Wer länger krank ist, Krankengeld bezieht und von der Krankenkasse oder der Rentenversicherung zu einer Reha geschickt wird, steht am Ende der Maßnahme oft vor derselben Frage: Was passiert jetzt – komme ich zurück ins Krankengeld, bekomme ich Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder sogar eine Rente? Und wovon lebe ich in der Übergangszeit?
Der Weg nach der Reha ist im Sozialrecht kompliziert und für Laien schwer zu überblicken. Dr. Utz Anhalt ordnet die wichtigsten Konstellationen ein und zeigt, wie die Weichen nach der Reha gestellt werden.
Inhaltsverzeichnis
Krankengeld, Reha, Übergangsgeld
Gesetzlich Versicherte erhalten nach sechs Wochen Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber Krankengeld von ihrer Krankenkasse. Dieses wird bei derselben Krankheit längstens für 78 Wochen innerhalb einer sogenannten Blockfrist von drei Jahren gezahlt. Die ersten sechs Wochen Lohnfortzahlung zählen dabei mit.
Wird während des Krankengeldbezugs eine medizinische Reha bewilligt, ändert sich die Art der Leistung: Für die Zeit der Reha ruht der Anspruch auf Krankengeld kraft Gesetzes. Stattdessen zahlt in der Regel der zuständige Reha-Träger ein Übergangsgeld, meist die Deutsche Rentenversicherung oder – seltener – die Krankenkasse selbst.
Wichtig: Das Ruhen bedeutet nicht, dass der Anspruch auf Krankengeld erlischt. Er ist lediglich „geparkt“ und kann nach der Reha – sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen – wieder aufleben.
Während der Reha: Übergangsgeld statt Krankengeld
Während einer bewilligten Reha gelten Versicherte sozialrechtlich als arbeitsunfähig; eine zusätzliche Krankschreibung für den Arbeitgeber ist für diesen Zeitraum nicht erforderlich. Der Reha-Bewilligungsbescheid mit Beginn und Dauer der Maßnahme reicht gegenüber dem Arbeitgeber.
Der Anspruch auf Krankengeld ruht während der Reha, weil eine andere Entgeltersatzleistung (Übergangsgeld) gezahlt wird, etwa nach § 49 SGB V.
Das Übergangsgeld soll Einkommenseinbußen abfedern und wird – je nach Familienstatus – typischerweise mit 68 oder 75 Prozent des letzten Nettoverdienstes berechnet.
Für die Krankengeld-Höchstdauer wird der Zeitraum, in dem Übergangsgeld gezahlt wird, in der Regel nicht noch einmal „abgezogen“. Entscheidend ist, wie viele Tage Krankengeld tatsächlich geflossen sind und ob die Blockfrist von drei Jahren ausgeschöpft ist.
Der Entlassungsbericht: das Dokument, das alles beeinflusst
Am Ende der Reha erstellt die Klinik einen ausführlichen Entlassungsbericht. Er enthält neben Diagnosen und Therapieverlauf vor allem Einschätzungen zur Leistungsfähigkeit und zur Arbeitsfähigkeit im bisherigen Beruf oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Deutsche Rentenversicherung hat dazu einheitliche Leitlinien entwickelt, an denen sich die Kliniken orientieren.
Der Entlassungsbericht ist für mehrere Stellen wichtig:
- für die Krankenkasse, wenn es darum geht, ob Krankengeld nach der Reha weiter gezahlt wird,
- für die Arbeitsagentur, wenn später Arbeitslosengeld nach der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung im Raum steht,
- für die Rentenversicherung, wenn geprüft wird, ob eine Erwerbsminderungsrente bewilligt werden soll oder ein weiterer Reha-Bedarf besteht.
Trotzdem ersetzt der Entlassungsbericht in der gesetzlichen Krankenversicherung normalerweise keine formelle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Sozialgerichte und Fachliteratur betonen, dass für den weiteren Anspruch auf Krankengeld eine ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit ohne Lücke erforderlich ist – sie kann allerdings auch von Ärztinnen und Ärzten außerhalb der kassenärztlichen Versorgung ausgestellt werden.
