Arbeitslosengeld: Abfindung ohne Kündigung führt zur Sperre

Lesedauer 3 Minuten

Wer einem Aufhebungsvertrag zustimmt, ohne einen Anschlussjob in Aussicht zu haben, kann eine 12-wöchige Sperre beim Arbeitslosengeld erhalten. So entschied das Sozialgericht Nürnberg und wies damit die Klage eines Arbeitnehmers ab. (S 10 AL 289/17).

Stellenabbau und Sozialplan

Der Betroffene arbeitete über 15 Jahre als Spezialist im E-Business. Seine Firmenleitung entschied, den Geschäftsbereich „Industrie“ in eine andere Stadt zu verlegen, und das betraf auch den Arbeitsplatz des Klägers. Zugleich sollten 500 Arbeitsplätze abgebaut werden.

Firmenleitung und Betriebsrat stellten einen Sozialplan und einen Interessenausgleich auf, und dieser betraf auch die Regelungen für den Stellenabbau. Der Arbeitgeber bot allen Mitarbeitern des Bereichs Industrie verschiedene Maßnahmen an, um den Stellenabbau sozialverträglich zu gestalten.

Aufhebungsvertrag statt Ortswechsel

Der Betroffene lehnte es ab, seinen Arbeitsplatz zu verlagern. Stattdessen schloss er mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist.

Vereinbart wurde eine Abfindung in Höhe von 161.528,00 Euro brutto. Er meldete sich für die Zeit ab dem Ende des Arbeitsverhältnisses arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

Im Antrag gab es an, er habe das Arbeitsverhältnis nicht beendet, um eine Arbeitgeberkündigung zu vermeiden, und ihm habe auch nicht mit Bestimmtheit eine betriebliche Kündigung gedroht.

Betriebsbedingte Kündigungen waren ausgeschlossen

Der Arbeitgeber teilte der Bundesagentur für Arbeit mit, dass dem Kläger keine konkrete Kündigung gedroht habe.

Er habe vielmehr eine Abfindung erhalten welche mehr als 0,5 Monatsgehälter pro Arbeitsjahr betragen habe. Bei Ausspruch einer Kündigung habe darauf kein Anspruch bestanden. Im Interessenausgleich mit dem Betriebsrat seinen betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen worden.

Die Frage der Sozialauswahl habe sich nicht gestellt, und der Kläger sei zeitnah bereit gewesen, den Aufhebungsvertrag abzuschließen.

Lesen Sie auch:

– Arbeitslosengeld-Sperre kann mit Härtefall-Regel verkürzt werden

Arbeitslosengeld mit Sperrzeit

Ihm wurde Arbeitslosengeld gewährt, allerdings mit einer Sperrzeit von zwölf Wochen. Die Begründung der Bundesagentur lautete, er habe sein Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag ohne wichtigen Grund aufgelöst. Der Betroffene legte Widerspruch gegen die Sperrzeit ein.

Mögliche Weiterbeschäftigung lässt sich nicht mehr klären

Der Arbeitgeber teilte auf Nachfrage der Agentur mit, es könne rückblickend nicht mehr beurteilt werden, ob der Betroffene hätte weiterbeschäftigt werden können. Die Bundesagentur wies den Widerspruch zurück, und der Mann klagte vor dem Sozialgericht.

Arbeitsplatz ist weggefallen

Er begründete, dass sein konkreter Arbeitsplatz durch die Firmenentscheidung weggefallen sei. Deshalb hätte der Aufhebungsvertrag geschlossen werden müssen. Den Arbeitsplatz am neunen Standort hätte er aus gesundheitlichen Gründen nicht antreten können, da er zu einem täglichen Weg von 126 Kilometern und einer Fahrtzeit von zwei Stunden täglich nicht in der Lage sei.

Verkehrsrisiko wegen Schlafapnoe

Er leide an Kreislaufproblemen und einer Schlafapnoe, und dies bedeute bei längeren Autofahrten, besonders am frühen Morgen und nach einem vollen Arbeitstag ein erhöhtes Verkehrsrisiko.

