Wer einen negativen SCHUFA-Eintrag hinter sich hat, kennt das Gefühl: Selbst nach der vollständigen Zahlung bleibt der Makel oft sichtbar und kann den Alltag noch lange beeinflussen. Mietbewerbungen scheitern, Kreditkonditionen verschlechtern sich, Mobilfunk- oder Energieverträge kommen nicht zustande.
Im Frühjahr 2025 schien ein Urteil aus Köln vielen Betroffenen einen Ausweg zu eröffnen: Erledigt sollte erledigt heißen – und die Speicherung sofort enden. Der Bundesgerichtshof hat diese Hoffnung nun deutlich relativiert. Mit Entscheidung vom 18. Dezember 2025 hat er klargestellt, dass eine Zahlung nicht automatisch eine Sofortlöschung auslöst. Statt starrer Automatismen verlangt das höchste deutsche Zivilgericht eine sorgfältige Abwägung im jeweiligen Einzelfall.
Warum „erledigt“ in der Praxis nicht „gelöscht“ bedeutet
Ein negativer SCHUFA-Eintrag ist nicht nur eine nüchterne Notiz in einer Datenbank, sondern häufig ein wirtschaftliches Hindernis. Der Begriff „Negativmerkmal“ klingt technisch, meint aber Informationen, die Vertragspartner als Warnsignal lesen: Hier gab es eine Zahlungsstörung. Selbst wenn die Forderung später vollständig beglichen wird, bleibt die Information über die frühere Störung häufig noch eine Zeit lang gespeichert und fließt weiterhin in Bonitätsauskünfte ein.
Aus Sicht vieler Verbraucherinnen und Verbraucher wirkt das wie eine zweite Strafe nach der Zahlung, zumal der entscheidende Moment – der Ausgleich – im Alltag als „Neustart“ verstanden wird.
Auskunfteien argumentieren seit Jahren anders. Sie verweisen darauf, dass nicht nur die aktuelle Zahlungsfähigkeit zählt, sondern auch die Frage, wie zuverlässig jemand über einen längeren Zeitraum Verpflichtungen erfüllt. Eine frühere Zahlungsstörung, so die Logik, könne auch nach ihrer Beendigung statistisch etwas über künftige Risiken aussagen. Genau um diesen Konflikt zwischen Rehabilitationsinteresse und Informationsinteresse dreht sich der Streit, den der BGH nun neu vermessen hat.
Der konkrete Fall: Von Bonn über Köln nach Karlsruhe
Dem Verfahren lag ein typischer Verlauf zugrunde, der in der Lebenswirklichkeit vieler Betroffener vorkommt: Mehrere Forderungen waren entstanden, später wurden sie ausgeglichen. Dennoch blieben die dazu gemeldeten Negativmerkmale gespeichert und wirkten sich weiter auf die Bonitätseinschätzung aus. In erster Instanz hatte das Landgericht Bonn die Klage abgewiesen.
Das Oberlandesgericht Köln gab dem Betroffenen im April 2025 dagegen weitgehend Recht und knüpfte die Beurteilung stark an Wertungen aus staatlichen Registern an. Damit stand auf einmal die These im Raum, dass die SCHUFA erledigte Einträge grundsätzlich unverzüglich entfernen müsse.
Die SCHUFA ging gegen diese Entscheidung vor – mit Erfolg. Der Bundesgerichtshof hob das Kölner Urteil auf und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurück. Das ist ein wichtiger juristischer Zwischenschritt: Der Rechtsstreit ist damit nicht endgültig beendet, aber der Weg, den das OLG Köln eingeschlagen hatte, ist in dieser Form blockiert.
Was der BGH entschieden hat – und was nicht
Die Karlsruher Richterinnen und Richter haben keine pauschale Speicherfrist festgeschrieben, aber drei Leitlinien deutlich herausgearbeitet.
Erstens gibt es nach Auffassung des BGH keinen automatischen Anspruch auf Sofortlöschung allein wegen der Zahlung. Der Umstand, dass eine Forderung erledigt ist, ändert zwar die Bewertung, beendet aber nicht zwingend jedes berechtigte Interesse an der weiteren Speicherung.
Zweitens lässt sich der Maßstab aus staatlichen Registern nicht ohne Weiteres auf private Auskunfteien übertragen. Der BGH rückt damit von dem Ansatz ab, die Löschlogik des Schuldnerverzeichnisses eins zu eins als Blaupause zu verwenden. Entscheidend sei, aus welcher Quelle die Information stammt und in welchem Kontext sie verarbeitet wird.
