Jobcenter will Bürgergeld zurück, weil kein Kindergeld beantragt wurde

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In einem aktuell vor dem Landessozialgericht Hamburg verhandelten Fall ging es um die Frage, ob das Jobcenter bereits gezahlte Leistungen des Bürgergeldes (früher Hartz IV) zurückfordern kann, wenn Leistungsempfänger keinen Antrag auf Kindergeld gestellt haben.

Jobcenter forderte die Beantragung von Kindergeld

Konkret ging es um Leistungen, die einem Leistungsempfänger und seinen Söhnen für den Zeitraum Februar bis Juli 2020 bewilligt worden waren. Das Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob der Kläger verpflichtet war, für seine Söhne Kindergeld zu beantragen und ob bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung ein Ersatzanspruch gegen das Jobcenter bestand.

Jobcenter forderte Bürgergeld-Leistungen zurück

Das Jobcenter hatte den Kläger aufgefordert, für seine drei Söhne Kindergeld bei der Familienkasse zu beantragen. Trotz mehrfacher Aufforderung wurde kein Kindergeldantrag gestellt.

Daraufhin leitete das Jobcenter ein Ersatzanspruchsverfahren ein, da die Behörde das Verhalten des Klägers als “sozialwidrig” ansah. Bei einem Ersatzanspruch fordert die Behörde bereits gezahlte Bürgergeldleistungen vom Leistungsempfänger zurück. Siehe auch: Wenn Bürgergeld-Leistungen dem Jobcenter zurückgezahlt werden müssen

In der Vorinstanz hatte das Sozialgericht der Klage des Klägers jedoch stattgegeben und entschieden, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Ersatzanspruchs nach § 34 SGB II nicht erfüllt seien. Insbesondere fehle es an der Sozialwidrigkeit des Verhaltens des Klägers.

Kein Beantragen von Kindergeld ist nicht sozialwidrig

Die Nichtbeantragung des Kindergeldes sei nicht als sozialwidrig anzusehen, da diese Leistung ebenso wie die Grundsicherung aus Steuermitteln finanziert werde. Dass das Kindergeld von einer anderen staatlichen Stelle gezahlt werde, ändere an dieser Einschätzung nichts.

Gegen die Entscheidung des Sozialgerichts legte das Jobcenter Berufung ein. Die Behörde argumentierte, dass der Ersatzanspruch nach § 34 SGB II sehr wohl anwendbar sei und das Verhalten des Leistungsempfängers als sozialwidrig zu bewerten sei. Das Jobcenter verwies auf die gesetzliche Verpflichtung des Klägers, vorrangig Kindergeld zu beantragen.

Das Landessozialgericht wies jedoch die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte die Entscheidung des Sozialgerichts.

Perspektive der Solidargemeinschaft und nicht der Behörde entscheidend

Das Gericht betonte, dass die Nichterfüllung der Verpflichtung zur Beantragung von vorrangigen Leistungen nicht automatisch als sozialwidrig anzusehen sei. Die Frage der Sozialwidrigkeit müsse im Einzelfall geprüft werden, wobei nicht die Perspektive des Leistungsträgers, sondern diejenige der Solidargemeinschaft maßgeblich sei.

Im Wortlaut: “Die Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs des Grundsicherungsträgers nach § 34 SGB II sind nicht erfüllt, wenn es an der Sozialwidrigkeit des Verhaltens des Grundsicherungsberechtigten fehlt. Entscheidend ist, ob das Tun oder Unterlassen aus Sicht der Solidargemeinschaft zu missbilligen ist. Hierzu zählt nicht die fehlende Mitwirkung an der Geltendmachung eines Kindergeldanspruchs durch den Grundsicherungsberechtigten.” (Az: L 4 AS 146/22 D)