Szenario 1: Reha erfolgreich – Rückkehr in den Beruf
Bescheinigt die Reha-Klinik im Entlassungsbericht, dass die versicherte Person für den bisherigen Beruf wieder voll arbeitsfähig ist, ist das der gewünschte Idealfall: Die Reha hat ihren Zweck erfüllt, die gesundheitliche Leistungsfähigkeit reicht wieder für eine volle Erwerbstätigkeit.
In dieser Konstellation endet das Übergangsgeld mit dem Entlassungstag. Wird unmittelbar danach die Arbeit wieder voll aufgenommen, besteht kein Anspruch mehr auf Krankengeld; stattdessen zahlt der Arbeitgeber wieder das Gehalt.
Oft empfehlen Reha-Ärztinnen und -Ärzte jedoch, nicht abrupt in die volle Belastung zurückzukehren, sondern über eine stufenweise Wiedereingliederung – das sogenannte Hamburger Modell. Diese Maßnahme ist in § 74 SGB V und § 44 SGB IX als Teil der medizinischen Rehabilitation verankert.
Die Wiedereingliederung läuft typischerweise so:
Die Arbeitszeit wird über mehrere Wochen oder Monate schrittweise gesteigert, etwa von wenigen Stunden täglich bis zur vertraglich vereinbarten Vollzeit. Während dieser Phase bleibt der Betroffene formal arbeitsunfähig, obwohl sie bereits teilweise arbeitet.
Das Einkommen wird in dieser Zeit weiterhin über Krankengeld oder – wenn die Wiedereingliederung direkt aus der Reha heraus startet – über Übergangsgeld gesichert.
Die Wiedereingliederung kann Teil eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) sein. Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, ein solches Verfahren anzubieten, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren (§ 167 Abs. 2 SGB IX).
Szenario 2: Weiter arbeitsunfähig – Rückkehr ins Krankengeld
Häufiger als der perfekte Neustart ist die Situation, dass Betroffene trotz Reha noch nicht arbeitsfähig sind. In diesem Fall ist entscheidend:
Ob der Anspruch auf Krankengeld noch nicht ausgeschöpft ist.
Ob die Arbeitsunfähigkeit weiter lückenlos ärztlich bescheinigt wird.
Wenn die 78 Wochen Krankengeld innerhalb der Blockfrist von drei Jahren noch nicht erreicht sind, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, nach der Reha wieder Krankengeld zu beziehen.
Der Weg ist in der Praxis oft unspektakulär, aber dennoch wichtig:
Die Reha endet. Die betroffene Person lässt sich vor oder unmittelbar nach Entlassung von der Reha-Klinik beziehungsweise dem behandelnden Haus- oder Facharzt erneut arbeitsunfähig schreiben.
Diese neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird der Krankenkasse rechtzeitig vorgelegt.
Entscheidend ist, dass es keine Lücke im Nachweis der Arbeitsunfähigkeit gibt. Denn Krankenkassen und Gerichte verlangen eine durchgehende ärztliche Feststellung, damit der Anspruch auf Krankengeld nicht unterbrochen wird.
Gleichzeitig orientieren sich Krankenkassen in ihrer Leistungsentscheidung stark am Entlassungsbericht. Steht dort, dass die versicherte Person noch arbeitsunfähig ist und keine dauerhafte Erwerbsminderung vorliegt, wird in der Regel der verbliebene Anspruch auf Krankengeld weiter gezahlt.
Streitfälle: Reha sagt „arbeitsfähig“, der Arzt vor Ort sieht das anders
Besonders konfliktträchtig sind Fälle, in denen die Reha-Klinik im Entlassungsbericht eine Arbeitsfähigkeit attestiert, der Hausarzt oder Facharzt jedoch weiterhin eine erhebliche Arbeitsunfähigkeit sieht. Dann stehen sich zwei ärztliche Einschätzungen gegenüber.
Typische Folgen: Die Krankenkasse beruft sich auf den Entlassungsbericht und stellt das Krankengeld ein oder lehnt die Weiterzahlung ab.
Die betroffene Person erhält zwar eine neue Krankschreibung vom Hausarzt, muss aber mit einer Überprüfung durch den Medizinischen Dienst und mit Widerspruchs- oder Klageverfahren rechnen.