Drittens verlangt der BGH eine echte Interessenabwägung im Einzelfall.
Typisierte Speicherfristen dürfen als Orientierung dienen, sollen aber nicht gedankenlos angewendet werden. Es müsse Raum für Abweichungen geben, wenn besondere Umstände vorliegen, die das Löschinteresse deutlich verstärken.
Für Betroffene ist die Botschaft ambivalent: Der einfache Satz „bezahlt, also löschen“ reicht nicht mehr als Standardargument. Gleichzeitig öffnet der BGH die Tür dafür, im passenden Fall eine Verkürzung der Speicherung überzeugend zu begründen.
Der Knackpunkt: öffentliches Register versus private Meldung
Warum misst der BGH dem Unterschied zwischen staatlichen Registern und privaten Auskunfteien so viel Gewicht bei? Im Schuldnerverzeichnis, das auf gesetzlicher Grundlage geführt wird, gelten klare Regeln: Einträge werden nach bestimmten Ereignissen gelöscht, etwa bei vollständiger Befriedigung, und spätestens nach einer festen Zeit.
Das OLG Köln hatte argumentiert, diese Wertung müsse aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch private Auskunfteien binden – jedenfalls dann, wenn die gespeicherten Informationen vergleichbar sind. Der BGH folgt diesem Ansatz nicht. Er betont, dass im Streitfall nicht Daten aus einem öffentlichen Register „kopiert“ wurden, sondern Informationen, die von Vertragspartnern der Auskunftei gemeldet worden waren. Damit verändere sich die Ausgangslage.
Der Staat veröffentliche und lösche Daten nach einem anderen Regelungszweck; private Auskunfteien verarbeiten Informationen in einem anderen Rahmen, mit anderen Zugriffsvoraussetzungen und anderen Schutzmechanismen. Genau deshalb könne man die Löschfristen nicht mechanisch übertragen.
Warum EuGH-Rechtsprechung zur Insolvenz nicht automatisch hilft
In den vergangenen Jahren spielte in der Diskussion immer wieder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Speicherung von Insolvenzdaten eine Rolle. Dort ging es um Daten, die aus öffentlichen Bekanntmachungen stammten und parallel von einer Auskunftei weiterverarbeitet wurden.
Der EuGH stellte dabei hohe Anforderungen an die Speicherbegrenzung und daran, wie lange solche Informationen nach Löschung aus dem öffentlichen Register noch verfügbar sein dürfen. Der BGH grenzt diese Konstellation nun deutlich ab.
Wenn Daten aus öffentlichen Registern stammen, kann die Parallel-Speicherung durch private Stellen besonders kritisch sein, weil sie die staatlich gewollte Löschung faktisch aushebeln würde. Wenn die Information aber aus dem privaten Vertragsumfeld kommt, verschiebt sich nach Ansicht des BGH die Abwägung. Das bedeutet nicht, dass die DSGVO plötzlich weniger gilt. Es bedeutet aber, dass die Argumentationskette „öffentliche Löschung gleich private Löschung“ nicht automatisch trägt.
Die widersprüchlichen Linien der Oberlandesgerichte
Dass der BGH sich überhaupt mit der Frage befassen musste, liegt an einer auffälligen Uneinheitlichkeit in der Rechtsprechung. Das OLG Köln stellte 2025 stark auf die Wertungen des Schuldnerverzeichnisses ab und sah in der weiteren Speicherung erledigter Forderungen häufig einen unverhältnismäßigen Eingriff.
Fast zeitgleich vertrat das OLG München einen anderen Ansatz: Dort wurde die dreijährige Speicherung erledigter Zahlungsstörungen im konkreten Fall als zulässig angesehen, weil die Interessen der Auskunftei und ihrer Vertragspartner sowie der Schutz des Kreditsektors überwiegen könnten.
Auch das Münchener Gericht machte deutlich, dass mit zunehmendem Zeitablauf die Anforderungen an die Rechtfertigung steigen – es hielt die längere Speicherung im entschiedenen Fall aber für vertretbar.
Der BGH steuert nun in eine Richtung, die eher dem Münchener Ansatz ähnelt, ohne ihn vollständig zu übernehmen: Typische Fristen sind nicht tabu, aber sie sind nicht sakrosankt. Der Maßstab bleibt die Verhältnismäßigkeit unter den Vorgaben der DSGVO, und diese Verhältnismäßigkeit muss begründet werden.
