Bürgergeld: Entwurf kann Widerspruchsbescheid des Jobcenters sein

Lesedauer 3 Minuten

Bescheidung eines Widerspruchs durch elektronischen Verwaltungsakt mit der Aufschrift Entwurf ist ein zulässiger Widerspruchsbescheid des Jobcenters.

Trotz der Aufschrift Entwurf handelt es sich um einen Widerspruch des Jobcenters

Der Widerspruchsbescheid vom Jobcenter wurde erlassen, denn auch bei einem Schreiben des Jobcenters mit dem Aufdruck – Entwurf – handelt es sich um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X.

Das Jobcenter hat den Widerspruch der Leistungsempfängerin beschieden, denn auch bei einem Schreiben des Jobcenters mit dem Aufdruck – Entwurf – handelt es sich um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X. Damit war die Untätigkeitsklage des Leistungsbeziehers unzulässig.

Das gibt aktuell das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen bekannt.

Ob ein Verwaltungsakt vorliegt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln

Es gelten für die Auslegung die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB für Willenserklärungen. Die Auslegung geht aus vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der alle Begleitumstände und Zusammenhänge (Vorgeschichte, Anträge, Begleitschreiben, Situation des Adressaten, genannte Rechtsnormen, auch Interesse der Behörde) berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat.

Der innere Wille der Behörde ist hingegen nicht maßgeblich

Zur Bestimmung des objektiven Regelungsgehaltes eines Verwaltungsaktes kommt es mithin darauf an, wie Adressaten und Drittbetroffene ihn nach Treu und Glauben verstehen mussten bzw. durften. Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde (BSG Urteil 25.10.2017 – B 14 AS 9/17 R – ).

Die Frage, ob ein Verwaltungsakt ergangen ist, entscheidet sich im Wege der Auslegung daher danach, ob für den Adressaten erkennbar die Begriffsmerkmale des § 31 S. 1 SGB X vorliegen.

Dabei ist die Bezeichnung durch die Behörde nicht allein entscheidend, sie ist vielmehr wie die übrigen äußeren Merkmale bei der Auslegung heranzuziehen.

Nach Auffassung der Richter lag ein Verwaltungsakt vor

Eine Auslegung auf Grundlage der äußeren Merkmale des Schreibens sowie seines Inhaltes lässt nach dem objektiven Empfängerhorizont darauf schließen, dass es sich um einen Verwaltungsakt handelt.

Denn zum einen ist das Schreiben als – Widerspruchsbescheid – bezeichnet

Zum anderen entspricht die Formatierung des Schreibens optisch weitgehend dem durch das JC regelhaft verwandten Aufbau von Widerspruchsbescheiden.

Dies betrifft sowohl das Schriftbild als auch den Kopf des Bescheides mit der Bezeichnung des Widerspruchsführers, seiner Anschrift, des Bevollmächtigten, der bearbeitenden Behörde und des Verfahrensgegenstandes.

Schreiben des Jobcenters enthält Rechtsmittelbelehrung

Weiterhin enthält das Schreiben einen Verfügungssatz, eine Kostenentscheidung sowie eine Begründung.

Es ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und endet mit der einfachen Signatur der Sachbearbeiterin (Namensnennung).

Auffällig ist der äußeren Form nach allein, dass auf der ersten Seite oben links das Wort Entwurf aufgedruckt wurde, so das Gericht.

Dies steht einer Auslegung als Verwaltungsakt im vorliegenden Fall jedoch nicht entgegen.

Denn bei einer Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung des weiteren Inhalts des Schreibens wird klar, dass es sich um eine verbindliche Regelung im Sinne des § 31 S. 1 SGB X handelt.

Eine solche verbindliche Regelung würde fehlen, wenn ein interner Entwurf versehentlich in den Rechtsverkehr gelangt wäre oder eine offenbar unbefugte Person ihn herausgegeben hätte.

Es handelt sich nicht um ein Verwaltungsinternum

Trotz der Aufschrift Entwurf ist im vorliegenden Einzelfall davon auszugehen, dass das Schreiben auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist und es sich mithin nicht um ein Verwaltungsinternum handelt.

Dem Grundsatz nach zeigt eine Bezeichnung als Entwurf, dass die Verwaltungsentscheidung sich in einer Vorbereitungsphase befindet und wesentliche Punkte der geplanten Entscheidung festgehalten werden, ohne dass diese bereits verbindlich im Außenverhältnis kommuniziert wird.

Ein Entwurf unterliegt der weiteren internen Prüfung, wobei Änderungen noch möglich sind. Ein endgültiger Entschluss zum Erlass der verbindlichen Regelung liegt nicht vor.

Dass das JC trotz der Bezeichnung als Entwurf eine endgültige Fassung des Widerspruchsbescheides mit einem entsprechenden Regelungswillen an den Bevollmächtigten der Klägerin versandt hat, ergibt sich für den hier betroffenen Einzelfall objektiv bei Durchsicht des Schreibens.

Diese enthält – anders als es bei einem Entwurf oder einer internen Vorlage zu erwarten wäre – keinerlei erkennbare Lücken, interne Anmerkungen oder Notizen.

Das Schreiben wurde auch nicht versehentlich versandt

Anhaltspunkte dafür, dass das Schreiben versehentlich in den Rechtsverkehr gelangt wäre, lassen sich weder nach dem äußeren Erscheinungsbild noch nach dem Inhalt des Schreibens erkennen.

1. So mangelt es insbesondere auch an vorgenommenen Korrekturen, die den Schluss auf die Abfassung eines Entwurfes zuließen.

2. Objektiv für den Regelungswillen des Beklagten spricht weiter, dass das Schreiben das Jobcenter als erlassende Behörde erkennen lässt und die Namenswiedergabe der verantwortenden Person enthält.

Damit wird den Formerfordernissen der Regelung des § 33 Abs. 3 S. 1 SGB X Rechnung getragen.

Fazit

1. Ein Verwaltungsakt trifft eine Regelung, wenn er darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu setzen

Er muss ein subjektives Recht begründen oder beseitigen oder eine Pflicht begründen. Der Verwaltungsakt muss erkennen lassen, dass eine endgültige Regelung getroffen wird und welchen Inhalt sie hat. Eine Regelung setzt voraus, dass die Behörde auch den Willen hat, verbindlich festzulegen, was für den Einzelnen rechtens sein soll. Dies kennzeichnet den Verwaltungsakt als verwaltungsrechtliche Willenserklärung.

2. Ob eine Regelung vorliegt, ist in Zweifelsfällen eine Frage der Auslegung

Hierbei ist nicht auf den inneren, sondern auf den erklärten Willen der Behörde abzustellen, wobei es auf den objektiven Sinngehalt der Erklärung ankommt, d.h. darauf, wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen musste.

Maßgeblich ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann, nicht die Erklärung im buchstäblichen Sinne des Ausdrucks.