Jobcenter darf nicht zu viele Unterlagen für einen Hartz IV-Antrag fordern

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Der vereinfachte und unbürokratische Zugang für Selbstständige zu Hartz-IV-Leistungen muss auch wirklich unbürokratisch sein. Gibt es wegen eines Corona-Lockdowns bei einer Frisörmeisterin keine Anhaltspunkte für Einnahmen, darf das Jobcenter nicht eine Vielzahl an Geschäftsunterlagen verlangen, entschied das Sozialgericht Osnabrück mit Beschluss Az.: S 22 AS 16/21 ER.

Jobcenter verlangte zu viele Unterlagen

Die Antragstellerin, eine selbstständige Frisörmeisterin, musste ihr Geschäft wegen eines coronabedingten Lockdowns zum 16. Dezember 2020 schließen. Da die Frau nicht wusste, wovon sie nun leben soll, beantragte sie Hartz-IV-Leistungen nach dem vom Gesetzgeber vorgesehenen vereinfachten Verfahren.

Sie legte entsprechend des hierfür von der Bundesagentur für Arbeit herausgegebenen Formulars unter anderem die Kopie ihres Personalausweises, eine Kopie ihres Mietvertrages und auch ein Versicherungsschein über private Versicherungen bei.

Doch das reichte dem Jobcenter nicht. Die Frisörmeisterin sollte alle Kontoauszüge seit dem 1. Juli 2020 von sämtlichen Konten lückenlos vorlegen, ebenso eine Prognose für die Zeit vom 1. Januar 2020 bis 31. Mai 2021, das Kassenbuch ab Juli 2020, eine betriebswirtschaftliche Auswertung für das Jahr 2020 und die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2018 und 2019.

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Auch eine Stellungnahme, wie die Frau in den letzten Monaten ihren Lebensunterhalt sichergestellt hat, ein Auszug sämtlicher privater, geschäftlicher und PayPal-Konten sowie die nochmalige Vorlage des Personalausweises, des Sozialversicherungsausweises sowie einer Vermieterbescheinigung wurde ebenfalls verlangt.

Vereinfachter Hartz-IV-Antrag darf nicht erschwert werden

Das Sozialgericht entschied in seinem Beschluss vom 1. Februar 2021, dass das Jobcenter damit den Bogen überspannt hat. Die Behörde sei verpflichtet, der Frisörmeisterin ohne Vorlage weiterer angeforderter Unterlagen Grundsicherungsleistungen zu gewähren. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Frau seit dem Lockdown überhaupt Einnahmen erziele.

Der Gesetzgeber habe wegen der coronabedingten Schließung betroffenen Selbstständigen einen erleichterten, schnellen und unbürokratischen Zugang zu Hartz-IV-Leistungen ermöglichen wollen. So solle verhindert werden, dass Betroffene in existenzielle Not geraten.

Diesem Anspruch sei das Jobcenter nicht gerecht geworden. Es habe der Friseurmeisterin ohne jegliche Anhaltspunkte die fehlenden Einkünfte nicht geglaubt und sogar auf Angaben beharrt, die sich auf die Zeit vor der Antragstellung erstreckten. Dabei sei die Antragstellerin stets bemüht gewesen, jeder Anfrage des Jobcenters nachzukommen. fle/mwo, Bild: prachid / AdobeStock

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