Krankenkassen müssen mehr für Mobilität bei Schwerbehinderung zahlen

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Das Bundessozialgericht (BSG) hat im April 2024 eine wichtige Entscheidung zugunsten von Schwerbehinderten getroffen. Das Gericht stellte klar, dass Krankenkassen verpflichtet sind, nicht nur einfache, sondern auch fortgeschrittene Hilfsmittel zur Verbesserung der Mobilität von Schwerbehinderten zu finanzieren.

Dieses Urteil erweitert den Anspruch auf Hilfsmittel stark, indem es die Notwendigkeit anerkennt, dass Schwerbehinderte auch größere Entfernungen selbstständig zurücklegen können.

Schwerbehinderter Rollstuhlfahrer fordert mehr Mobilität

Im zugrunde liegenden Fall klagte ein querschnittsgelähmter Mann aus Nordrhein-Westfalen gegen seine Krankenkasse, nachdem diese seinen Antrag auf einen teilmotorisierten Rollstuhl abgelehnt hatte. Der Kläger, der bereits an schmerzhaften Arthrosen in den Handgelenken leidet, forderte ein motorunterstütztes Handkurbel-Rollstuhlzuggerät im Wert von etwa 6.500 Euro.

Dieses Hilfsmittel ermöglicht es ihm, Geschwindigkeiten von bis zu 25 Kilometern pro Stunde zu erreichen und damit auch mittlere bis größere Distanzen zu überbrücken.

Ablehnung durch Krankenkasse: Argument der eingeschränkten Verpflichtung

Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab und argumentierte, dass sie lediglich für Hilfsmittel aufkommen müsse, die den Behinderten in die Lage versetzen, seinen Alltag in der unmittelbaren Umgebung seiner Wohnung zu bewältigen. Ihrer Ansicht nach beschränkt sich der sogenannte Behinderungsausgleich auf die Überwindung „fußläufiger Entfernungen“. Ein motorisiertes Rollstuhlzuggerät überschreite das „Maß des Notwendigen“ und gehöre nicht zu den Grundbedürfnissen des Klägers.

Urteil des Bundessozialgerichts: Ausweitung des Anspruchs auf Mobilitätshilfen

Das Bundessozialgericht widersprach dieser Auffassung und entschied zugunsten des Klägers. Das Gericht erkannte an, dass der Behinderungsausgleich nicht nur auf den Nahbereich beschränkt sein darf. Stattdessen muss das Recht auf Mobilität – wie es auch in der UN-Behindertenrechtskonvention verankert ist – umfassender interpretiert werden.

Schwerbehinderte Menschen müssen in der Lage sein, alle für sie wichtigen Orte erreichen zu können, auch wenn das den Einsatz fortgeschrittener Hilfsmittel erfordert.

Das Gericht stellte fest, dass der Anspruch auf Mobilitätshilfen sich nach den individuellen Bedürfnissen des Betroffenen richtet. In diesem Fall sei es unerlässlich, dem Kläger ein motorisiertes Rollstuhlzuggerät zur Verfügung zu stellen, um ihm ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Rechtsgrundlage und Auswirkungen des Urteils

Das Urteil (Az.: B 3 KR 13/22 R) des BSG basiert auf der UN-Behindertenrechtskonvention, die das Recht auf umfassende Teilhabe und Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen garantiert. Diese Entscheidung könnte wegweisend für zukünftige Fälle sein, in denen Schwerbehinderte erweiterte Mobilitätshilfen beanspruchen.

Das Urteil zeigt, dass Krankenkassen ihre Verpflichtungen im Rahmen des Behinderungsausgleichs nicht zu eng interpretieren dürfen. Es bestätigt, dass Hilfsmittel, die über die bloße Bewältigung des unmittelbaren Umfelds hinausgehen, unter bestimmten Umständen notwendig sein können, um das Grundrecht auf Mobilität zu gewährleisten.