Betriebskostenrückerstattung wird nicht angerechnet, wenn Mietschulden verrechnet werden
23.05.2012
Das Bundessozialgericht in Kassel urteilte, dass verrechnete Mietschulden bei der Betriebskostenerstattung von den Hartz IV-Behörden nicht zurück verlangt werden dürfen. Somit werden in diesen speziellen Fällen die Jobcenter zur Mitzahlung von Mietschulden verpflichtet.
Verrechnet ein Vermieter bei einem Bezieher von Hartz IV Leistungen angehäufte Mietrückstände mit einer Rückzahlung der Betriebskosten, so kann das Jobcenter die Gutschrift nicht zurückfordern, urteilte das Bundessozialgericht in Kassel mit dem Aktenzeichen: B 4 AS 132/11 R. Zwar sind Gutschriften der Betriebskosten sogenanntes Einkommen, allerdings kann die Rückzahlung nur dann an die laufenden Hartz-IV-Leistungen angerechnet werden, wenn dies in der Realität machbar ist, so das Gericht.
Im vorliegenden Fall häuften sich bei dem Kläger rund 3000 Euro Mietrückstände an. Damit der Vermieter die Rückstände einholen konnte, verrechnete dieser die Mietschulden mit einer Betriebskostenrückzahlung aus dem Jahre 2008 in Höhe von rund 1000,00 Euro. Der Betroffene hatte somit kein effektives Einkommen zu verzeichnen sondern nur eine Minderung seiner Schulden. Trotzdem bewertete das Jobcenter die Betriebskostengutschrift als Einkommen und kürzte daraufhin in Höhe der vermeintlichen Rückzahlung die Kosten der Unterkunft. Das Jobcenter argumentierte, Arbeitslosengeld-II Zahlungen seien nicht dafür gedacht, Schulden zu tilgen, sondern den Lebensunterhalt zu sichern. Würde die Behörde auf das vermeintliche Einkommen verzichten, würde dies eine Ungleichbehandlung gegenüber schuldenfreien Hartz IV Beziehern bedeuten, so das Jobcenter.
Gegen den Bescheid wehrte sich der Betroffene und legte Klage ein. Er argumentierte, laut ständiger Rechtsprechung dürfen nur solches Einkommen angerechnet werden, dass auch real ausgezahlt wird. Weil aber die Betriebskostenrückzahlung nicht ausgezahlt, sondern verrechnet wurde, habe er definitiv kein Geld erhalten, dass als Einkommen gewertet werden könne.
Das Bundessozialgericht gab dem Kläger grundsätzlich recht. Zwar wurde das Verfahren an das Sozialgericht zurückverwiesen, um die fehlende Tatsachenfeststellungen aufzuarbeiten, allerdings wurde im Grundsatz ein Urteil gefällt. Generell sei ein Guthaben aus einer Betriebskostenabrechnung als Einkommen zu werten. Das könne aber nur dann geschehen, wenn der Sozialleistungsbezieher tatsächlich einen Zufluss erhält. Erst dann dürfe das Geld als Einkommen an laufende Hartz IV Regelleistungen angerechnet werden. Zudem dürfen Leistungsträger nicht die festgesetzten Miet- und Betriebskosten kürzen. Das sei laut Gericht nur dann rechtens, wenn „wesentliche Änderungen in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen“ entstehen. Dies konnte allerdings das Bundessozialgericht im konkreten Fall nicht erkennen.
Betriebskosten zwar Einkommen, aber nur wenn real Zufluss geschieht
Zusammenfassend bedeutet dies: Betriebskostenguthaben kann auch dann Einkommen sein, wenn es vom Vermieter wegen ausstehender Mietrückstände verrechnet worden ist. Weil hiermit eine Schuldbefreiung oder Verringerung anderweitiger Verbindlichkeiten, d.h ein wertmäßiger Zuwachs des Vermögensstandes, verbunden ist. Dieses Einkommen kann auch nicht allein deshalb außer Betracht bleiben, weil das Guthaben zu keinem Zeitpunkt in der tatsächlichen Verfügungsgewalt der Kläger gestanden hat. Zu prüfen ist vielmehr, ob der Leistungsberechtigte dieses Einkommen auch aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder nicht ohne Weiteres hätte „realisieren können“ (vgl auch BSG: AZ: B 4 KG 1/10 R). Nur dann stehen bereite Mittel nicht zur Verfügung und rechtfertigt – trotz denkbarer Mietschuldentilgung – der Bedarfsdeckungsgrundsatz die Nichtberücksichtigung des Guthabens bei dem Leistungsanspruch. (sb)
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