Rundfunkbeitrag: Bundesverfassungsgericht zieht eine formale Grenze – GEZ

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Das Bundesverfassungsgericht hat die jรผngste Verfassungsbeschwerde gegen den Rundfunkbeitrag nicht zur Entscheidung angenommen. Damit scheiterte ein sรคchsischer Klรคger endgรผltig mit dem Versuch, sich seiner Zahlungspflicht fรผr die Jahreโ€ฏ2014โ€ฏundโ€ฏ2015 zu entziehen.

Seine zentrale These, fehlende Staatsferne und mangelnde Transparenz in den Aufsichtsgremien des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) brรคchten das gesamte Finanzierungssystem zu Fall, fand zwar in Karlsruhe โ€žnachvollziehbareโ€œ Ansรคtze โ€“ doch die Richterinnen und Richter lieรŸen sie aus formellen Grรผnden nicht mehr inhaltlich prรผfen.

Architektur des รถffentlichโ€‘rechtlichen Rundfunks

Seit 1949 schรผtzt Artikelโ€ฏ5 Absatzโ€ฏ1 Satzโ€ฏ2 Grundgesetz den รถffentlichโ€‘rechtlichen Rundfunk als Garant einer von Staat und Markt unabhรคngigen, vielfรคltigen Meinungsbildung.

Zur Finanzierung wurde 2013 der gerรคteunabhรคngige Rundfunkbeitrag eingefรผhrt, der derzeit monatlich 18,36โ€ฏEuro betrรคgt.

Eine von den Ministerprรคsidentinnen und Ministerprรคsidenten beschlossene Beitragsstabilisierung bis 2027 hat die Summe vorerst eingefroren, nachdem eine geplante Erhรถhung auf 18,94โ€ฏEuro politisch gescheitert war.

Der lange Weg des Klรคgers

Der Beschwerdefรผhrer verweigerte bereits 2014 die Zahlung, erhob Widerspruch und zog vor das Verwaltungsgericht Leipzig. Dort gab man ihm teilweise Recht: Der MDRโ€‘Staatsvertrag von damals gewรคhrleiste tatsรคchlich keine genรผgend staatsferne Besetzung von Rundfunkโ€‘ und Verwaltungsrat.

Die Beitrรคge blieben dennoch fรคllig, weil weder die Gremienentscheidungen rรผckwirkend nichtig seien noch die Hรถhe des Beitrags im MDRโ€‘Staatsvertrag, sondern im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag geregelt werde. Auch das Sรคchsische Oberverwaltungsgericht lieรŸ keine Berufung zu. Erst danach wandte sich der Mann an das Bundesverfassungsgericht.

Transparenz als Prรผfstein

Kern seiner Beschwerde waren die verdeckten Programmbeschwerdeโ€‘Verfahren: Sitzungen der Ausschรผsse seien nicht รถffentlich, Tagesordnungen und Protokolle wรผrden nicht bereitgestellt.

Unter diesen Umstรคnden, so das Argument, kรถnne die ร–ffentlichkeit nicht kontrollieren, ob der MDR Programmvielfalt wirklich sichere. Ohne Vielfalt fehle aber der individuelle Vorteil, der die Beitragspflicht rechtfertige.

Warum Karlsruhe nicht eingestiegen ist

Die Richter stellten klar, dass eine substanzielle Debatte รผber Staatsferne und Transparenz mรถglich wรคre โ€“ aber nicht mehr in diesem Verfahren. Nach dem Subsidiaritรคtsgrundsatz hรคtte der Klรคger seine Einwรคnde schon im Berufungszulassungsantrag beim Oberverwaltungsgericht detailliert vortragen mรผssen.

Weil er das versรคumte, fehlte die prozessuale Vorprรคgung; das Bundesverfassungsgericht darf keine Tatsacheninstanz ersetzen. Es lieรŸ die Beschwerde daher als unzulรคssig liegen.

Offene Tรผren und unbeantwortete Fragen

Bemerkenswert ist, dass Karlsruhe die Bedenken nicht fรผr offensichtlich unbegrรผndet erklรคrte. Vielmehr verweist es ausdrรผcklich darauf, dass die Frage, ob eine nicht staatsferne oder intransparente Gremienarbeit die Beitragspflicht entfallen lassen kann, โ€ždahinstehenโ€œ mรผsse, weil sie erst in den Fachgerichten geklรคrt werden solle.

Damit bleibt eine dogmatische Lรผcke offen: Kรถnnte mangelnde Kontrolle kรผnftig doch ein Einfallstor fรผr Beitragsbefreiungen werden? Medienrechtler halten den Weg grundsรคtzlich fรผr gangbar, wenn Betroffene das Verfahren sauber aufbauen.

Konsequenzen fรผr Beitragszahler

Praktisch รคndert die Entscheidung zunรคchst nichts: Der Rundfunkbeitrag bleibt verfassungsgemรครŸ erhoben, die Summe von 18,36โ€ฏEuro wird weiter eingezogen.

Auch an der Beitragsschuld pro Wohnung rรผttelt Karlsruhe nicht โ€“ sie hat das Modell bereits 2018 und 2021 bestรคtigt, zuletzt sogar eine Blockade der Beitragserhรถhung als VerstoรŸ gegen die Rundfunkfreiheit gewertet.

Reformdruck wรคchst dennoch

Der Fall zeigt, dass insbesondere die Transparenz der Aufsicht zunehmend zum Politikum wird. Die Lรคnder bereiten derzeit ein Reformpaket vor, das neben Strukturโ€‘ und Sparauflagen auch strengere Regeln fรผr Verรถffentlichungspflichten der Rรคte vorsieht.

Sollten kรผnftige Gremien nicht nur plural, sondern auch รถffentlich nachvollziehbar arbeiten, kรถnnten sie viel juristischen Sprengstoff entschรคrfen โ€“ und zugleich Vertrauen in eine Institution zurรผckgewinnen, deren Legitimitรคt sich letztlich am gelebten Abstand zur Politik bemisst.

Ausblick

Die jetzt gescheiterte Beschwerde ist kein Freibrief fรผr die Rundfunkanstalten. Sie erinnert daran, dass Staatsferne nicht nur eine Satzungsvorgabe ist, sondern ein verfassungsrechtlicher PrรผfmaรŸstab bleibt. Wer ihn ernst nimmt, kann mehr Transparenz wagen โ€“ wer ihn ignoriert, riskiert den nรคchsten, diesmal formell unangreifbaren Gang nach Karlsruhe.