Bürgergeld: Auch bei einem Vorschuss gilt der Freibetrag

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Leistungsberechtigte beim Bürgergeld sind oft verunsichert, welche Freibeträge das Jobcenter ihnen zusichert. Das Bürgergeld ist ein bürokratisches Monster, der Regelsatz gerade so am Existenzminimum gemessen, und die Sorge ist groß, dass das Jobcenter auch noch den letzten Cent auf die Sozialleistung anrechnet.

Gerichte sorgen für Klarheit beim Vorschuss auf einen Arbeitslohn

Mehrere Gerichtsurteile haben zumindest bei einem Vorschuss des künftigen Arbeitgebers für Klarheit gesorgt, ob dieser auf das Bürgergeld angerechnet wird oder ob der Freibetrag für Erwerbseinkommen gilt (Bundessozialgericht, 29.03.2022 – B 4 AS 24/21 R, Schleswig-Holsteinisches LSG, 23.10.2020 – L 3 AS 133/18, Sozialgericht Lübeck, 06.11.2018 – S 40 AS 658/16)

Ist ein Vorschuss von 355 absetzbar oder nicht?

Im konkreten Fall ging es um einen Vorschuss von 355 Euro, den ein zukünftiger Arbeitgeber 2015 einem Leistungsbezieher gewährt hatte. Der Betroffene hatte einen Job gefunden, und diesen ordnungsgemäß dem Jobcenter gemeldet.

Der erste Lohn sollte im März des Jahres 2015 gezählt werden, und der Arbeitgeber zahlte einen Vorschuss von 355 Euro.

Freibeträge interessieren das Jobcenter nicht

Das Jobcenter rechnete umgehend den gesamten Vorschuss auf die Sozialleistung als Einkommen an und zog lediglich die Versicherungspauschale von 30 Euro ab. Der Betroffene sollte also der Behörde ganze 325 Euro “zurückzahlen”.

Mit Freibetrag wäre die Zahlung deutlich niedriger gewesen

Damals wie heute gilt indessen ein Grundfreibetrag von 100 Euro. Zudem wären laut Paragraf 11 SGB II weitere 20 Prozent des übrigen Betrags nicht angerechnet worden. Dem Betroffenen wären also 151 Euro seines Zuschusses anrechnungsfrei geblieben, und er hätte statt 325 Euro nur 204 Euro zahlen müssen.

Für einen Menschen, der am Existenzminimum lebt, ist das eine Menge Geld.

“Das Monatsprinzip entscheidet?”

Das Sozialgericht Lübeck gab dem Kläger Recht, doch das Jobcenter ging in die nächste Instanz, und das Landessozialgericht Schleswig-Holstein folgte den Argumenten der Behörde. Es entschied, die Freibeträge seien erst im März mit der Lohnabrechnung zu berücksichtigen und nicht schon im Februar.

Der Betroffene nahm hingen das Monatsprinzip in Anspruch. Demnach müssen Jobcenter Einnahmen in dem Monat berücksichtigen, in dem sie zufließen. So lauten die Absätze 2 und 3 des Paragrafen 11 im Sozialgesetzbuch II.

Außerdem, so der Kläger, sage der Paragraf 11 wörtlich, dass Freibeträge in dem Monat zu berücksichtigen seien, in dem die Arbeitseinkommen zuflössen. Der Vorschuss aber war eindeutig ein Teil des Arbeitseinkommens, der lediglich früher ausgezahlt wurde.

Das Bundessozialgericht sorgt für Klarheit

Am Ende klärte erst das Bundessozialgericht die Frage. Es entschied eindeutig, dass Zuflüsse und Abflüsse in in dem Monat gelten, in dem die Zahlung zufließt. Das gilt, laut dem Bundessozialgericht, auch für Absetzungsbeiträge.

Kurz gesagt: Das Bundessozialgericht gab dem Kläger Recht. Für seinen Vorschuss galt im Februar 2015, als er diesen erhielt, ein Freibetrag, und das Jobcenter hätte diesen einbeziehen müssen.

Freibeträge sind Anreize zur Erwerbsarbeit

Das Gericht erklärte auch, warum dieses Monatsprinzip so wichtig ist. Die Freibeträge sollten nämlich Anreize zur Arbeit schaffen. Bei Erwerbstätigkeit gelte folglich strikt das Monatsprinzip, und das wäre auch der Fall, wenn die Abrechnung erst im Folgemonat käme. Auch eine Vorabzahlung schaffe Anreize, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Das Gericht führte aus: „Dieser Freibetrag soll zudem, ebenso wie der besondere Erwerbstätigenfreibetrag, einen finanziellen Anreiz zur Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit schaffen, auch wenn diese nicht bedarfsdeckend ist.“