Welche Speicherfristen in der Praxis derzeit eine Rolle spielen
Die DSGVO nennt keine festen Jahreszahlen für die Speicherung von Negativmerkmalen. Praktisch orientiert sich der Markt jedoch an Verhaltensregeln der Auskunfteien, die von der zuständigen Datenschutzaufsicht genehmigt wurden. Daraus hat sich eine Regellinie entwickelt, die viele Verbraucherinnen und Verbraucher als „Drei-Jahres-Frist“ kennen: Erledigte Forderungen werden typischerweise bis zu 36 Monate ab Erledigung gespeichert.
Seit Anfang 2025 gibt es zusätzlich eine Möglichkeit, die Frist unter bestimmten Voraussetzungen deutlich zu verkürzen. In der öffentlichen Diskussion wird sie oft als „100-Tage-Regel“ beschrieben. Vereinfacht bedeutet sie:
Wird eine einmalige Zahlungsstörung innerhalb kurzer Zeit nach der Meldung ausgeglichen und kommen bis zum Ablauf der verkürzten Speicherdauer keine weiteren Negativdaten hinzu, kann die Löschung früher erfolgen. Hinzu kommt, dass keine einschlägigen Einträge aus dem Schuldnerverzeichnis oder aus Insolvenzbekanntmachungen vorliegen dürfen. Die Speicherdauer kann dann bereits nach 18 Monaten enden.
Der BGH hält es grundsätzlich für zulässig, dass solche genehmigten Verhaltensregeln als typisierte Abwägung dienen. Gleichzeitig betont er, dass eine starre Anwendung ohne Blick auf den konkreten Fall nicht ausreicht. Das ist praktisch bedeutsam, weil sich damit zwei Argumentationsrichtungen ergeben: Wer die Voraussetzungen der verkürzten Frist erfüllt, kann sich darauf berufen. Wer sie nicht erfüllt, kann dennoch versuchen, besondere Umstände darzulegen, die eine weitere Verkürzung rechtfertigen könnten – allerdings ohne Garantie.
Wann eine sofortige Löschung weiterhin in Betracht kommt
Das BGH-Urteil betrifft vor allem den Fall, dass ein grundsätzlich zutreffender Eintrag nach Erledigung noch eine Zeit lang gespeichert bleibt. Davon zu unterscheiden ist die Situation, in der ein Eintrag falsch oder unrechtmäßig ist. Dann steht nicht die Länge der Speicherung im Vordergrund, sondern die Frage der Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der Verarbeitung.
In der Praxis sind Fehlerquellen vielfältig. Manchmal werden Informationen der falschen Person zugeordnet, etwa bei ähnlichen Namen oder veralteten Adressdaten. In anderen Fällen wird eine Forderung trotz Zahlung weiterhin als offen geführt oder es kommt zu widersprüchlichen Meldungen.
Besonders konfliktträchtig sind Konstellationen, in denen eine Forderung bestritten wurde oder formale Voraussetzungen einer Meldung nicht eingehalten wurden, etwa wenn Warnhinweise oder erforderliche Mahnstufen nicht ordnungsgemäß nachweisbar sind. In solchen Fällen kann ein Anspruch auf Berichtigung oder Löschung nach DSGVO wesentlich schneller durchgreifen als eine bloße Diskussion über Speicherfristen.
Was Betroffene nach dem BGH-Urteil sinnvoll tun können
Die wichtigste Grundlage bleibt die Transparenz über die eigenen Daten. Wer nicht weiß, was gespeichert ist, kann weder Fehler erkennen noch Fristen prüfen. Deshalb beginnt eine sinnvolle Strategie regelmäßig mit einer Datenauskunft. Erst wenn der genaue Eintrag, das Erledigungsdatum und die Einmeldedaten bekannt sind, lässt sich beurteilen, ob die verkürzte Speicherfrist denkbar ist oder ob es Anhaltspunkte für Unrichtigkeiten gibt.
Wenn sich ein Eintrag als fehlerhaft herausstellt, lohnt es sich, sehr konkret zu arbeiten:
Welche Angabe ist falsch, welche Nachweise belegen das, und weshalb ist die weitere Speicherung nicht gerechtfertigt? Je präziser ein Berichtigungs- oder Löschbegehren formuliert ist, desto eher lässt es sich bearbeiten.
