Eine Wespengift-Allergie rechtfertigt es nicht, einen kostenlosen Begleiter im รถffentlichen Nahverkehr mitzunehmen. Auch dann nicht, wenn der Betroffene Gefahr lรคuft, einen anaphylaktischen Schock zu erleiden, in dem er sich selbst nicht mehr helfen kann, So entschied das Sozialgericht Mannheim (S 14 SB 3812/17)
Inhaltsverzeichnis
Wespenstich bedeutet Lebensgefahr
Den Betroffenen bringt ein Wespenstich potenziell in Lebensgefahr. Er reagiert allergisch auf das Gift, und dieses kann bei ihm einen anaphylaktischen Schock auslรถsen.
Was ist ein anaphylaktischer Schock?
Ein anaphylaktischer Schock ist die schlimmste Form einer Allergie. Betroffen ist der ganze Kรถrper.
Dieser Schock bedroht akut das Leben, und wenn der Allergiker nicht sofort eine Spritze bekommt, die die zerstรถrerische Kettenreaktion durchbricht, dann kann er sterben.
Eine sofortige Injektion von Adrenalin zur Injektion stabilisiert den Kreislauf und kann so das Leben retten.
Das Notfallset
Betroffene tragen ein Notfallset mit sich, damit sie sich bei einer anphylaktischen Reaktion sofort selbst behandeln kรถnnen, oder, wenn dies nicht mรถglich ist, durch andere Personen versorgt werden kรถnnen.
Dieses enthรคlt in der Regel: Eine Adrenalinspritze mit Injektionshilfe, ein Antihistaminikum in flรผssiger Form oder als Tablette, zudem ein Kortisonprรคparat als Zรคpfchen, Tablette oder Flรผssigkeit.
Auรerdem tragen Allergiker in der Regel einen Anaphylaxie-Pass mit sich. Dieser enthรคlt die persรถnlichen Daten, die diagnostizierten Auslรถser der Allergie sowie die richtige Dosierung der Medikamente.
Der Betroffene fordert die Anerkennung des Merkzeichens B
Das Problem ist folgendes: Wenn der Allergiker unter Schock steht, kann es sein, dass er selbst nicht in der Lage ist, sich die lebensrettende Injektion zu verpassen.
Angehรถrige, Freunde oder andere Vertrauenspersonen lernen den Umgang mit der Anaphylaxie und dem Notfallset in speziellen Schulungen. Gerade bei der Mรถglichkeit eines lebensbedrohlichen Schocks ist es wichtig, dass jemand an Ort und Stelle ist, der oder die weiร, was zu tun ist.
Der Betroffene hat einen solche geschulte Person, die ihn im Alltag begleitet, um einzugreifen, wenn den Allergiker eine Wespe sticht.
Deshalb bestand der Mann gegenรผber dem Versorgungsamt darauf, dass ihm das Merkzeichen B anerkannt wird, also das Recht auf eine Begleitperson, die kostenlos den รถffentlichen Nahverkehr nutzen kann.
“Stรคndige Begleitung ist notwendig”
Denn, so lautete seine Begrรผndung, jemand mรผsse stรคndig dabei sei, der wisse, wann und warum sein Schock einsetze, und mit dem Notfallset umgehen kรถnne.
“Merkzeichen B setzt Hilfe beim Ein- und Aussteigen voraus”
Das Versorgungsamt lehnte die Zusprechung des Merkzeichens B ab. Der Betroffene zog vor das Sozialgericht Mannheim. Dieses stimmte dem Versorgungsamt zu.
Es begrรผndete die Ablehnung der Klage wie folgt: Das Merkzeichen B beziehe sich darauf, dass jemand nicht ohne fremde Hilfe in รถffentliche Verkehrsmittel, Busse und Bahnen einsteigen kรถnne.
“Es handelt sich nicht um eine dauerhafte Einschrรคnkung
Dies sei eine dauerhafte Einschrรคnkung. Bei der allergischen Reaktion auf einen Wespenstich handle es sich hingegen lediglich um eine Mรถglichkeit, und diese Mรถglichkeit allein rechtfertige nicht die kostenlose Mitnahme einer Begleitperson.
Fazit
Das Sozialgericht lag vermutlich richtig, dass die Anerkennung des Kennzeichens B an andere Voraussetzungen geknรผpft ist als an eine potenzielle Lebensgefahr.
Trotzdem bleibt das Urteil enttรคuschend. Denn dieses Risiko besteht real, und ebenso braucht der Betroffene jemand, der da sein muss, falls die Notsituation eintritt.
Wenn die Anerkennung des Merkzeichens B nicht mรถglich ist, dann mรผssten Alternativen gefunden werden, die die kostenlose Begleitung eines Sachkundigen ermรถglichen.