Minijob für Kindesunterhalt zumutbar

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Minijob für Kindesunterhalt trotz voller Erwerbsminderung zumutbar

05.12.2016

Auch voll erwerbsgeminderten schwerbehinderten Eltern ist grundsätzlich ein Minijob zur Erfüllung ihrer Kindesunterhaltspflichten zuzumuten. Verstößt ein Elternteil gegen seine Erwerbspflicht, kann für den Unterhalt ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt werden, „welches von ihm realistischerweise zu erzielen ist“, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem aktuell veröffentlichten Beschluss vom 9. November 2016 (Az.: XII ZB 227/15).

Voll erwerbsgeminderte unterhaltspflichtige Eltern stehen für eine Vermittlung durch die Agentur für Arbeit zwar nicht mehr zur Verfügung. Nach dem Karlsruher Urteil müssen sie aber gegebenenfalls dennoch belegen, dass sie krankheitsbedingt keine zumutbare geringfügige Beschäftigung mehr erlangen können.

Vor Gericht hatte ein Vater als Vertreter seines Sohnes von seiner Ex-Ehefrau die Zahlung von Kindesunterhalt verlangt. Die Mutter wollte den Mindestunterhalt für den neunjährigen Jungen aber nicht zahlen.

Sie sei wegen Depressionen zu 70 Prozent schwerbehindert und erhalte eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Grund der Erkrankung sei, dass ihr nach der Scheidung im Zuge des damit einhergehenden Sorgerechtsstreits ihr Kind weggenommen wurde. Wegen ihrer Erkrankung sei ihr eine Arbeit nicht möglich.

Der Vater widersprach. Seine geschiedene Ehefrau sei zwar befristet voll erwerbsgemindert. Dies bedeute, dass sie nicht drei oder mehr Stunden täglich arbeiten könne. Sie könne aber zwei bis drei Stunden täglich in einem Minijob arbeiten. Dazu sei sie offenbar auch in der Lage. Denn sie pflege an sechs Tagen in der Woche jeweils drei Stunden ihre Mutter.

Da seine Ex-Ehefrau nicht für den Kindesunterhalt arbeiten gehe, müsse ihr ein entsprechendes fiktives Einkommen zugerechnet werden, so der Vater. Der Unterhalt sei dann unter Berücksichtigung ihres notwendigen Selbstbehalts aus ihrer Rente zu begleichen.

Grundsätzlich bestätigte der BGH diese Auffassung. Um Kindesunterhalt zahlen zu können, könne von unterhaltspflichtigen Personen eine vollschichtige Erwerbstätigkeit verlangt werden. Werde diese Erwerbsobliegenheit nicht erfüllt, ist dem Unterhaltspflichtigen ein fiktives Einkommen zuzurechnen.

Eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit müsse der Unterhaltspflichtige beweisen. Werde gegen die Pflicht zur Arbeit verstoßen, könne ihm ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm realistischerweise zu erzielen ist.

Bei einer Erwerbsminderung müssten „Art und Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigung“ dargelegt werden und wie sich dies auf die Erwerbsfähigkeit auswirkt. Dies gelte nicht nur für Vollzeitstellen, sondern auch für Minijobs von einer Beschäftigungsdauer von bis zu drei Stunden täglich. Zwar könne der voll Erwerbsgeminderte nicht auf die Vermittlung der Agentur für Arbeit zugreifen, er könne sich aber auf eigene Initiative über Stellenangebote informieren und sich entsprechend bewerben.

Hier habe die unterhaltspflichtige Mutter nicht dargelegt, warum sie keinen Minijob ausüben kann. Auch der Grad der Schwerbehinderung von 70 Prozent bedeute nicht, dass sie keinerlei Tätigkeit nachgehen zu könne.

Zudem pflege die Frau ihre Mutter 18 Stunden in der Woche. Dies sei ein Hinweis darauf, dass die unterhaltspflichtige Frau durchaus noch einen Minijob ausüben könne. Die Zahlung von Kindesunterhalt gehe der Pflege der Mutter auch vor, so der BGH.

Dennoch verwiesen die Karlsruher Richter das Verfahren an das Oberlandesgericht Brandenburg zurück. Dieses müsse prüfen, inwieweit Pfändungen gegen die Mutter berücksichtigt werden müssen und inwieweit sich diese auf die Kindesunterhaltspflicht auswirken. fle/mwo/fle

Bild: Jürgen Priewe – fotolia