Menschen mit Schwerbehinderung fragen oft: Lässt sich der Grad der Behinderung (GdB) nach einem früheren Gerichtsverfahren noch erhöhen? Eine aktuelle Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg gibt eine klare Antwort.
Eine Änderung bleibt möglich. Sie braucht aber neue, belastbare Fakten. Im konkreten Fall blieb es deshalb bei GdB 40. Sie erfahren hier, was das Urteil bedeutet, welche Nachweise zählen und wie Sie typische Fehler vermeiden.
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Entscheidung: Berufung scheitert, GdB bleibt bei 40
Das LSG wies am 8. Januar 2025 die Berufung eines Betroffenen zurück. Er wollte seinen GdB von 40 auf 50 anheben. Das Gericht sah keine wesentliche Verschlechterung. Die seit der letzten Feststellung vorgelegten Unterlagen reichten nicht.
Diagnosen standen ohne ausreichende Befundtiefe. Teilhabeeinschränkungen waren nicht stichhaltig belegt. Der Mann blieb damit ohne Schwerbehindertenausweis.
§ 48 SGB X: Änderung trotz früherem Urteil möglich
Das Gericht stellte zunächst Grundsätzliches klar. Ein Änderungsantrag ist zulässig, auch wenn der frühere Bescheid ein früheres Urteil umsetzt. Entscheidend bleibt jedoch § 48 SGB X. Er verlangt neue, erhebliche Tatsachen. Nur dann darf die Behörde den GdB für die Zukunft anpassen. Alte Befunde in neuer Verpackung genügen dafür nicht.
Maßstab: VersMedV und die Logik des Gesamt-GdB
Die Behörde und die Gerichte bewerten nach der Versorgungsmedizin-Verordnung. Sie betrachtet Funktionssysteme. Für jedes System wird ein Einzel-GdB bestimmt. Daraus entsteht in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB. Eine Rechenformel gibt es nicht.
Leichte Beeinträchtigungen mit GdB 10 erhöhen den Gesamt-GdB oft nicht. Zwei Einzel-GdB von 30 führen nicht automatisch zu 50. Es zählt die Wirkung in der Summe.
Psychische Erkrankung: Einzel-GdB 30 blieb angemessen
Im Verfahren stand vor allem eine depressive Störung im Mittelpunkt. Der Betroffene legte stationäre Entlassungsberichte vor. Die Dokumentation zeigte jedoch keine schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Das Gericht sah weiterhin eine wesentliche, aber nicht schwere Einschränkung.
Daher blieb es beim Einzel-GdB 30 für „Gehirn einschließlich Psyche“. Weitere Diagnosen waren nicht ausreichend untermauert.
Weitere Leiden: Keine tragfähigen Anhaltspunkte für Pluspunkte
Der Mann verwies zusätzlich auf Atemwegsprobleme, Wirbelsäulenbeschwerden, Schulterbeschwerden, Hautbefunde und einen Leistenbruch. Die Unterlagen belegten keine deutliche Verschlechterung. Ein vermutetes Schlafapnoe-Syndrom blieb unbestätigt.
Ein Diabetes war nicht behandlungsrelevant dokumentiert. Damit ergab sich kein höherer Einzel-GdB. Der Gesamt-GdB verblieb folgerichtig bei 40.
Was Sie für eine GdB-Erhöhung wirklich brauchen
Entscheidend sind aktuelle, fachärztliche Befunde. Diese müssen die Funktionseinschränkung beschreiben. Sie müssen zeigen, wie stark Alltag, Arbeit und soziale Teilhabe eingeschränkt sind.
Reine Diagnosetitel genügen nicht. Wichtig sind Verlaufsberichte, Therapiepläne und Re-Assessments. Eine regelmäßige Behandlung stützt die Glaubhaftigkeit. Lücken erschweren den Nachweis.
So bereiten Sie Ihren Änderungsantrag vor
Sammeln Sie aktuelle Befundberichte aus allen betroffenen Fachgebieten. Achten Sie auf klare Funktionsbeschreibungen. Lassen Sie die Auswirkungen konkretisieren. Beispiele helfen: Wegstrecken, Treppen, Konzentrationsspanne, Erholungszeiten, Kommunikationsfähigkeit.
Dokumentieren Sie Therapien, Anpassungen im Alltag und Hilfsmittel. Führen Sie ein Symptomtagebuch. Halten Sie Reha- und Psychotherapie-Nachweise bereit.
Typische Stolpersteine bei GdB-Nachprüfungen
Aussagen wie „es ist schlimmer geworden“ bleiben zu vage. Einzel-GdB 10 summieren sich nicht automatisch. Unklare psychiatrische Diagnosen ohne Befundtiefe überzeugen nicht. Berichte sollten konsistent sein. Widersprüche zwischen Eigenangaben und Beobachtung schwächen die Akte. Tagesstruktur, Aktivitäten und soziale Kontakte müssen realistisch dargestellt werden.
Bedeutung für laufende und künftige Verfahren
Die Entscheidung bestätigt den hohen Belegstandard. Sie stärkt zugleich den Rechtsrahmen. Änderungsanträge bleiben möglich, selbst nach Gerichtsverfahren. Wer den GdB erhöhen will, sollte strukturiert vorgehen. Das spart Zeit und Nerven. Es verbessert die Chancen, ohne weiteren Prozess zum Ziel zu kommen.
Handlungsempfehlung für Betroffene
Prüfen Sie Ihre Unterlagen vor dem Antrag. Ergänzen Sie fehlende Befunde. Bitten Sie behandelnde Ärzte um funktionsbezogene Einschätzungen. Achten Sie auf Aktualität. Holen Sie bei psychischen Erkrankungen auch testpsychologische Ergebnisse ein.
Wenn Sie einen Bescheid erhalten, vergleichen Sie ihn mit der VersMedV. Legen Sie nur gut begründet Widerspruch ein. Lassen Sie sich bei Unsicherheiten beraten.