Ein Mensch, der an Alkoholismus und Epilepsie litt, begehrte eine Erwerbsminderungsrente. Die Rentenversicherung forderte ihn auf, eine Entgiftungs- und Entzugskur durchzufรผhren, sowie antieplileptische Medikamente einzunehmen.
Sie ging davon aus, dass er mit dieser Behandlung nicht erwerbsgemindert sei. Der Betroffene verweigerte eine solche Behandlung. Trotzdem entschied das Landessozialgericht Baden-Wรผrttemberg, dass er Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente hatte. (L 9 R 1667/18)
Medizinische Gutachten zeigen eindeutige Erwerbsminderung
Die medizinischen Gutachten diagnostizierten eine Reihe von Stรถrungen, die selbst einfachste Beschรคftigungen nicht mรถglich machten. Dazu gehรถrten eine schwere Gedรคchtnisstรถrung, eine reduzierte Aufmerksamkeit und eine Gefรคhrdung durch epileptische Anfรคlle.
Er sei nicht in der Lage, Beschรคftigungen auszuรผben mit durchschnittlichen Anforderungen an die Reaktions- und Arbeitsgeschwindigkeit. Weder kรถnne er sich an neue Situationen anpassen, noch an diese umstellen.
Ihm fehle die Lernfรคhigkeit und das Gedรคchtnis, um einer Erwerbsbeschรคftigung nachzugehen. Auch Verantwortung fรผr Personen oder Maschinen zu รผbernehmen, sei ihm nicht mรถglich.
Nur Arbeit in Werkstatt fรผr Behinderte mรถglich
Eine Neurologin und Psychiaterin schรคtzte das Leistungsvermรถgen fรผr leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden tรคglich ein. Dies begrรผndete sie mit einem hirnorganischen Psychosyndrom. Sie sah auch keine Aussicht einer wesentlichen Besserung. Fรผr mรถglich hielt sie lediglich eine Tรคtigkeit in einer Werkstatt fรผr Behinderte, und auch dies nur bei einer Abstinenz von Suchtmitteln.
Rentenversicherung akzeptiert diese Einschรคtzung nicht
Die Rentenversicherung teilte diese Einschรคtzung nicht. Sie bezeichnete Alkoholismus als psychische Stรถrung von krankheitswert, die durch eigenen Willen und Behandlungen innerhalb eines halben Jahres รผberwunden werden kรถnnte.
Nachdem der Betreuer des Suchtkranken einen Antrag auf eine Rente wegen Erwerbsminderung bestellt hatte, lieร die Rentenversicherung ihn durch einen Facharzt fรผr Allgemeinmedizin und Anรคsthesiologie begutachten.
Dieser diagnostizierte Epilepsie unter Medikation mit ein bis zwei Anfรคllen pro Monat, dazu fortgesetzten Alkoholmissbrauch und gelegentlich Cannabishistoriker.
Der Gutachter meinte, dass ein รผber sechsstรผndiges Leistungsvermรถgen mit erheblichen qualitativen Einschrรคnkungen fรผr mรถglich. Voraussetzung sei eine zumutbare Alkohol- und Drogenabstinenz sowie die regelmรครige Einnahme antiepileptischer Medikamente und einer eventuell erforderlichen Entgiftung. Er empfahl eine nochmalige Entgiftungs- und Entwรถhnungsbehandlung.
Der Betroffene verweigerte eine solche Behandlung.
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Es geht durch die Sozialgerichte
Die Rentenversicherung lehnte eine Erwerbsminderungsrente an, und der ehemalige Betreuer der Suchtkranken ging vor das Sozialgericht um den Anspruch durchzusetzen. Zusรคtzliche Gutachten wurden angefordert.
Sowohl das Sozialgericht wie das Landessozialgericht entschieden, dass die Rentenversicherung eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung auszahlen mรผsse.
Bei Abstinenz kรถnne zwar mit einer Besserung in mindestens einem Jahr gerechnet werden. Das rechtfertige aber nicht, eine Erwerbsminderungsrente zu verweigern. Auรerdem sei wรคhrend fortgesetztem Alkohol- und Drogenkonsums sogar eine Verschlechterung der Gedรคchtnisleistung wahrscheinlich.
An der Berechtigung zu einer Erwerbsminderungsrente รคndere sich auch nichts, weil der Betroffene keine Entziehungskur mit Suchtrehabilitation durchfรผhren wolle.