Die Ortsabwesenheit im SGB II: wer eine Zustimmung vom Jobcenter zur Ortsabwesenheit benötigt und wer nicht
aktuelle (alte) Regelung
§ 77 Abs. 1 SGB II legt fest, dass nicht der neue § 7 Abs. 4a SGB II gelten soll, sondern weiterhin § 7 Abs. 4a SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung. Erst wenn das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Rechtsverordnung zum neuen § 7 Abs. 4a SGB II erlassen hat, gilt dieser. Eine solche Rechtsverordnung gibt es bislang aber nicht.
§ 7 Abs. 4a SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung lautet, Zitat:
(4a) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997, 1685), geändert durch die Anordnung vom 16. November 2001 (ANBA 2001, 1476), definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält; die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung gelten entsprechend.
Zweck der Ortsabwesenheit
Genereller Zweck der (alten und neuen) Residenzpflicht des § 7 Abs. 4a SGB II ist es, dem Vorrang der Eingliederung in Arbeit Geltung zu verschaffen und Personen, die sich dem unerlaubt entziehen, von Leistungen auszuschließen (vgl. Bt-Drs. 16/1696, S. 26; ebenso BSG in B 4 AS 166/11 R, Rz 24).
Bei der Zustimmung zur Ortsabwesenheit handelt es sich deshalb um eine Zusicherung (§ 34 SGB X, Schriftformerfordernis) des Jobcenters, dass der Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches keinen Leistungsausschluss (vgl. BSG in B 4 AS 166/11 R, Rz 24; Aufhebung und Rückforderung der Leistung) nach § 7 Abs. 4a SGB II für den Zeitraum der Ortsabwesenheit zur Folge hat.
Gemäß der Systematik des SGB II können nur erwerbsfähige Leistungsberechtigte in Arbeit eingegliedert werden, somit müssen auch nur diese der Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stehen. Die Regelungen der Erreichbarkeitsanordnung (EAO) gelten gemäß ihrem Sinn nur für Arbeitslose (zur Definition „Arbeitslos“ im SGB II siehe § 53a SGB II i.V.m. § 16 SGB III). Maßgeblich für die Anwendung des § 7 Abs. 4a SGB II ist also die Pflicht zur Eingliederung in Arbeit. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass für alle Personen, die
– nicht erwerbsfähig (§ 8 SGB II) oder nicht leistungsberechtigt (§ 7 SGB II) sind, oder
– aus anderen rechtlich anerkannten Gründen der Eingliederung in Arbeit nicht zur Verfügung stehen müssen, § 7 Abs. 4a SGB II nicht anwendbar ist. Diese Personen benötigen somit keine Zustimmung vom Jobcenter zur Ortsabwesenheit (vgl. Bt-Drs. 17/3404, S. 92).
Wer keine Zustimmung vom Jobcenter zur Ortsabwesenheit benötigt
Zum Kreis dieser Personen gehören generell alle Sozialgeldempfänger (vgl. § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II, nicht erwerbsfähig), ebenso diejenigen ALG II Empfänger, die nur aufgrund der Bedarfsanteilsmethode ALG II erhalten (BGH in XII ZR 272/02, BSG in B 7b AS 8/06 R), und Personen, die sich auf die Unzumutbarkeit einer Eingliederung in Arbeit berufen können (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 SGB II). Zu Letzteren gehören u.a. Schüler und Azubis, die der allgemeinen Schul- bzw. Berufsschulpflicht unterliegen und denen deshalb eine Eingliederung in Arbeit unzumutbar ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB II).
Auch nach der Schul- bzw. Berufsschulpflicht ist für Schüler und Azubis eine Eingliederung in Arbeit i.d.R. unzumutbar, solange sie ernsthaft ihren Schul- (Zugangsvoraussetzung Berufsausbildung) oder Berufsschulabschluss anstreben (vgl. § 3 Abs. 2 SGB II, Vorrang der Berufserstausbildung).
Wer benötigt eine Zustimmung vom Jobcenter zur Ortsabwesenheit
Alle Personen, welche der Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stehen müssen, benötigen eine Zustimmung vom Jobcenter zur Ortsabwesenheit. Für arbeitslose ALG II Empfänger gelten zudem die Regelungen der Erreichbarkeitsanordnung (EAO), welche die Ortsabwesenheit u.a. auf 21 Kalendertage im Jahr beschränkt.
Auch Personen, die sich in einer Eingliederungsmaßnahme nach § 16 SGB II befinden, benötigen i.d.R. eine Zustimmung vom Jobcenter zur Ortsabwesenheit. Ebenso ALG II Empfänger, die erwerbstätig sind (und nicht nur aufgrund der Bedarfsanteilsmethode Leistungen erhalten). Allerdings sind diese nicht arbeitslos (§ 53a SGB II i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 2 SGB III), somit gilt die Erreichbarkeitsanordnung (EAO) nicht, d.h. die Zustimmung kann nicht auf der Grundlage der EAO beschränkt oder abgelehnt werden.
Rückmeldung nach der Ortsabwesenheit
Weder das SGB II noch die Erreichbarkeitsanordnung beinhalten eine Festlegung, wonach sich jemand nach einer genehmigten Ortsabwesenheit beim Jobcenter zurückmelden muss. Die Zustimmung des Jobcenters zur Ortsabwesenheit allein bedingt deshalb auch noch keine Pflicht, sich zurückzumelden. Eine solche Pflicht kann das Jobcenter somit auch nicht ungenannt voraussetzen. In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung hat das Jobcenter vielmehr ein Ermessen, ob es eine solche Rückmeldung überhaupt fordern will.
Mit § 59 enthält das SGB II eine, für die (Rück)Meldung beim Leistungsträger vorgesehene Regelung. Das Jobcenter muss dazu den ALG II Empfänger vor der Ortsabwesenheit mittels Meldeaufforderung dazu verpflichten, sich persönlich beim Jobcenter zurück zu melden.
Das Jobcenter kann eine Rückmeldung aber auch in eine Eingliederungsvereinbarung als Pflicht aufnehmen, oder die Zustimmung zur Ortsabwesenheit davon abhängig machen (§ 7 Abs. 4a SGB II i.V.m. § 34 und § 47 SGB X, Schriftformerfordernis).
In jedem Fall ist für eine (Rück)Meldepflicht eine rechtskräftige (Rück)Meldeaufforderung oder (Rück) Meldevereinbarung erforderlich, insbesondere wenn damit rechtliche Konsequenzen verbunden werden sollen (Rechtsfolgenbelehrung erforderlich). (fm)
Bild: lichtkunst.73 / pixelio.de
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