Häftling hat Anspruch auf Mietkostenübernahme vom Sozialamt

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Sozialämter dürfen die Übernahme der Mietkosten für einen sieben Monate in Haft befindlichen Mann nicht wegen Überschreitens starrer Fristen pauschal verweigern. Liegt die Haftdauer etwas über der vom Sozialamt gesetzten Frist und drohen dem Häftling nach seiner Entlassung verschärfte soziale Schwierigkeiten wie Wohnungsverlust, kann die Mietübernahme wegen der drohenden Notlage gerechtfertigt sein, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem am Montag, 9. August 2021, bekanntgegebenen Urteil (Az.: L 8 SO 50/18). Starre Fristen, bis wann Mietkosten vom Sozialamt übernommen werden können, gebe es nicht.

Wegen Haft muss das Jobcenter nicht mehr zahlen

Konkret ging es um einen 43-jährigen Mann aus Stade, der für rund sieben Monate in Haft musste. Seit 2005 bewohnt er eine Zweizimmerwohnung zu einer Kaltmiete von 225 Euro, die bislang vom Jobcenter übernommen wurde. Wegen der Unterbringung in der Haft kam das Jobcenter für die Miete nicht mehr auf.

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Der unter Betreuung stehende 43-Jährige beantragte daraufhin beim Sozialamt die Mietübernahme während der Haftzeit. Doch die Behörde lehnte dies ab. Nach ihrer Verwaltungspraxis würden bis zu einer sechsmonatigen Haft die Mietkosten bezahlt. Hier sei die Haft jedoch einen Monat länger.

LSG Celle: Sozialhilfe kann nicht auf starre Fristen verweisen

Doch mit solchen starren Grenzen darf die Mietübernahme nicht verweigert werden, urteilte das LSG. Vielmehr müsse im jeweiligen Einzelfall geprüft werden, ob ein Anspruch bestehe. Hier stehe der Kläger wegen einer instabilen Persönlichkeitsstörung mit geminderter Frustrationstoleranz und Affekstörung sowie Alkoholismus unter Betreuung. Bei seiner Haftentlassung drohe ihm Wohnungsverlust und besondere soziale Schwierigkeiten, die er voraussichtlich nicht aus eigener Kraft überwinden könne.

Nach dem Gesetz seien in solch einem Fall bereits vor Eintritt der Notlage Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, heißt es in dem Urteil vom 24. Juni 2021. Die Entscheidung des Betreuers, die Wohnung nicht zu kündigen, sei sachlich vertretbar gewesen, „zumal durch eine Räumung der Wohnung und der Neuanmietung einer anderen ebenfalls nicht unerhebliche Kosten einhergegangen wären”.

Sozialamt muss Orientierungshilfe bieten

Selbst wenn die Aufgabe der Mietwohnung eine zumutbare Alternative gewesen wäre, dürfe das Sozialamt den Hilfebedürftigen dann auch nicht alleine lassen. Die Behörde müsse vielmehr die „nötige schnelle Orientierungshilfe” anbieten, etwa in Form der Hilfe bei der Wohnungssuche. Dies sei versäumt werden. Da die Kostenübernahme der Miete rechtswidrig abgelehnt wurde, müsse der Sozialhilfeträger auch die Kosten für die Verteidigung gegen eine Räumungsklage in Höhe von rund 2.000 Euro tragen. fle

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