Bürgergeld-Zuschuss für Studenten durch Bundessozialgericht geklärt

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So lange über den BAföG-Antrag noch nicht entschieden wurde, gibt es einen Anspruch auf Bürgergeld als Zuschuss

Aber: Keine Gewährung von Bürgergeld als Zuschuss für eine Leistungsbezieherin nach Ablehnung ihres BAföG-Antrages während des diesbezüglich noch laufenden Widerspruchverfahrens ( entgegen SG Stade, Urt. v. 28.03.2019 – S 39 AS 67/18, SG Hamburg, Beschluss vom 20.6.2019 – S 31 AS 1291/19 ER sowie SG Hamburg, Beschluss vom 11.2.2020 – S 39 AS 353/20 ER ).

Das LSG Hamburg ( Urt. v. 18.12.2023 – L 4 AS 211/23 D – ) hatte als Vorinstanz fest gestellt, dass es ab dem Monat nach der BAföG-Ablehnung keinen normalen SGB II-Anspruch mehr gibt, sondern allenfalls ein Härtefalldarlehen nach § 27 Absatz 3 Satz 1 SGB II .

Dagegen hat die Klägerin und ihr Verfahrensbevollmächtigter RA Joachim Schaller, Hamburg, Revision beim Bundessozialgericht eingelegt

Mit Urteil vom 12.03.2025 – B 7 AS 5/24 R – hat nun der 7. Senat des Bundessozialgerichts in Kassel wie folgt entschieden und hat sich damit der Auffassung des LSG Hamburg ( Vorinstanz ) angeschlossen. Nur solange über den BAföG-Antrag der Auszubildenden noch nicht entschieden wurde, gibt es einen Anspruch auf Bürgergeld als Zuschuss.

Denn Rechtsmittel gegen die BAföG-Ablehnung führen nicht dazu, dass der Beginn des SGB II-Leistungsausschlusses durch Rechtsmittel hinausgezögert wird.

Was wurde verhandelt?

Eine Auszubildende, die eine schulische Ausbildung als Ergotherapeutin absolvierte, für die ihr BAföG-Antrag wegen Nichtvorliegens eines unabweisbaren Grundes für den Abbruch eines zuvor 5 Semester lang absolvierten Studiums abgelehnt worden war und die gegen diese BAföG-Ablehnung Widerspruch erhoben hatte, hatte damit beim BSG keinen Erfolg – so der Prozessbevollmächtigte in diesem Verfahren RA J. Schaller.

Mit dem Ausschluss von Bürgergeld – Leistungen für Auszubildende soll in Fortführung sozialhilferechtlicher Regelungen des Bundesozialhilfegesetzes eine (verdeckte) Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene durch die Zahlung von Arbeitslosengeld II verhindert werden.

Das Risiko der ausbildungsbedingten Unterdeckung des Lebensunterhalts wird als alleinige Folge der Ausgestaltung der Ausbildungsförderungssysteme und nicht des nachrangigen Existenzsicherungssystems des SGB II angesehen. Zwar wurden im Zeitverlauf verschiedene Ausnahmen vom Ausschluss der Auszubildenden im SGB II normiert.

In der Konsequenz kommt ein die Ausbildungsförderung ergänzender zuschussweiser Leistungsanspruch allerdings im Wesentlichen nur dann in Betracht, wenn Leistungen nach dem BAföG tatsächlich bezogen werden, so die obersten Richter am BSG in Kassel.

Die zuschussweise Arbeitslosengeld II-Erbringung in der Zeit bis zur ersten Entscheidung des Amtes für Ausbildungsförderung hat überbrückenden Charakter. Denn die Systematik des § 7 Absatz 5 Satz 1 in Verbindung mit § 7 Absatz 6 Nummer 2b SGB II geht von einem Leistungsausschluss aus, wenn eine abstrakt förderungsfähige Ausbildung absolviert wird.

In Notlage befindlicher Auszubildender kann Bürgergeld als – Zuschuss – erhalten

Die Rückausnahme bezweckt in diesem Zusammenhang allein das Abfedern von Notlagen im Schnittstellenbereich zwischen BAföG und der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG

Die Voraussetzungen für eine Vorlage wegen des Ausschlusses Auszubildender von Leistungen nach dem SGB II nach der ersten ablehnenden Entscheidung des Amtes für Ausbildungsförderung über den BAföG-Anspruch an das Bundesverfassungsgericht zur konkreten Normkontrolle nach Artikel 100 GG liegen nicht vor.

Dazu RA J. Schaller

“Das BSG sieht es auch keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG darin, dass Auszubildende in betrieblichen Ausbildungen, für die eine Ausbildungsvergütung gezahlt wird, seit dem 01.08.2016 (außer in den Fällen des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II) keinem Leistungsausschluss unterliegen, Auszubildende in schulischen Ausbildungen, für die (inzwischen) teilweise auch Ausbildungsvergütungen gezahlt werden (z.B. in der Pflege und Ausbildungen zu anderen Gesundheits- und Sozialberufen), aber grundsätzlich dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II unterliegen.”

Praxistipp von RA Joachim Schaller, Verfahrensbevollmächtigter in diesem Verfahren

Das LSG Berlin-Brandenburg bejaht bei einer BAföG-Ablehnung eine besondere Härte nach § 27 Abs. 3 Satz 1 SGB II bis zum Abschluss eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Verwaltungsgericht um Leistungen nach dem BAföG und sprach im Eilverfahren 80 % als Darlehen zu (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.06.2020 – L 31 AS 585/20 B ER – juris Rn. 3ff = ASR 2020, S. 189).

Im Zweifel ist es daher zur Vermeidung eines Ausbildungsabbruchs ratsam, sowohl gegen die BAföG-Ablehnung vorzugehen als auch gegen das Jobcenter, um zumindest darlehensweise Leistungen für Regelbedarfe, den Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II, Bedarfe für Unterkunft und Heizung, Bedarfe für Bildung und Teilhabe und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu bekommen.

Ein entsprechendes Härtefalldarlehen ist erst nach Abschluss der Ausbildung fällig.

Über die Rückzahlung des ausstehenden Betrags soll eine Vereinbarung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmer getroffen werden (§ 42a Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 SGB II).