Ist der Eintrag grundsätzlich korrekt, rückt die Frage der Frist in den Vordergrund. Dann kommt es darauf an, ob die Bedingungen der verkürzten Löschung erfüllt sind, und ob sich das belegen lässt, etwa über Zahlungsnachweise und den zeitlichen Abstand zwischen Meldung und Ausgleich.
Bleibt nur die Einzelfallabwägung, wird die Begründung entscheidend. Der BGH macht deutlich, dass besondere Umstände die Waage zugunsten einer früheren Löschung kippen können.
Das setzt aber voraus, dass die Nachteile konkret beschrieben werden und über das Übliche hinausgehen. Wer lediglich allgemein auf „schlechte Bonität“ verweist, wird es schwerer haben als jemand, der nachvollziehbar darlegt, dass eine existenzielle Wohnsituation, eine berufliche Tätigkeit oder eine absehbare Härte unmittelbar von der fortdauernden Speicherung beeinflusst wird.
Rechtlich wird in solchen Fällen häufig an das Widerspruchsrecht nach Art. 21 DSGVO und an die Frage angeknüpft, ob zwingende schutzwürdige Gründe der Auskunftei tatsächlich überwiegen.
Kommt man mit der Auskunftei nicht weiter, kann die zuständige Datenschutzaufsicht ein weiterer Schritt sein. Auch nach dem BGH-Urteil bleibt die Aufsicht gefragt, weil sie genehmigte Verhaltensregeln überwacht und Einzelfallbeschwerden prüft.
Bei komplexen Konstellationen, insbesondere wenn auch Schadensersatzansprüche im Raum stehen, ist anwaltliche Beratung oft sinnvoll – schon weil es darauf ankommt, Tatsachen sauber zu dokumentieren und die eigene Situation rechtlich passend einzuordnen.
Mehr Transparenz beim Score ab Ende März 2026 – hilfreich, aber keine Lösung für Speicherfragen
Parallel zur juristischen Debatte um Löschfristen setzt die SCHUFA auf mehr Transparenz beim Scoring. Ab Ende März 2026 soll ein neuer, vereinfachter Score für Verbraucherinnen und Verbraucher digital und kostenfrei nachvollziehbar einsehbar werden, gekoppelt an einen SCHUFA-Account und eine Identifizierung. Nach den Ankündigungen soll die Bewertung auf zwölf Kriterien beruhen und verständlicher werden als die bisher oft kritisierte „Blackbox“.
Das kann in der Praxis ein Vorteil sein, weil Fehler schneller auffallen und weil Betroffene besser verstehen, welche gespeicherten Informationen besonders stark in die Bewertung hineinwirken. Es ändert jedoch nichts daran, dass die Frage, wie lange ein erledigtes Negativmerkmal gespeichert bleiben darf, weiterhin an der DSGVO und der Einzelfallabwägung hängt. Transparenz ist ein Schritt zu mehr Kontrolle, ersetzt aber nicht das Recht auf Berichtigung und Löschung.
Ausblick: Das Ende der einfachen Formeln
Die Entscheidung des BGH beendet vorerst die Vorstellung, erledigte SCHUFA-Einträge könnten grundsätzlich sofort verschwinden. Sie bringt zugleich mehr Klarheit darüber, wie die Debatte künftig geführt werden muss: weniger mit pauschalen Vergleichen und mehr mit konkreten Abwägungen. Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet das mehr Aufwand in der Begründung, aber auch eine Chance, im passenden Fall überzeugend darzulegen, warum eine weitere Speicherung nicht mehr verhältnismäßig ist.
Wer seine Daten regelmäßig prüft, Fristen kennt und bei Fehlern konsequent reagiert, bleibt auch nach dem Karlsruher Urteil nicht ohne Möglichkeiten. Der Unterschied ist nur: Der Weg führt nicht über einen Automatismus, sondern über Genauigkeit, Nachweise und eine nachvollziehbare Argumentation.
Quellen
Bundesgerichtshof, Verfahren I ZR 97/25, Nachweise und Zusammenfassungen in der juristischen Berichterstattung.
Bundesrechtsanwaltskammer, Darstellung der Entscheidung des BGH vom 18.12.2025 und der Maßstäbe zur Einzelfallabwägung.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 10.04.2025, Az. 15 U 249/24




