Wenn Hartz IV-Anträge verloren gehen

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Rund 30 Prozent der eingesandten Unterlagen und Briefe gehen in den Jobcentern verloren

09.01.2013

Am Abend bekommt eine Hartz IV-Betroffene aus Bremen einen Anruf. Am anderen Ende meldet sich ein Unbekannter, der zahlreiche Details aus dem Leben der Angerufenen nennt. Auffällig war, dass der Unbekannte alle Informationen nannte, die die junge Frau erst vor einigen Stunden in ihrem Hartz IV-Antrag ausfüllte. Einige Stunden zuvor hatte sie persönlich den Antrag in den Briefkasten des Jobcenters Bremen-Mitte geworfen. Dieser befindet sich im Inneren des Gebäudes.

Der Anrufer sagte, er hätte die Unterlagen am Abend im Gebüsch gefunden. Er wollte keine Angst machen, sondern sie nur warnen. Wäre dieser aber ein Verbrecher, so hätte er mit den sensiblen Daten wie den Kontoauszügen der letzten drei Monate, der letzten Gehaltsabrechnung, Mietvertrag und Krankenkassen-Bescheinigung sehr viel Unheil anstellen können.

Verschwinden von Briefen kein Einzelfall
Der beschriebene Fall ist längst kein Einzelfall. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz hatte bereits vor 12 Monaten darauf hingewiesen, dass der Briefkasten im Jobcenter Bremen-Mitte zu unsicher sei. Aktive Erwerbslose berichten, dass es immer wieder vorkomme, dass Anträge und Brief verschwinden. Zum Nachteil der Absender, denn sie müssen nachweisen, dass sie den Brief tatsächlich abgeschickt haben.
„Diese Briefkästen waren durch ihre geringe Größe und ihre Standorte nicht ausreichend vor unberechtigten Zugriffen geschützt“, berichtet Juliane Heinrich, Sprecherin des Bundesdatenschutzbeauftragten. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz habe bereits das Jobcenter aufgefordert, die Briefkästen zu ersetzen und regelmäßig zu leeren. Im Zuge einer durchgeführten Kontrolle seien weitere Mängel im Bereich des Datenschutzes aufgefallen. Das Gesamtverfahren sei jedoch erst im Januar abgeschlossen.

Eingangsstempel im Jobcenter geben lassen
Tobias Helfst vom Bremer Erwerbslosenverband (BEV) erläutert dass immer wieder Unterlagen im Jobcenter verschwinden. Etwa jeder dritte Hilfesuchende berichtet hiervon in einer Sprechstunde. Das sei Alltag, so Helfst. Der Sozialberater rät daher, den Empfang eines Briefes immer quittieren zu lassen. Im Jobcenter gibt es hierfür eine eigene Poststelle. Es gibt auch Hartz IV-Behörden, die den Eingangsstempel prinzipiell verweigern. Verschwindet dann ein Antrag, sind die Betroffenen auf das Wohlgefallen des Sachbearbeiters angewiesen. Stellt dieser sich quer, beginnt der Leistungsanspruch erst Wochen später, da ein erneuter Antrag gestellt werden musste. Es komme auch immer wieder vor, dass Betroffene Sanktionen erleiden müssen, weil angeblich die „Mitwirkungspflicht“ nicht eingehalten wurde. Auch hier ist oft das Verschwinden von Briefen ursächlich.

30 Prozent der Unterlagen verschwinden in den Amtsstuben
Auch in anderen Städten ist das Verschwinden von Unterlagen in den Jobcentern ein Problem. Zwar gibt es über die Gesamtzahl keine Erhebungen, die Erwerbslosen-Beratungsstelle Tacheles schätzt aber, dass bundesweit etwa 30 Prozent der eingesandten Briefe verschütt gehen. Der Sozialwissenschaftler Harald Thomé vermutet, dass es an der „katastrophalen Unterbesetzung“ der Sozialbehörden liegt.

Das Jobcenter Bremen-Mitte hat durch ihre Sprecherin ankündigen lassen, einen „zugriffssicheren Postkasten“ installieren zu lassen. Dieser habe einen speziellen Zugriffsschutz und würde demnächst angebracht werden. Bis heute war dieser aber noch nicht zu sehen. (sb)

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