Bürgergeld: Wenn dieser Hinweis fehlt verlängert sich Widerspruchsfrist auf ein Jahr

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Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden: Steht im Briefkopf eines Bescheids eine E-Mail-Adresse, muss die Behörde ausdrücklich über die Möglichkeit eines elektronischen Widerspruchs belehren. Fehlt dieser Hinweis, verlängert sich die Frist automatisch von einem Monat auf ein Jahr. Betroffene können dadurch zu Unrecht bestandskräftige Bescheide erneut anfechten.

Urteil stärkt Rechte der Leistungsbeziehenden

Der Fall: Ein Jobcenter in Schleswig-Holstein forderte von einer Familie Hartz IV-Gelder zurück. Im Bescheid stand eine E-Mail-Adresse, doch die Rechtsbehelfsbelehrung schwieg zur digitalen Ein­rei­chung des Widerspruchs. Die Familie reagierte erst nach zehn Monaten. Das Jobcenter verwarf den Widerspruch als verspätet – zu Unrecht, wie das BSG (Az. B 7 AS 10/22 R, 27. 09. 2023) nun feststellte.

Kernpunkt: Seit 1. Januar 2018 gilt § 36a SGB I. Enthält der Bescheid einen elektronischen Zugang, muss die Behörde diese Form auch klar benennen. Tut sie das nicht, ist die Belehrung falsch und die einjährige Frist greift.

Welche Bescheide sind jetzt angreifbar?

Alle SGB-II-Bescheide ab 01.01.2018
Briefkopf nennt eine E-Mail-Adresse oder ein elektronisches Postfach
Belehrung erwähnt nur „schriftlich oder zur Niederschrift“, nicht aber „elektronisch“

Erfüllt Ihr Bescheid diese Kriterien, können Sie noch bis zu zwölf Monate nach Zugang Widerspruch einlegen – selbst wenn die reguläre Monatsfrist längst verstrichen ist.

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So setzen Sie Ihren Anspruch durch

  1. Bescheid prüfen: Kontrollieren Sie Briefkopf und Belehrung.
  2. Datum festhalten: Liegt der Zugang weniger als ein Jahr zurück, lohnt ein Widerspruch.
  3. Begründung angeben: Verweisen Sie auf das BSGUrteil B 7 AS 10/22 R.

Tipp: Senden Sie den Widerspruch per Einschreiben und per EMail mit qualifizierter Signatur. So sichern Sie beide Wege ab.

Hintergrund: Digitalisierung im Sozialrecht

Schon 2013 verpflichtete das E-Government-Gesetzes viele Behörden zur elektronischen Kommunikation. Für Jobcenter galt das nicht. Dennoch öffneten viele Häuser freiwillig ein E-Mail-Postfach. Genau hier setzt das Urteil an: Wer einen solchen Zugang anbietet, muss Bürger klar über ihre Optionen informieren. Andernfalls drohen rechtliche Folgen – bis hin zur Neu­prüfung alter Rück­for­de­rungen.

Praktische Folgen für Betroffene

Dank des Urteils haben Sie deutlich mehr Spielraum: Statt binnen eines Monats dürfen Sie jetzt innerhalb eines Jahres Widerspruch einlegen. Eine umständliche Wiedereinsetzung entfällt, denn die verlängerte Frist greift automatisch und verlangt keinen Nachweis eines Verschuldens.

Werden Aufhebungen oder Kürzungen nachträglich aufgehoben, erstattet das Jobcenter Ihnen die einbehaltenen Beträge samt Zinsen gemäß § 44 SGB X.