Rente: Rentenversicherung verlangt über 5.000 Euro – Gericht stoppt Rückforderung

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Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 8. Februar 2023 (Az. B 5 R 2/22 R) entschieden, dass die Deutsche Rentenversicherung (DRV) bei Rückforderungen nicht wahllos einen Erben belasten darf. Die Kasseler Richter kippten den Bescheid, weil die Behörde ihr Auswahlermessen nicht nachvollziehbar begründete. Für Hinterbliebene bedeutet das mehr Rechtssicherheit bei strittigen Erstattungsansprüchen.

Was steckt hinter dem Streit?

Die DRV verlangte 5.230,45 Euro von einer 1941 geborenen Rentnerin zurück. Sie hatte zu viel hinzuverdient. Nach ihrem Tod führte ihr Ehemann das Klageverfahren weiter – vergeblich. Als auch er verstarb, wandte sich die Behörde an seine beiden Töchter.

Eine zahlte, die andere verweigerte. Die DRV stellte ihr daraufhin einen Leistungsbescheid über 2.615,22 Euro zu und berief sich auf § 421 BGB: Jeder Gesamtschuldner könne „nach Belieben“ in Anspruch genommen werden.

Die Tochter wehrte sich mit Erfolg vor dem Sozialgericht Frankfurt und dem Hessischen Landessozialgericht. Beide Instanzen erklärten: Bei öffentlich-rechtlichen Forderungen ersetzt „fehlerfreies Auswahlermessen“ das freie Belieben.

Die DRV legte Revision ein – und verlor erneut.

Kern des Urteils: Ermessen statt Willkür

Die BSG-Richter stellten klar:

Bei Rückforderungen öffentlicher Stellen muss stets geprüft werden, welcher Erbe in welcher Höhe herangezogen wird. Rein formelhafte Hinweise wie „wir dürfen jeden auswählen“ reichen nicht.

Die Behörde muss:

  1. erkennen, dass mehrere Erben haften,
  2. erklären, warum sie gerade diesen Schuldner und diesen Betrag wählt,
  3. Einwände wie Dürftigkeit des Nachlasses oder NichtErbenstellung würdigen.

Unterbleibt diese Prüfung, ist der Bescheid rechtswidrig.

Bedeutung für Betroffene

Mehr Verhandlungsspielraum: Erben können nun verlangen, dass Behörden ihre Entscheidung offenlegen. Ein pauschaler Verweis auf „Verwaltungspraktikabilität“ genügt nicht.

Stärkere Position bei Widerspruch: Wer einen Bescheid erhält, sollte gezielt nach der Ermessenserwägung fragen. Fehlt sie, stehen die Chancen auf Aufhebung gut.

Klarere Haftungsgrenzen: Das Urteil stärkt die Unterscheidung zwischen Haftung als Erbe der verstorbenen Leistungsbezieherin und Haftung als Erbe einer verstorbenen Person.

Rechtsgrundlagen kompakt erklärt

Nach § 421 BGB haften mehrere Schuldner als Gesamtschuldner in voller Höhe; ein Privatgläubiger kann also frei entscheiden, welchen Schuldner er in Anspruch nimmt. § 50 SGB X eröffnet Sozialbehörden die Möglichkeit, zu Unrecht gezahlte Leistungen zurückzufordern. Nach dem BSG-Leitsatz von 2023 gilt dabei jedoch:

Bei öffentlich-rechtlichen Forderungen muss der Gläubiger sein Auswahlermessen fehlerfrei ausüben und nachvollziehbar begründen. Damit ändert sich die Praxis: Behörden dürfen Forderungen nicht mehr bloß eintreiben, sondern müssen offenlegen, weshalb sie gerade diesen Schuldner heranziehen – ein neuer, wichtiger Schritt im Bereich der Sozialleistungen.

Praktische Tipps für Erben

Bescheid prüfen: Prüfen Sie, ob die Behörde ihr Ermessen konkret begründet.
Einreden nutzen: Verweisen Sie schriftlich auf Nachlassdürftigkeit oder Entreicherung.
Fristen wahren: Widerspruch binnen eines Monats erheben, sonst wird der Bescheid bestandskräftig.
Ausgleich unter Erben: Zahlt ein Erbe mehr als seine Quote, kann er Ausgleich nach § 426 BGB fordern.

Was Behörden künftig beachten müssen

  1. Dokumentationspflicht: Beweggründe gehören in die Akte und in die Begründung.
  2. Verhältnismäßigkeit: Die DRV darf z. B. nicht automatisch den solventesten Erben wählen, ohne Alternativen abzuwägen.
  3. Einzelfallprüfung: Liegt der Erbanteil tatsächlich bei 25 % statt 50 %, muss die Forderung angepasst werden.

Dadurch sollen Gerichte entlastet und Konflikte früh geklärt werden.