Sozialgerichte haben in den vergangenen Jahren wiederholt entschieden, dass nicht automatisch die Einschätzung der Reha-Klinik über derjenigen des behandelnden Arztes steht. Wichtig ist die medizinische Begründung im Einzelfall.
Praktisch bedeutet das: Wer sich nach der Reha weiterhin erheblich eingeschränkt fühlt, sollte den Entlassungsbericht genau lesen, mit der Ärztin oder dem Arzt vor Ort besprechen und bei Zweifeln die eigene Position gut begründen lassen. Unterstützung durch Sozialverbände oder Fachanwälte kann helfen, Ansprüche bei der Krankenkasse durchzusetzen.
Wenn das Krankengeld endet: Aussteuerung und Nahtlosigkeitsregelung
Irgendwann ist der Anspruch auf Krankengeld ausgeschöpft. Nach 78 Wochen Krankengeld innerhalb von drei Jahren bei derselben Krankheit – einschließlich der ersten sechs Wochen Lohnfortzahlung – spricht man von „Aussteuerung“.
In dieser Situation greift ein anderes System: die Arbeitslosenversicherung.
Wer weiterhin arbeitsunfähig ist, aber aus dem Krankengeld „herausfällt“, kann unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitslosengeld I erhalten, obwohl er sich der Arbeitsvermittlung nicht in üblichem Umfang zur Verfügung stellen kann. Das ist die sogenannte Nahtlosigkeitsregelung nach § 145 SGB III.
Voraussetzungen sind im Grundsatz: Die gesundheitlichen Einschränkungen sind so erheblich, dass auf absehbare Zeit weniger als 15 Stunden pro Woche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar wären.
Es besteht ein offener Klärungsbedarf, ob Erwerbsminderung vorliegt, häufig im Zusammenhang mit einer Reha oder einem Antrag auf Erwerbsminderungsrente.
In der Praxis verknüpfen die Arbeitsagenturen die Gewährung des Nahtlosigkeits-Arbeitslosengeldes fast immer mit der Aufforderung, eine Reha oder eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Selbst wenn eine Reha erst vor einiger Zeit auf Initiative der Krankenkasse durchgeführt wurde, kann die Agentur erneut eine Reha verlangen.
Reha als Vorstufe zur Erwerbsminderungsrente
Nicht jede Reha führt zurück in den Beruf. Je nach gesundheitlicher Situation kann die Rentenversicherung zu dem Ergebnis kommen, dass auf Dauer keine ausreichende Erwerbsfähigkeit mehr besteht.
Unter bestimmten Bedingungen kann ein Reha-Antrag in einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente umgedeutet werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich bereits während oder unmittelbar nach der Reha zeigt, dass medizinische Maßnahmen die Erwerbsfähigkeit nicht wiederherstellen können.
Bis über den Rentenantrag entschieden ist, soll die Nahtlosigkeitsregelung sicherstellen, dass Betroffene nicht ohne Leistung dastehen. Es wird dann Arbeitslosengeld gezahlt, obwohl sie objektiv nicht für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Für den Krankengeldbezug ist in dieser Phase entscheidend, ob die 78 Wochen bereits verbraucht sind. Ist das Krankengeld noch nicht ausgeschöpft und besteht eine lückenlose Krankschreibung, kann Krankengeld grundsätzlich weiter gezahlt werden, solange keine andere Entgeltersatzleistung (etwa Übergangsgeld, Arbeitslosengeld) den Anspruch ruhen lässt.
Wiedereingliederung nach der Reha: Wer zahlt das Einkommen?
Je nach Zeitpunkt und Träger der Maßnahme gibt es bei der stufenweisen Wiedereingliederung unterschiedliche Konstellationen:
Beginnt die Wiedereingliederung unmittelbar im Anschluss an eine medizinische Reha und innerhalb von vier Wochen nach deren Ende, zahlt häufig die Rentenversicherung das Übergangsgeld während der gesamten Wiedereingliederung.
Erfolgt die Wiedereingliederung außerhalb dieses „Vier-Wochen-Fensters“ oder ohne vorherige Reha, wird das Einkommen meist durch Krankengeld der Krankenkasse abgesichert, solange Anspruch besteht.
