistungsberechtigten zu statuieren, die eine Entziehung von existenzsichernden Leistungen zur Folge haben kรถnnten.

Fazit

1. Keine Sanktionierung wegen Kontowechsel.

2. Nur eine Optimierung der internen Verwaltungsablรคufe des Sozialhilfetrรคgers – ohne rechtliche Sanktionierung der Leistungsberechtigten kommt hier in Betracht.

Praxistipp zur Grundsicherung SGB II โ€“ Bรผrgergeld โ€“ Kontoinhaberschaft

1. Bestehen Zweifel an der Kontoinhaberschaft des Leistungsempfรคngers, kann das Jobcenter die Leistungen โ€“ ganz versagen โ€“ aufgrund fehlender Hilfebedรผrftigkeit ( ยง 66 SGB I in Verbindung mit ยง 9 SGB II ).

2. Hilfebedรผrftig im Sinne von ยง 9 SGB II und damit grundsicherungsberechtigt nach ยง 7 SGB II ist unter anderem, wer nicht nach ยง 12 Abs. 2 SGB II รผber verwertbares Vermรถgen verfรผgt.

3. Legt ein Verwandter auf den Namen seines Kindes oder Enkels ein Sparbuch an, ohne dieses selbst aus der Hand zu geben, so will sich der Zuwendende die Verfรผgung รผber das Sparbuch bis zu seinem Tod vorbehalten.

Das Sparbuch ist ein Inhaberpapier nach ยง 808 BGB.

Paukenschlag: Sparbuch mit 450.000 Euro kein Vermรถgen beim Bรผrgergeld

Damit ist das darin ausgewiesene Guthaben nicht dem hilfebedรผrftigen Kind bzw. Enkel zuzurechnen.

Somit kann eine Bรผrgergeld โ€“ Familie trotz des Besitzes von 3 dicken Sparbรผchern mit einem Vermรถgen von fast einer halben Million Euro โ€“ hilfebedรผrftig nach dem Bรผrgergeld sein.

Dieses Vorgehen ist zu 100% mit dem Gesetz vereinbar und ist stรคndige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seit fast 20 Jahren.

Lesetipp

Lesen Sie im nรคchsten Beitrag: Wann bezahlt das Sozialamt im Eilverfahren eine โ€“ Sehhilfe โ€“ fรผr den Bezieher von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII