Wer als Arbeitnehmer in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, erhält bei Erwerbslosigkeit zunächst Arbeitslosengeld I (ALG I). Wer diesen Anspruch nicht (mehr) hat, erwerbslos und erwerbsfähig ist, fällt grundsätzlich unter das Bürgergeld nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) – unabhängig davon, ob oder wie viel zuvor gearbeitet wurde.
Wer hingegen hilfebedürftig und dauerhaft erwerbsunfähig ist, muss Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) beantragen.
Auf den ersten Blick scheint das eindeutig, doch es gibt Ausnahmen – insbesondere für EU-Bürger\innen – in denen Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit allein nicht genügen. Entscheidend ist dann, ob vorher ein beschäftigungsbezogenes Freizügigkeitsrecht bestand.
Sozialversicherungs- und Sozialleistungen – der Unterschied
Sozialversicherungsleistungen (z. B. ALG I, Rente, Krankengeld) werden über Beiträge von Versicherten und Arbeitgebern finanziert.
Sozialleistungen (z. B. Bürgergeld, Sozialhilfe, Wohngeld) stammen aus allgemeinen Steuermitteln.
Für ALG I gilt die Anwartschaftszeit: Innerhalb der letzten 30 Monate müssen sich mindestens zwölf Monate versicherungspflichtiger Beschäftigung angesammelt haben; sie müssen nicht nahtlos aufeinanderfolgen.
Wer hat grundsätzlich Anspruch auf Bürgergeld?
Sie erhalten Bürgergeld, wenn Sie
- erwerbsfähig sind (theoretisch mindestens sechs Stunden tägliche Arbeit möglich),
- hilfebedürftig sind (Einkommen/Vermögen deckt den Lebensunterhalt nicht) und
- rechtmäßig in Deutschland leben.
Bürgergeld kann nicht nur nach Jobverlust, sondern auch ergänzend gezahlt werden, wenn Ihr Lohn zu niedrig ist („Aufstocker“).
Leistungsausschlüsse für ausländische Staatsangehörige (§ 7 Abs. 1 SGB II)
Diese Ausschlüsse treffen alle Nichtdeutschen, sind aber für EU-Bürger\innen besonders häufig:
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Bescheid prüfen- Erste drei Monate nach Einreise: kein Bürgergeld.
- Bloßer Aufenthalt zur Arbeitssuche: kein Bürgergeld.
- Kein oder erloschenes Aufenthaltsrecht als Beschäftigter oder Selbstständiger: ebenfalls ausgeschlossen.
Ausnahmen:
Ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin, Selbstständige oder bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Schwangerschaft bewahrt den Anspruch.
Familienangehörige solcher Personen bleiben ebenfalls leistungsberechtigt.
Nach fünf Jahren rechtmäßigem Aufenthalt erwerben EU-Bürger ein Daueraufenthaltsrecht (§ 4a FreizügG/EU); der Leistungsausschluss entfällt.
Wenn Bürgergeld ausgeschlossen ist – was bleibt?
EU-Bürger, die wegen § 7 SGB II kein Bürgergeld erhalten, haben in der Regel keinen Anspruch auf reguläre Sozialhilfe. Sie können nur in akuten Notlagen kurzzeitige Hilfen nach § 23 SGB XII (z. B. Überbrückungs- oder Rückkehrhilfen) bekommen.
Praxisbeispiel – Urteil des Bundessozialgerichts (B 4 AS 2/21 R)
Ein EU-Bürger arbeitete in Deutschland monatlich zehn Stunden für 100 Euro (Minijob). Das Bundessozialgericht wertete diese Tätigkeit als unwesentlich und untergeordnet. Damit begründete sie keinen Arbeitnehmerstatus, kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer und folglich keinen Bürgergeldanspruch.
Fazit
Um Arbeitslosengeld I zu beziehen, müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraums von 30 Monaten mindestens zwölf Monate lang versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein – diese sogenannte Anwartschaftszeit ist zwingende Voraussetzung.
Das Bürgergeld hingegen steht grundsätzlich allen erwerbsfähigen und hilfebedürftigen Personen offen, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten; es kann zudem als ergänzende Leistung gezahlt werden, wenn der eigene Lohn nicht zum Lebensunterhalt ausreicht.
Für EU-Bürgerinnen und EU-Bürger gelten jedoch besondere Einschränkungen: In den ersten drei Monaten nach ihrer Einreise sowie bei einem bloßen Aufenthalt zur Arbeitssuche besteht kein Anspruch auf Bürgergeld, sofern kein (oder nur vorübergehend unterbrochenes) Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin, Arbeitnehmer oder Selbstständige vorliegt.
Nach einem rechtmäßigen Aufenthalt von fünf Jahren fällt dieser Leistungsausschluss weg. Ist Bürgergeld dennoch ausgeschlossen, bleibt Betroffenen in der Regel nur eine stark begrenzte Nothilfe nach § 23 SGB XII.