Ist das Krankengeld bereits ausgelaufen und wird Wiedereingliederung während des Bezugs von Arbeitslosengeld durchgeführt, trägt die Bundesagentur für Arbeit die Leistung, während der Arbeitgeber nur in Ausnahmefällen freiwillig Entgelt zahlt.
Für Betroffene ist entscheidend, frühzeitig mit Reha-Klinik, Krankenkasse, Rentenversicherung, eventuell auch mit der Arbeitsagentur und dem Arbeitgeber zu klären, wer in welcher Phase zuständig ist. Sonst drohen vermeidbare Lücken.
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Neben den Sozialleistungsträgern spielt der Arbeitgeber eine wichtige Rolle. Wer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war, hat Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ein Betriebliches Eingliederungsmanagement anbietet. Die Verpflichtung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 SGB IX und gilt unabhängig von der Betriebsgröße.
Ziele des BEM sind insbesondere:
1. Arbeitsunfähigkeit zu überwinden oder zu verkürzen,
2. erneute Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden,
3. den Arbeitsplatz möglichst dauerhaft zu erhalten und krankheitsbedingte Kündigungen zu verhindern.
BEM und stufenweise Wiedereingliederung greifen häufig ineinander. Wird eine Wiedereingliederung im Rahmen eines BEM vorgeschlagen und medizinisch befürwortet, fällt es Arbeitgebern schwer, später eine krankheitsbedingte Kündigung arbeitsrechtlich zu rechtfertigen.
Für Beschäftigte lohnt es sich deshalb, das Angebot eines BEM ernsthaft zu prüfen und aktiv mitzugestalten – gerade nach einer Reha, wenn die Rückkehr an den Arbeitsplatz gut geplant werden muss.
Praktische Hinweise für Krankengeld-Betroffene
Die rechtlichen Regelungen rund um Krankengeld, Reha, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld und Erwerbsminderungsrente sind komplex. Für Betroffene lassen sich dennoch einige Orientierungspunkte formulieren – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne individuelle Rechtsberatung zu ersetzen:
Wer Krankengeld bezieht und zu einer Reha geht, sollte darauf achten, dass der Anspruch auf Krankengeld vor Beginn der Maßnahme besteht und dass die Krankmeldung bis zum Reha-Start lückenlos ist. Während der Reha ist das Übergangsgeld die maßgebliche Leistung; das Krankengeld ruht in dieser Zeit.
Gegen Ende der Reha empfiehlt es sich, frühzeitig zu klären, ob eine stufenweise Wiedereingliederung notwendig ist und wer diese finanzieren wird. Zugleich sollte mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt vor Ort besprochen werden, ob nach der Entlassung weitere Arbeitsunfähigkeit attestiert werden muss, um einen verbliebenen Krankengeldanspruch zu nutzen.
Ist absehbar, dass die 78 Wochen Krankengeld bald erreicht sind, sollte man sich rechtzeitig – in der Regel drei Monate vorher – mit der Arbeitsagentur in Verbindung setzen und die Möglichkeiten nach der Nahtlosigkeitsregelung besprechen. So lassen sich Einkommenslücken vermeiden.
Wer den Eindruck hat, dass der Entlassungsbericht der Reha die eigene gesundheitliche Situation nicht korrekt widerspiegelt, sollte nicht zögern, ärztlichen Rat einzuholen, den Bericht kritisch zu besprechen und im Konfliktfall Unterstützung durch Sozialverbände oder spezialisierte Beratungsstellen zu suchen.
Kurz & knapp: Nach der Reha beginnt die entscheidende Phase
Die Reha provoziert im Krankengeld-Bezug keinen Abschluss, sondern eine Übergangsphase. Danach entscheidet sich, ob die Rückkehr ins Erwerbsleben gelingt, Krankengeld weitergezahlt wird, Arbeitslosengeld nach der Nahtlosigkeitsregelung greift oder eine Erwerbsminderungsrente in Betracht kommt.
Wer die Bedeutung von Entlassungsbericht, Krankengeld-Höchstdauer, Reha- und Rentenanträgen sowie Wiedereingliederungsmaßnahmen kennt, kann diese Wegstrecke bewusster gestalten und besser auf Augenhöhe mit Krankenkasse, Rentenversicherung, Arbeitsagentur und Arbeitgeber verhandeln.