Dazu legte er ein ärztliches Attest vor. Er habe den Abfindungsvertrag aus medizinischer Notwendigkeit und nach ärztlichem Rat abgeschlossen. Damit sei die Sperrzeit ungerechtfertigt, denn der wichtige Grund sei gegeben.

Auch ohne Abschlussvertrag keine Kündigung

Die Bundesagentur für Arbeit argumentierte hingegen, nach Angabe des Arbeitgebers hätte auch ohne den Abschlussvertrag keine Kündigung gedroht. Es hätte auch nicht ausgeschlossen werden können, ihn an dem alten Standort weiterzubeschäftigen.

Abfindung war „Freikauf“

Damit habe er die Arbeitslosigkeit zumindest fahrlässig herbeigeführt. Die Höhe der Abfindung deute ebenfalls daraufhin, dass eine Kündigung durch den Arbeitgeber nicht realisierbar erschien.

Es handelte sich, laut Arbeitsagentur, um einen sogenannten „Freikauf“. Zudem hätte er keinen Anschlussjob außerhalb der Firma in Aussicht gehabt, was ebenfalls für eine fahrlässig selbst verschuldete Arbeitslosigkeit spreche.

Abschluss des Aufhebungsvertrags war grob fahrlässig

Das Sozialgericht wies die Klage als nicht begründet ab. Die Sperrzeit sei rechtmäßig und verletze den Betroffenen nicht in seinen Rechten. Mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrags hätte der Betroffene die Arbeitszeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Ein wichtiger Grund sei nicht vorhanden gewesen.

Bei einem Aufhebungsvertrag könne zwar ein wichtiger Grund gegeben sein, zum Beispiel wenn objektiv eine betriebsbedingte Kündigung drohe, die dem Betroffenen nicht zuzumuten sei. Dies sei nicht gegeben gewesen.

Abfindung weit über der vorgesehen Höhe

Die Abfindungshöhe lag bei weitem über der vorgesehenen Höhe eines halben Monatsgehalts pro Arbeitsjahr. Dies spreche dafür, dass das Risiko der Rechtswidrigkeit einer Kündigung als besonders hoch anzusetzen sei.

Nicht um Weiterbeschäftigung gekümmert

Der Betroffene hätte zudem überhaupt nicht beim Arbeitgeber nach einer Weiterbeschäftigung am alten Arbeitsort gefragt. Durch seine frühzeitige Zustimmung zum Aufhebungsvertrag sei diese Möglichkeit überhaupt nicht mehr geprüft worden.

Wörtlich heißt es: „Auch sonstige Umstände, die es gerechtfertigt hätten, dass der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis am 12.07.2016 zum 31.01.2017 löst, ohne sich vorher nachdrücklich um ein Anschlussarbeitsverhältnis zu bemühen und den Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit zu vermeiden (…) , sind nicht erkennbar.“

Ein Zimmer zu mieten wäre zumutbar

Es hätte auch die zumutbare Möglichkeit gegeben, an den neuen Standort zu ziehen oder dort zumindest ein Zimmer für die Arbeitstage zu mieten. Insofern sei das Argument nicht stichhaltig, den täglichen Arbeitsweg aus gesundheitlichen Gründen nicht leisten zu können.

Da solche Möglichkeiten nicht außergewöhnlich seien, könnten sie grundsätzlich jedem Arbeitnehmer abverlangt werden. Auch die ärztlichen Atteste stünden dem nicht entgegen.

Es drohte keine betriebsbedingte Kündigung

Das Gericht schließt: „Im Ergebnis lässt sich damit feststellen, dass dem Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Aufhebungsvertrages vom 12.07.2016 trotz des Wegfalls seines Arbeitsplatzes keine arbeitgeberseitige betriebsbedingte und objektiv rechtmäßige Kündigung drohte und es ihm somit zumutbar gewesen wäre, eine Beendigungs- oder Änderungskündigung der Firma abzuwarten.“

Der Betroffene habe sich als versicherungswidrig verhalten, und die Bundesagentur habe zu Recht ein Sperrzeit verhängt.