Das Bundessozialgericht hat die wichtigsten Fragen zur Einkommensanrechnung im Bürgergeld entschieden. Steuernachzahlungen aus Vorjahren mindern den Leistungsanspruch nicht. Jahressonderzahlungen wie Weihnachtsgeld zählen als Einkommen und werden über sechs Monate verteilt. Zusätzlich gilt ein weiterer Erwerbstätigenfreibetrag für die Sonderzahlung. Für Betroffene bedeutet das: Sie kennen jetzt klare Regeln für Anrechnung, Freibeträge und Widerspruch. (Az.: B 7 AS 9/23 R)
Inhaltsverzeichnis
Kernaussagen des Urteils in einfachen Worten
Die Richter stellten drei Punkte klar. Erstens: Eine Einkommensteuernachzahlung für frühere Jahre ist kein Absetzbetrag. Sie mindert Ihr anrechenbares Einkommen nicht. Zweitens: Weihnachtsgeld wird wie eine einmalige Einnahme behandelt. Es wird gleichmäßig auf sechs Monate verteilt. Drittens: Auf diese Sonderzahlung kommt zusätzlich der 200-Euro-Freibetrag für Erwerbstätige. Dieser Freibetrag wird neben dem Freibetrag auf das laufende Gehalt berücksichtigt.
Warum Steuernachzahlungen nicht helfen
Viele hoffen, eine Steuernachzahlung senke das anrechenbare Einkommen. Das Gericht verneint das. Der Grund ist einfach. Die Nachzahlung betrifft vergangenes Einkommen. Sie gehört nicht zum Einkommen des aktuellen Leistungsmonats. Deshalb ist sie weder „Steuer auf das Einkommen“ des Monats noch eine notwendige Ausgabe, um das Einkommen zu erzielen. Auch als Mehrbedarf kommt sie nicht in Betracht. Planen Sie Nachzahlungen daher privat ein. Das Jobcenter übernimmt sie nicht.
Jahressonderzahlung: Anrechnung über sechs Monate
Weihnachtsgeld oder eine Jahressonderzahlung ist eine wiederkehrende Zahlung. Sie fließt aber nur einmal im Jahr. Das Recht behandelt diese Zahlung wie eine Einmalzahlung. Die Anrechnung beginnt im Monat nach dem Zufluss. Danach verteilt das Jobcenter den bereinigten Betrag auf sechs Monate. So wird verhindert, dass der Anspruch in einem Monat komplett entfällt. Für Beschäftigte im öffentlichen Dienst oder nach Tarif ist das besonders relevant.
Wichtiger Zusatz: Extra-Freibetrag auf die Sonderzahlung
Der Erwerbstätigenfreibetrag greift nicht nur beim laufenden Lohn. Er gilt zusätzlich auf die Einmalzahlung. Das Gericht bestätigt die kumulative Anwendung. Praktisch heißt das: Das Jobcenter muss bei der Sonderzahlung vor der Verteilung die üblichen Abzüge berücksichtigen. Danach zieht es zusätzlich den 200-Euro-Freibetrag ab. Erst den verbleibenden Betrag teilt es durch sechs. Prüfen Sie genau, ob beide Freibeträge berücksichtigt wurden.
So prüfen Sie Ihren Bescheid richtig
Starten Sie mit dem Zuflussmonat der Sonderzahlung. Die Anrechnung darf erst im Folgemonat beginnen. Kontrollieren Sie die sechsmonatige Verteilung. Achten Sie auf die Bereinigung der Einmalzahlung. Dazu zählen Steuern und Sozialabgaben nach den gesetzlichen Vorgaben. Fordern Sie den zusätzlichen Erwerbstätigenfreibetrag auf die Einmalzahlung ein. Vergleichen Sie anschließend die Monatsbeträge mit dem Bescheid. Stimmen Beträge oder Zeiträume nicht, legen Sie Widerspruch ein.
