Bürgergeld: Keine Miete vom Jobcenter bei freiwillig gewährtem Zahlungsaufschub

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Eine Bezieherin von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB 2 hat keinen Anspruch auf Übernahme ihrer Miete für die Wohnung im Haus ihrer Eltern, wenn die Eltern ihr einen Zahlungsaufschub – freiwillig gewährt haben.

Ein Anspruch für die Bürgergeld-Bezieherin hätte nur in dem Fall bestanden

Ein dem Hilfebedürftigen von dem Verwandten als Folge der Nichtberücksichtigung der Kosten der Unterkunft durch den Grundsicherungsträger “unfreiwillig” gewährter Zahlungsaufschub stellt keine dauerhafte Stundung des Mietzinses dar, die einem Anspruch nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 entgegenstehen würde (vgl. dazu LSG Hamburg, Urteil vom 10.9.2021 – L 4 AS 156/20 – mit Verweis auf BSG, Urt. v. 07.05. 2009 – B 14 AS 31/07 R -) was hier aber nicht der Fall war.

Unterkunftskosten beim Bürgergeld werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Wohnt der Leistungsberechtigte in einer Mietwohnung, setzt die Bewilligung von Leistungen voraus, dass er einer wirksamen Zahlungsverpflichtung aus einem Mietvertrag ausgesetzt ist.

Ob ein wirksames Mietverhältnis zwischen Familienangehörigen vorliegt, also ein rechtlicher Bindungswille besteht, oder ob es sich um ein Scheingeschäft i.S.v. § 117 Abs. 1 BGB handelt, beurteilt sich nach den tatrichterlichen Feststellungen der Umstände des Einzelfalles.

Denn wie sonst unter Dritten auch, muss der Leistungsberechtigte einer wirksamen, nicht dauerhaft gestundeten Mietforderung ausgesetzt sein (BSG, Urteil vom 3.3.2009 – B 4 AS 37/08 R –, Urteil vom 7.5.2009 – B 14 AS 31/07 R – und Urteil vom 20.8.2009 – B 14 AS 34/08 R). Diesbezüglich kommt es auf die Nachvollziehbarkeit der vorgetragenen Tatsachen und auf die feststellbaren Indizien an.

Nach diesen Grundsätzen und gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu der Übernahme von Mietkosten unter Verwandten bestand hier nach Auffassung des Senats hein Anlass, der Antragstellerin die begehrten Unterkunftskosten auszusprechen, denn die Klägerin – Tochter – war nicht gemäß § 535 Abs. 2 BGB verpflichtet, ihren Eltern für die Wohnung Miete zu zahlen.

Kurzbegründung des Gerichts

Das Gericht war davon überzeugt, dass bereits die Abwicklung der Zahlungen in der Zeit von dem Einzug der Klägerin in die Wohnung bis zum Ende des Studiums gibt einen Hinweis darauf, dass zwischen der Klägerin und ihren Eltern die Übereinkunft bestand, dass die Klägerin jedenfalls solange nicht zur Mietzahlung verpflichtet war, wie sie nicht wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen konnte.

Glaubwürdigkeit der Klägerin vor Gericht erschüttert

Dass die Tochter ihren Eltern überhaupt keine Miete schuldete ergibt sich für den Senat aus dem Umstand, dass die Klägerin ihren Eltern bis heute diese zwei Monatsmieten nicht nachgezahlt hat, obwohl ihr dafür ab Dezember 2020 ausreichende Mittel zur Verfügung gestanden haben.

Die Eltern warten nun bereits 4 Jahre auf die Mietzahlung der Tochter, ohne das die Eltern Konsequenzen angedroht haben – für Vermieter total unüblich

Die Eltern der Klägerin haben demnach bereits rund vier Jahre lang auf die ihnen vermeintlich zustehende Nachzahlung der Miete verzichtet und diese nicht einmal angemahnt. Dabei handelt es sich aber um ein Verhalten, dass von keinem fremden Vermieter so erwartet werden könnte.

Fazit

Ein dem Hilfebedürftigen von dem Verwandten als Folge der Nichtberücksichtigung der Kosten der Unterkunft durch das Jobcenter “freiwillig” gewährter Zahlungsaufschub stellt eine dauerhafte Stundung des Mietzinses dar ( hier 4 Jahre ), die einem Anspruch nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 entgegensteht.

Hinweis vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

1. Auch Mietverhältnisse unter Verwandten oder Angehörigen können im Rahmen von § 22 Abs 1 SGB 2 zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft und Heizung führen. Entscheidend ist, ob ein rechtlicher Bindungswille der Vertragsparteien im Rahmen eines Mietverhältnisses besteht. Bei der vorgegebenen vertraglichen Verpflichtung darf es sich nicht um ein sogenanntes Scheingeschäft im Sinne von § 117 Abs 1 BGB handeln.

2. Der Mietvertrag muss nicht zwingend zwischen Vermieter und dem Leistungsberechtigten abgeschlossen worden sein, solange feststeht, dass der Leistungsberechtigte im Innenverhältnis rechtlich wirksam zur Kostentragung verpflichtet ist.

Dazu hat das BSG entschieden, dass für die Frage der Kosten der Unterkunft unerheblich ist, ob ein naher Verwandter – im dortigen Verfahren die Mutter eines psychisch kranken Hilfebedürftigen nach dem SGB II – oder der Hilfebedürftige selbst Vertragspartei des Mietverhältnisses ist, denn zu den berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft eines Hilfebedürftigen gehören die laufenden wie auch die einmaligen Kosten der Unterkunft, soweit sie durch die Nutzung der Wohnung durch den Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden und von ihm getragen werden mussten, unabhängig davon, wer dem Vermieter (oder einem Dritten) gegenüber vertraglich verpflichtet ist.

3. Entscheidend für die Berücksichtigungsfähigkeit als Kosten der Unterkunft ist damit, ob der Hilfebedürftige die Unterkunft allein genutzt hat und er im Innenverhältnis zum Ausgleich der dadurch entstehenden Kosten verpflichtet gewesen ist und die Unterkunftskosten damit allein auf ihn entfielen (vgl. BSG, Urteil vom 06.10.2011 – B 14 AS 66/11 R –, unter Verweis auf BSG Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 61/10 R –, am Ende sowie auf BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 34/08 R –).

4. An anderer Stelle hat das BSG auf die Bedeutung des Vorliegens einer festen Beteiligung an Zahlungen abgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 34/08 R – ).

5. Grundsätzlich gilt bei der Übernahme der Mietkosten unter Verwandten ( Dritten ) folgendes:

Dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist – grundsätzlich – zu folgen und ich halte es in Anwendung dieser nicht für erforderlich, dass der maßgebliche (Miet-)Vertrag unmittelbar zwischen Vermieter und dem Leistungsberechtigten abgeschlossen worden sein muss, sondern dass es genügt, dass der Leistungsberechtigte letztlich einem Dritten zum Ausgleich der Kosten verpflichtet ist.