Warum von der Rentenerhöhung bei vielen kaum etwas übrig bleibt

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Ab Juli 2023 steigen die Renten im Westen um 4,39 Prozent und im Osten um 5,86 Prozent. Im Durchschnitt steigen die Renten damit auf 1.089 Euro. Doch für viele Rentnerinnen und Rentner wird von der Erhöhung kaum etwas übrig bleiben. Denn immer mehr Menschen in Deutschland sind von der zunehmenden Besteuerung ihrer Alterseinkünfte betroffen.

Während die Rentenversicherung die Bruttorente vor der Auszahlung nicht an das Finanzamt abführt, werden Steuern für Rentnerinnen und Rentner in der Regel erst fällig, wenn das Finanzamt nach Abgabe der Steuererklärung einen Überblick über die gesamten Alterseinkünfte hat und den Steuerbescheid verschickt.

Immer höhere Steuern auf Renten

Seit 2005 wird von Jahr zu Jahr ein höherer Anteil der Rente steuerpflichtig. So muss ein Neurentner in diesem Jahr 83 Prozent seiner Bruttorente versteuern. Die Pläne der Ampelkoalition sehen vor, dass ab 2060 die gesamte Rente zu 100 Prozent besteuert wird. Im Gegenzug können die Steuerzahler einen steigenden Anteil ihrer Rentenbeiträge in der Steuererklärung geltend machen. Ab dem 1. Januar 2023 ist dies sogar in voller Höhe möglich.

Steuerpflichtiger Teil der Rente und Rentenerhöhungen

Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen der Besteuerung des eigentlichen Rentenbetrags und der Rentenerhöhungen. Entgegen der landläufigen Meinung sind Rentenerhöhungen steuerpflichtig. Der steuerpflichtige Teil der Rente erhöht sich um die Rentenerhöhungen, aber die regelmäßigen Anpassungen des Jahresbetrags der Rente führen nicht zu einer Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente.

Dies wird in der Regel auch in den Erläuterungen zum Steuerbescheid für Rentner erklärt. Der Versorgungsfreibetrag, der den steuerfreien Teil der Rente bestimmt, wird einmalig bei Rentenbeginn in Euro festgelegt und nicht jährlich an die Rentenerhöhungen angepasst.

So wird der Rentenfreibetrag berechnet

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) erklärt: Der individuelle Rentenfreibetrag ist ein fester Euro-Betrag. Er errechnet sich aus der vollen Jahresbruttorente des zweiten Rentenbezugsjahres, da die meisten Renten im ersten Jahr für weniger als zwölf Monate gezahlt werden.

Ein Beispiel: Bei einem Rentenbeginn im Jahr 2023 wird der steuerfreie Teil der Rente in Höhe von 17 Prozent aus der Jahresbruttorente des Jahres 2024 ermittelt. Dieser Betrag wird in Euro festgelegt und alle folgenden Rentenerhöhungen ab 2025 werden in voller Höhe dem steuerpflichtigen Teil der Rente zugerechnet. Der Versorgungsfreibetrag wird also nicht jährlich dynamisch erhöht.

Auswirkungen der vollen Besteuerung von Rentenerhöhungen

Rentner, deren Alterseinkünfte unter dem steuerlichen Grundfreibetrag (10.908 Euro für Alleinstehende im Jahr 2023) liegen, zahlen keine Steuern. Bei Rentnern, bei denen der Fiskus zuschlägt, hängt die Höhe der Steuer von der Höhe der gesetzlichen Rente und gegebenenfalls weiteren Einkünften wie Betriebsrenten, Miet- oder Kapitaleinkünften ab. Steuerfreibeträge und Anhebungen des Grundfreibetrags können die negativen Auswirkungen des Rentenfreibetrags mildern.

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Steuerpflichtiger Anteil der Rente steigt

Die volle Besteuerung von Rentenerhöhungen wirkt sich auf den steuerpflichtigen Teil der Rente aus. Der Mathematiker und Rentenexperte Werner Siepe hat zwei Beispielfälle durchgerechnet:

Fall eins: Eine Rentnerin im Westen, Jahrgang 1940, geht am 1. Juli 2005 in Rente. Zu diesem Zeitpunkt beträgt ihre monatliche Bruttorente 1500 Euro. Der Versorgungsfreibetrag beträgt 50 Prozent, bei einer Jahresrente von 18.000 Euro also 9.000 Euro. Bis Ende 2022 hat sich ihre Rente jedoch auf insgesamt 24.180 Euro erhöht. Somit sind bereits 15.180 Euro (9000 Euro plus 6180 Euro laufende Rentenerhöhungen) steuerpflichtig. Der steuerpflichtige Anteil der Rente beträgt also 62,8 Prozent, während es anfangs nur 50 Prozent waren.

Fall zwei: Ein Ostrentner, Jahrgang 1950, geht am 1. Juli 2015 in Rente. Seine Bruttorente beträgt dann 1766 Euro. Der Rentenfreibetrag beträgt nur noch 30 Prozent, bei einer Jahresrente von 21.828 Euro also rund 6549 Euro. Im Jahr 2022 beträgt seine Rente 27.031 Euro. Nurn muss er 20.482 Euro seiner Rente versteuern, was 75,8 Prozent statt der ursprünglichen 70 Prozent entspricht.

Doppelbesteuerung zukünftig immer wahrscheinlicher

Im Mai 2021 hat der Bundesfinanzhof in zwei Urteilen entschieden, dass der bisher von den Finanzämtern zusätzlich zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei gestellte Grundfreibetrag bei der individuellen Besteuerung von Renten künftig “nicht mehr zu berücksichtigen” ist.

Das Bundesfinanzministerium stellte daraufhin klar, dass sich der steuerfreie Teil der Rente im Wesentlichen aus dem gesetzlichen Rentenfreibetrag unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Laufzeit der Rente ergibt. Durch diese Regelung sinkt der individuelle steuerfreie Rentenbetrag, so dass eine “Doppelbesteuerung” in Zukunft wahrscheinlicher wird. Eine Doppelbesteuerung der Rente ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts jedoch unzulässig.

Die Besteuerung der Renten erhitzt weiterhin die Gemüter, und es bleibt abzuwarten, ob und wie die Bundesregierung die Rentenbesteuerung in Zukunft angehen wird. Angesichts der Urteile des Bundesfinanzhofs, die eine Doppelbesteuerung der Renten ab 2025 wahrscheinlicher machen, besteht jedenfalls Handlungsbedarf. Ein erster Vorschlag für eine gesetzliche Neuregelung der Rentenbesteuerung liegt bereits vor, doch bis eine endgültige Entscheidung getroffen wird, werden die Rentnerinnen und Rentner weiterhin mit den steigenden Steuerlasten konfrontiert sein.