Zum ersten Mal seit der vollständigen Ost‑West‑Angleichung der gesetzlichen Rentenwerte greift für Witwenrenten ein bundeseinheitlicher Freibetrag, der spürbar höher liegt als bisher. Mit der turnusmäßigen Rentenanpassung steigt der aktuelle Rentenwert zum 1. Juli 2025 um 3,74 Prozent von 39,32 Euro auf 40,79 Euro; dieser Wert ist die zentrale Rechengröße, aus der sich alle Hinterbliebenenfreibeträge ableiten.
Wie die Einkommensanrechnung funktioniert
Die Hinterbliebenenrente soll die wirtschaftliche Not lindern, aber nicht zu einer Doppelabsicherung führen. Deshalb bestimmt § 97 SGB VI, dass eigenes Einkommen oberhalb eines Netto‑Freibetrags zu 40 Prozent auf die Rente angerechnet wird.
Die Vorschrift verweist auf die §§ 18a bis 18e SGB IV für die Ermittlung des maßgeblichen Einkommens und regelt den Anrechnungsmodus: Nur der Teil des Einkommens, der den Freibetrag übersteigt, führt zu einer Kürzung.
Freibetrag steigt auf 1 076,86 Euro im Monat
Weil der Freibetrag das 26,4‑Fache des aktuellen Rentenwerts beträgt, klettert er zum 1. Juli 2025 auf genau 1 076,86 Euro monatlich. Für jedes waisenrentenberechtigte Kind erhöht sich der Betrag um weitere 228,42 Euro.
Der Wegfall der früheren regionalen Unterschiede bedeutet, dass diese Grenzen nun im gesamten Bundesgebiet gelten, unabhängig vom Wohnort der Hinterbliebenen.
Lesen Sie auch:
– Historische Änderung bei der Witwenrente: Wer vom neuen Recht betroffen ist
Was das konkret bedeutet: ein Rechenbeispiel
Nimmt man eine Witwe ohne Kinder, die 1 700 Euro Nettoeinkommen erzielt und eine große Witwenrente von 1 000 Euro brutto erhält, so bleiben zunächst 1 076,86 Euro ihres Einkommens anrechnungsfrei.
Von den verbleibenden 623,14 Euro werden 40 Prozent, also 249,26 Euro, einbehalten. Ihre Witwenrente reduziert sich daher von 1 000 Euro auf 750,74 Euro. Das Beispiel zeigt, dass der höhere Freibetrag die Kürzung begrenzt; im vergangenen Jahr hätte dieselbe Witwe noch 13 Euro mehr abgeben müssen.
Altrechtliche Sonderregelungen mindern die Anrechnung
Für Ehepaare, die vor dem 1. Januar 2002 geheiratet haben und bei denen mindestens ein Partner vor dem 2. Januar 1962 geboren ist, gilt § 114 SGB IV. Unter diesem „Altrecht“ werden bestimmte Vermögens‑ und Kapitaleinkünfte von der Anrechnung ausgenommen, was die Witwen‑ oder Witwerrente in vielen Fällen vollständig unangetastet lässt.
Hinterbliebene sollten prüfen lassen, ob die günstigeren Altregeln auf sie zutreffen.
So ermittelt die Rentenversicherung das maßgebliche Einkommen
Bei jeder Rentenanpassung zum 1. Juli, spätestens jedoch wenn erstmals eigenes Einkommen und Hinterbliebenenrente zusammentreffen, vergleicht die Rentenversicherung das Vorjahreseinkommen mit dem laufenden Verdienst.
Ist das aktuelle Einkommen mindestens zehn Prozent niedriger, wird es sofort angesetzt; liegt der Unterschied unter dieser Schwelle, bleibt das höhere Vorjahreseinkommen bis zur nächsten Überprüfung maßgeblich. Wer nach dem Stichtag eine Lohnminderung erlebt, bekommt den Vorteil daher erst beim nächsten Anpassungstermin.
Warum sorgfältige Meldungen und Kontrollen lohnen
Mehr als fünf Millionen Menschen beziehen in Deutschland eine Hinterbliebenenrente, fast die Hälfte davon in gekürzter Form, weil ihr Einkommen oberhalb des Freibetrags liegt.
In der Praxis kommt es immer wieder zu Fehlberechnungen, etwa wenn Arbeitgebermeldungen verspätet eingehen oder Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit nicht korrekt berücksichtigt werden. Hinterbliebene sind verpflichtet, jede relevante Einkommensänderung unverzüglich mitzuteilen; unterbleibt die Meldung, drohen Rückforderungen und Verzugszinsen.
Ein genauer Blick in den Rentenbescheid zeigt, welches Einkommen angesetzt wurde und nach welcher Berechnungsmethode der Kürzungsbetrag zustande kam. Bei Unklarheiten empfiehlt es sich, den Bescheid innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist von einer Rentenberatungsstelle prüfen zu lassen.
Fazit: Mehr Netto, aber nur bei guter Vorbereitung
Die Anhebung des Freibetrags auf 1 076,86 Euro bringt vielen Hinterbliebenen ab Juli 2025 eine spürbare Entlastung. Doch der gesetzliche Spielraum entfaltet seine volle Wirkung nur, wenn die Betroffenen ihr Einkommen rechtzeitig melden, den Bescheid kontrollieren und bei Änderungen aktiv werden.