Krankmeldung nach Kündigung – Wenn der Chef die AU anzweifelt und dann Abfindung zahlen muss

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Wenn ein Arbeitnehmer sich bei einer Kündigung bis zum Ende der Kündigungsfrist krankschreiben lässt, dann kann die Lohnfortzahlung ausbleiben. Zumindest ist der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in dieser Situation geschwächt. Der Arbeitgeber muss aber seine ernsthaften Zweifel auch konkret begründen. Ein bloßer Verdacht reicht nicht aus. So urteilte das Bundesarbeitsgericht. (5 AZR 335 / 22)

Gekündigt und krankgeschrieben

Wenn ein Arbeitnehmer nach einer ausgesprochenen Kündigung eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht, dann führt das immer wieder zum Konflikt mit dem Arbeitgeber, und dieser wird oft erst vor Gericht entschieden.

Arbeitgeber vermuten schnell, dass die Krankmeldung nur eine Reaktion auf die Kündigung darstellt und stellen in Frage, dass der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig ist. Dabei kommt der ärztlichen Krankschreibung jedoch ein hoher Beweiswert zu. Die willkürliche Unterstellung, der Arbeitnehmer „mache blau“, weil sein Arbeitsverhältnis sowieso endet, reicht längst nicht aus, um eine Lohnfortzahlung zu verweigern.

Es geht bis zum Bundesarbeitsgericht

Ein solcher Fall ging durch alle Instanzen des Arbeitsgerichts, bis das Bundesarbeitsgericht die endgültige Entscheidung traf. Der Betroffene war bereits vom 02. bis 06. 05. 2022 krank geschrieben gewesen, Am 03.05.2022 erhielt er seine Kündigung zum 30.05.2022. Er reichte weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein – zuerst bis zum 20.05.2022, und dann bis zum 31.05. 2022. Ab dem 01.06.2022 nahm er dann eine neue Beschäftigung auf.

Arbeitgeber verweigert Entgeltfortzahlung

Der Arbeitgeber verweigerte jetzt die Lohnfortzahlung, weil er die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht anerkannte. Der Arbeitnehmer argumentierte dagegen, er sei bereits vor dem Erhalt der Kündigung arbeitsunfähig gewesen.

Wie entschied das Bundesarbeitsgericht

Das Landesarbeitsgericht hielt die Lohnfortzahlung für angemessen, da es den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit auch nach dem 06.05.2022 nicht für erschüttert hielt. Doch das Bundesarbeitsgericht revidierte das Urteil, und das Landesarbeitsgericht muss jetzt noch einmal neu entscheiden.

Der entscheidende Unterschied war, dass das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber insofern Recht gab, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zwischen dem 07. bis zum 31.05.2022 erschüttert gewesen sei – also für die Folgebescheinigungen nach Erhalt der Kündigung.

Grundsätzlich geklärt

Das Bundesarbeitsgericht klärte grundsätzlich, wann der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist und wann nicht. Das bloße Infragestellen einer ordentlichen Diagnose ändert demnach nichts am Beweiswert und ebensowenig die Behauptung eines Arbeitgebers, der Arbeitnehmer könne trotz Krankmeldung weiterarbeiten.

Konkrete Umstände müssen Zweifel begründen

Konkrete Umstände, die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeit rechtfertigen, erschüttern den Beweiswert jedoch.

Dass der Betroffene die Folgebescheinigungen nach Erhalt der Kündigung einreichte, diese bis zum Tag der Kündigung galten und er direkt danach einen neuen Job begann, sind solche konkreten Umstände. So sah es das Bundesarbeitsgericht.

Nicht zu beanstanden sei, laut dem Bundesarbeitsgericht, die erste Krankschreibung, Diese sei bereits erteilt worden, bevor das Arbeitsverhältnis gekündigt worden war. Der Betroffene hätte zudem noch nichts von der Kündigung gewusst. Es gibt also keinen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Arbeitsunfähigkeit und der Krankschreibung.

Zeitliche Übereinstimmung

Dies galt, so die Richter, aber nicht für die Folgescheinigungen. Denn diese stimmten zeitlich mit der Kündigungsfrist überein. Außerdem hätten sie auch exakt an dem Zeitpunkt geendet, als der Betroffene eine neue Beschäftigung aufgenommen hätte.

Es gilt die volle Beweislast

Die Erschütterung der Beweislast bedeutet allerdings nicht per se, dass der Arbeitgeber keine Entgeltzahlung leisten muss. Jedoch muss in diesem Fall der Arbeitnehmer die Beweise erbringen, dass tatsächlich eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bestand. Sonst entfällt sein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Solche Beweise könnten zum Beispiel Zeugenaussagen sein oder auch eine Anhörung und erneute Bestätigung des behandelnden Arztes. Die Bescheinigung allein reicht dann aber nicht mehr aus.

Was bedeutet das Urteil?

Als Urteil des Bundesarbeitsgerichtes können die Ausführungen der beteiligten Richter als Leitfaden dienen, wenn Sie in eine ähnliche Situation geraten.

Wenn Sie gekündigt werden und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum Ende der Kündigungsfrist einreichen, können Sie davon ausgehen, dass der Arbeitgeber Ihnen das Entgelt nicht fortzahlt.

In einem solchen Fall sollten Sie sich nicht auf die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung allein verlassen. Sie sollten dann darauf achten, dass Ihre Arbeitsunfähigkeit lupenrein bestätigt wird, am besten durch einen zusätzlichen ärztlichen Befund oder auch durch Aussagen Dritter, die Ihren Gesundheitszustand bezeugen.

Zudem ist es eine schlechte Idee, unmittelbar nach Ende der Krankschreibung wie der Kündigung eine neue Arbeitsstelle anzutreten. Denn das erschüttert den Beweiswert zusätzlich.