Bundesverwaltungsgericht erschwert zudem Wohngeld-Rückforderungen
Für Klagen im Streit um Wohngeld werden künftig keine Gerichtskosten mehr erhoben. Mit einem am Donnerstag, 8. August 2019, veröffentlichten Urteil gab das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig seine bislang gegenteilige Rechtsprechung auf (Az.: 5 C 2.18). Nach dem Leipziger Urteil setzt zudem die Rückforderung von Wohngeld voraus, dass der Bewilligungsbescheid aufgehoben wurde oder nach seinem Erlass unwirksam geworden ist.
Damit muss eine Mutter weder Gerichtskosten zahlen noch bewilligtes Wohngeld zurückgeben. Sie lebte zusammen mit ihren drei volljährigen Kindern im Raum Dresden. Anfang Februar 2012 beantragte sie Wohngeld. Kurz darauf, ebenfalls noch im Februar 2012, bewilligte das örtliche Jobcenter einem Sohn Hartz-IV-Leistungen. Bei der Berechnung des Wohngeldes wäre er danach nicht mehr zu berücksichtigen gewesen. Dennoch bewilligte die Wohngeldstelle Wohngeld für alle vier Personen, insgesamt 362 Euro monatlich.
Erst im September 2012 informierte die Mutter der Wohngeldstelle über die Hartz-IV-Leistungen für ihren Sohn. Diese forderte daher 2.172 Euro zurück.
Wie nun das Bundesverwaltungsgericht in seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 23. April 2019 entschied, gab es hierfür aber keine rechtliche Grundlage. Die Behörde habe den Bewilligungsbescheid nicht aufgehoben gehabt. Als Grundlage für eine Rückforderung komme daher nur die Unwirksamkeit des Bescheides in Betracht.
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Dies setze laut Gesetz aber voraus, dass der Bescheid „unwirksam wird”. Hier hätten die Gründe für die Unwirksamkeit aber schon vor der Bewilligung bestanden. Der Bescheid sei daher von Beginn an fehlerhaft gewesen. Der Gesetzgeber habe dadurch die Wohngeldstellen anhalten wollen, alle bekannten Umstände von Beginn an zu berücksichtigen.
Im konkreten Fall kann die Wohngeldstelle daher kein Geld zurückverlangen. Sie darf aber mit den 1.206 Euro aufrechnen, die der Mutter und ihren noch zwei Wohngeldberechtigten Kinder zugestanden hätten.
Weiter entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass die Mutter für ihr Verfahren keine Gerichtskosten zahlen muss. Die obersten Verwaltungsrichter gaben damit ihre bereits 1972 begründete gegenteilige Rechtsprechung auf (zuletzt noch Beschluss vom 5. März 2015, Az.: 5 KSt 6.15).
Zur Begründung betonten die Leipziger Richter, dass laut Gesetz in „Angelegenheiten der Fürsorge” keine Gerichtskosten erhoben werden. Nach heutigem Verständnis sei das Wohngeld den „Angelegenheiten der Fürsorge” zuzurechnen. Von einer Wohnungsförderung habe es sich „zu einer individuellen Sozialleistung gewandelt”. Wie die Sozialhilfe komme auch das Wohngeld nur Personen mit geringem Einkommen zu. Auch sei ein Streit um Wohngeld mit den in der Regel kostenfreien Verfahren vor den Sozialgerichten vergleichbar. Auch bei Wohngeldempfängern bestehe das vom Gesetzgeber zur Begründung der kostenfreien Verfahren hervorgehobene „Schutzbedürfnis”. mwo
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