In den Beratungsstellen der Mietervereine klingeln derzeit die Telefone: Wer demnรคchst auszieht, will wissen, ob er die Wรคnde wirklich noch streichen muss. Hรคufig fรคllt der Satz, es gebe doch โseit Kurzem ein neues Gesetzโ, das Mietende von allen Schรถnheitsreparaturen befreie.
Tatsรคchlich existiert eine solche Reform nicht. Weder der Bundestag noch das Bundesjustizministerium haben in den vergangenen Jahren eine Neuregelung beschlossen, die die Pflichtenverteilung in ยงโฏ535โฏBGB auf den Kopf stellen wรผrde. Die einschlรคgige Norm feiert 2025 ihr 125โjรคhriges Bestehenโฏโ inhaltlich nahezu unverรคndert.
Inhaltsverzeichnis
Gesetzlicher Ausgangspunkt: Instandhaltung ist Vermietersache
Das Bรผrgerliche Gesetzbuch verpflichtet Vermieterinnen und Vermieter, die Mietsache in einem vertragsgemรครen Zustand zu halten. Diese Pflicht umfasst auch das Beseitigen oberflรคchlicher Abnutzungsspuren, also das Streichen von Wรคnden, das Lackieren von Tรผren oder das Tapezieren.
Im Kern ist das bis heute unstreitig. Erst die Vertragsfreiheit รถffnet die Tรผr dafรผr, die Arbeiten auf die Mietpartei zu รผbertragen.
Vertragsklauseln unter der Lupe: Wann die Abwรคlzung wirksam ist
Ob Mietende tatsรคchlich pinseln oder tapezieren mรผssen, entscheidet sich deshalb fast immer am Wortlaut ihres Vertrages. Zulรคssig bleibt eine รbertragung nur, wenn sie angemessen ausgestaltet ist.
Starre Fristen (โKรผche alle drei Jahre, Wohnrรคume alle fรผnf Jahreโ) benachteiligen Mieterinnen und Mieter unangemessen und sind unwirksam, ebenso Klauseln, die eine Endrenovierung ohne Rรผcksicht auf den tatsรคchlichen Zustand verlangen.
Gรผltig sein kann dagegen eine flexible Regelung, in der sich der Renovierungsbedarf am Grad der Abnutzung orientiert.
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Der Zustand bei Einzug: Drehโ und Angelpunkt aller Streitfragen
Ein weiterer Prรผfstein ist die Frage, wie die Wohnung zu Beginn des Mietverhรคltnisses aussah. Wurde sie unrenoviert รผberlassen und gab es dafรผr keinen Ausgleich, darf der Vermieter am Ende regelmรครig nicht die Rรผckgabe in frisch gestrichenem Zustand verlangen.
Wer sich auf diese Ausnahme berufen will, trรคgt jedoch die Beweislast. Das hat der Bundesgerichtshof in einem Beschluss vom 30.โฏJanuarโฏ2024 bekrรคftigt: Ohne Fotoโ oder Protokollbelege fรผr den ungepflegten Ausgangszustand bleibt die Klausel wirksam, und die Renovierungspflicht greift.
Die Rechtsprechung entwickelt Details, nicht das Parlament
Die immer wieder zitierten โneuen Regelnโ beruhen deshalb nicht auf einem Gesetz, sondern auf einer Serie hรถchstrichterlicher Entscheidungen der vergangenen Jahre.
Seit 2015 hat der BGH starre Fristen gekippt, farbliche Beschrรคnkungen beanstandet und Quotenabgeltungsklauseln untersagt. 2020 stellte er zudem klar, dass Mietende sich an den Kosten beteiligen mรผssen, wenn sie vor dem Auszug eine vormals unrenovierte Wohnung in einen deutlich besseren Zustand versetzt haben wollen.
Das alles ist Weiterentwicklung des bestehenden Rechtsrahmens, keine Parlamentsreform.
Typische Missverstรคndnisse und ihre Auflรถsung
Die Annahme, jede Renovierungspflicht sei seit 2024 aufgehoben, speist sich oft aus missverstรคndlich betitelten Ratgebertexten im Internet.
Seriรถse Verbraucherorganisationen bestรคtigen hingegen den Fortbestand der Grundsystematik: Vermietende bleiben instandhaltungspflichtig, kรถnnen diese Pflicht aber weiterhin wirksam โ wenn auch nicht schrankenlos โ per Vertrag รผbertragen.
Praktische Konsequenzen fรผr Mietende
Wer kurz vor dem Auszug steht, sollte daher zunรคchst den Mietvertrag prรผfen und mit dem รbergabeprotokoll aus der Einzugsphase vergleichen. Lรคsst sich anhand von Fotos belegen, dass die Wohnung bereits abgewohnt war, spricht viel dafรผr, dass eine Endrenovierungsklausel unwirksam ist.
Fehlen solche Nachweise, empfiehlt sich ein fachkundiger Blick in die Vertragsformulierung: Enthรคlt sie flexible, am Zustand orientierte Vorgaben, kann die Pflicht bestehen.
Kommen Zweifel auf, lohnt der Weg zur Rechtsberatung beim Mieterverein oder zu einer spezialisierten Anwรคltin, denn ein verweigerter Anstrich kann schnell vierstellige Forderungen nach sich ziehen.
Viele Fallstricke
Der viel beschworene Paradigmenwechsel im Schรถnheitsreparaturenrecht ist ausgeblieben. Stattdessen bleiben Mietende gut beraten, ihre individuellen Vereinbarungen sorgfรคltig zu analysieren und Beweise fรผr den Wohnungszustand zu sichern.
Wer sich auf Internetgerรผchte รผber ein vermeintlich mietfreundliches โneues Gesetzโ verlรคsst, riskiert am Ende kostspielige Auseinandersetzungen โ und steht doch wieder mit Farbrolle oder Malerrechnung da.




