Ein Antrag auf vorzeitige Altersrente ist erstens auf die günstigste Rentenart ausgerichtet, ein vorgeschriebenes Benutzen eines gestellten Vordrucks ist dabei unerheblich.
Wird zweitens eine Schwerbehinderung rückwirkend festgestellt, ist die Rentenversicherung darang gebunden, diese zu dem früheren Zeitpunkt anzuerkennen. So entschied das Bundessozialgericht. (B 13 R 44/07 R)
Mit dieser Begründung hob das Bundessozialgericht die Urteile beider vorhergehenden Instanzen auf und verurteilte die Rentenversicherung dazu, der Klägerin rückwirkend eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen anzuerkennen statt einer bezogenene Altersrente für Frauen.
Inhaltsverzeichnis
“Schwerbehinderung nicht angekreuzt”
Die 1942 geborene Betroffene hatte bei der zuständigen Ortsbehörde für Arbeiter– und Angestelltenversicherung im Antragsvordruck die Rentenart
“Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres” angekreuzt.
Möglich gewesen wären auch “Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres” und “Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Versicherte, die als Schwerbehinderte nach § 1 des Schwerbehindertengesetzes anerkannt sind.” Diese kreuzte sie nicht an.
Im Vordruck stand: “Schwerbehindertenausweis oder Anerkennungsbescheid … bitte beifügen”.
In einem “Fragebogen zur Prüfung der Vertrauensschutzregelungen bei vorzeitigen Altersrenten sowie zum Rentenbeginn” gab sie an, die Rente solle vom frühestmöglichen Zeitpunkt an geleistet werden, und dass sie am 16.11.2000 nicht schwerbehindert gewesen sei.
Sie unterschrieb unter anderem, dass ihr bekannt sei, unter welchen Voraussetzungen eine “Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige und Erwerbsunfähige” beansprucht werden könnte, und dass die Rentenform von der Anhebung der Altersgrenze nicht betroffen sei.
Die Behörde erkannte, dass die Betroffene eine, für sie günstigere, Altersrente für Frauen laut dem Sozialgesetzbuch VI beanspruchen konnte. Diese erhielt sie ab dem 7.3.2002 in Höhe von 450,41 Euro pro Monat.
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Schwerbehinderung wird festgestellt
Beim Rentenantrag hatte die zuständige Versorgungsbehörde bei der Betroffenen einen Grad der Behinderung von 40 festgestellt, also keine Schwerbehinderung, denn diese gilt erst ab einem Grad der Behinderung von 50.
Doch am 6.12.2002 erfolgte eine Neufeststellung, und der Grad der Behinderung wurde ab dem 27.12.2001 auf 50 festgelgegt, und damit galt die Frau als schwerbehindert, verbunden mit den darauf bezogenen Nachteilsausgleichen.
Überprüfung des Rentenbescheids
Die Betroffene begehrte jetzt eine Überprüfung ihres Altesrentenbescheids und wollte eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab April 2002 erhalten. Diese wäre, im Unterschied zu der von ihr bezogenen Altersrente, abschlagsfrei und höher.
Die zuständige Behörde gewährte zwar eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen, aber erst ab dem 01.02.2003 mit 484.01 Euro pro Monat, und nicht rückwirkend ab April 2002.
Sie legte Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass Fehler der Versorgungsbehörde bei der Berechnung ihres Grades der Behinderung nicht zu ihren Lasten gehen dürften.
“Ursprüngliche Altersrente war rechtswidrig”
Die ursprünglich bezogene Altersrente für Frauen sei rechtswirdrig gewesen, da die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen bereits vorgelegen hätte.
Rentenantrag erst 2003 gestellt
Die für den Rentenbescheid zuständige Behörde wies den Widerspruch jedoch zurück. Sie argumentierte: Der Grad der Behinderung habe zwar bereits im Dezamber 2001 vorgelegen, doch den Antrag auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen hätte sie erst am 17.02.2003 gestellt. Demnach ergebe sich ein Rentenbeginn erst am 01.02.2003.
Sozialgericht und Landesgericht weisen Klage ab
Die Frau klagte vor dem Sozialgericht, doch dort blieb es ebenso erfolglos wie vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg sich der Begründung in der Ablehnung des Widerspruches an.
Vor dem 17.02.2003 hätte sie keinen Antrag auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen gestellt. Vielmehr hätte sie am 04.01.202 ausdrücklich angekreuzt, eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres zu beantragen.
Zudem sei zu diesem Zeitpunkt eine Schwerbehinderung noch nicht festgestellt worden. Die Versorgungsbehörde hätte die Frau auch nicht auf die Möglichkeit einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen hinweisen müssen, da es keinen Hinweis darauf gegeben hätte, dass ein solcher Anspruch bestanden hätte.
Vorhandene Schwerbehinderung rechtfertigt Altersrente für schwerbehinderte Menschen
Das Bundessozialgericht hob die Urteile beider vorhergehender Instanzen auf und klärte die Rechtslage. Das Recht auf Altersrente müsste neu bewertet werden, wenn eine Schwerbehinderung rückwirkend festgestellt würde.
Der Rentenantrag vom 04.01.2002 sei unzutreffend beschrieben worden. Die Versorgungsbehörde sei von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hätte.
Zu Unrecht seine ihr die höheren Sozialleistungen (einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen) nicht erbracht worden.
Der Betroffenen musste rückwirkend eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen gewährt werden.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.