Kosten der Unterkunft bleiben entscheidend
Das Gericht konnte nicht über die Höhe des Anspruchs entscheiden. Es fehlten belastbare Feststellungen zur Angemessenheit der Unterkunftskosten. Genau dort liegt in der Praxis oft der Streit. Jobcenter setzen häufig nur „angemessene“ Mieten an. Prüfen Sie daher die lokale Angemessenheitsgrenze genau. Fehlen schlüssige Konzepte oder sind Werte veraltet, können Sie höhere tatsächliche Kosten durchsetzen. Sammeln Sie Nachweise. Dazu gehören Mietvertrag, Betriebskosten und Vergleichsangebote.
Lassen Sie Ihren Bescheid kostenlos von Experten prüfen.
Bescheid prüfenVorläufige Bewilligung und spätere Korrektur
Wenn Einkommen schwankt, ist eine vorläufige Bewilligung richtig. Später setzt das Jobcenter den Anspruch endgültig fest. Dabei darf es ein Durchschnittseinkommen bilden. Einmalige Nachzahlungen aus dem Arbeitsverhältnis behandelt es eigenständig. Sie werden in der Regel wie Einmalzahlungen eingeordnet. Prüfen Sie die Endfestsetzung daher komplett. Fehler in der Reihenfolge von Abzügen, Freibeträgen und Verteilungen sind häufig.
Praxisbeispiel: So läuft die Verteilung ab
Sie erhalten im November eine Jahressonderzahlung. Das Jobcenter rechnet sie ab Dezember an. Zuerst bereinigt es die Sonderzahlung um Steuern und Pflichtbeiträge. Danach zieht es zusätzlich den Erwerbstätigenfreibetrag ab. Den Rest teilt es durch sechs. Dieser Teilbetrag mindert in den sechs Folgemonaten Ihren Bedarf. Parallel rechnet das Jobcenter Ihr laufendes Einkommen an. Dort gelten die üblichen Freibeträge. Beide Berechnungen laufen nebeneinander.
Was das Urteil für Sie konkret bedeutet
Rechnen Sie nicht mit Hilfe bei Steuernachzahlungen. Sie wirken sich nicht leistungsmindernd aus. Fordern Sie bei Sonderzahlungen die sechsmonatige Verteilung ein. Verlangen Sie ausdrücklich den zusätzlichen Erwerbstätigenfreibetrag auf die Einmalzahlung. Prüfen Sie die Angemessenheit der Miete. Fehlen saubere Daten, müssen Jobcenter nacharbeiten. Halten Sie Fristen ein. Widerspruch müssen Sie innerhalb eines Monats einlegen. Holen Sie sich Beratung, wenn Zahlen unklar sind.
So gehen Sie jetzt vor
Sichten Sie Ihren aktuellen Bescheid. Fügen Sie Lohnabrechnungen und Kontoauszüge hinzu. Prüfen Sie die Monate nach der Sonderzahlung. Stimmen die sechs Teilbeträge? Fehlt der zusätzliche Freibetrag? Stimmen die Unterkunftswerte? Wenn nein, beantragen Sie eine Korrektur. Verweisen Sie kurz auf das BSG-Urteil mit dem Aktenzeichen. Bleibt das Jobcenter bei seiner Berechnung, legen Sie fristgerecht Widerspruch ein.
Einordnung für Bürgergeld statt ALG II
Der Fall betraf Zeiträume unter dem alten ALG-II-Recht. Die maßgeblichen Regeln zur Einkommensanrechnung gelten im Bürgergeld fort. Das betrifft die Behandlung von Einmalzahlungen, die Reihenfolge der Abzüge und die Freibeträge. Entscheidend bleibt die genaue Anwendung im Einzelfall. Lassen Sie die Berechnung prüfen, wenn der Bescheid unverständlich ist.
Aktenzeichen für Ihre Argumentation
Nennen Sie bei Anträgen und Widerspruch das Aktenzeichen B 7 AS 9/23 R. So kann das Jobcenter die Entscheidung schneller zuordnen. Vermeiden Sie lange Begründungen. Listen Sie stattdessen konkrete Rechenfehler auf. Fordern Sie eine korrigierte Berechnung mit nachvollziehbaren Zwischenschritten.