Politiker/innen aus AfD, CDU und FDP agitieren gegen das Bürgergeld. Sie vergleichen das Einkommen bei gering bezahlten Arbeitsplätzen mit den höchsten Sätzen des Bürgergeldes, um zu behaupten, Bürgergeld sei eine „bequeme Alternative“ zur Erwerbsarbeit.
So sagte der CDU-Politiker Tino Sorge: „Es ist vollkommen unverständlich, dass man durch Sozialleistungen in vielen Branchen mehr Geld übrig hat als durch Arbeit.“ Fahrlässig, vermutlich aber bewusst als politische Agenda, ignorieren Statements wie das Sorges dabei, dass sehr viele Menschen, die Bürgergeld beziehen, sehr wohl arbeiten, aber dennoch mit dem Bürgergeld den geringen Lohn aufstocken müssen.
Aufstocken zum Existenzminimum
Ihr Lohn reicht aber nicht, um das Existenzminimum zu sichern, und deshalb haben sie einen Anspruch darauf, ihr Einkommen mit Bürgergeld zu ergänzen. Makaber dabei ist, dass oft dieselben Politker/innen, die heute gegen das Bürgergeld mobilisieren, in der Vergangenheit vehement Stimmung machten gegen die Einführung eines Mindestlohns.
Alleinerziehend oder krank
Der Grund dafür aufzustocken, ist erst einmal der geringe Lohn. Dann gehören zu den Aufstockern Alleinerziehende, die wegen fehlender Kitaplätze keinen Vollzeitjob schaffen und Menschen, die nur in Teilzeit arbeiten können, weil sie kranke Angehörige pflegen.
Andere Aufstocker sind indessen selbst krank wie der vom Mitteldeutschen Rundfunk vorgestellte, an Krebs leidende Grafik-Designer Frank Fischer aus Roßlau, der wegen seiner Erkrankung nur sporadisch arbeiten kann.
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Wer kann mit Bürgergeld aufstocken?
Menschen, deren Einkommen nicht für ihren Lebensunterhalt beziehungsweise den der Bedarfsgemeinschaft reicht, können dieses mit Bürgergeld ergänzen. Dies gilt für Angestellte wie für Selbstständige.
Die Betroffenen können diese Leistung beim zuständigen Jobcenter beantragen, als aufstockende Bürgergeld-Leistung. Das Einkommen wird auf diese Leistung angerechnet, allerdings nicht in voller Höhe.
Voraussetzungen für aufstockendes Bürgergeld sind, dass Sie ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, mindestens drei Stunden am Tag arbeiten können und hilfebedürftig sind, also das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft unter dem Existenzminimum liegt.
Kein Urlaub oder Restaurant
Frank Fiedler aus Roßlau ist 61 Jahre alt und an Krebs erkrankt. Er kann nur noch wenige Stunden durchgehend als Grafikdesigner arbeiten und ist auf Bürgergeld angewiesen. Laut eigenen Angaben sitzt er so oft am Rechner, wie es die Gesundheit zulässt.
An manchen Tagen sei dies aber nicht möglich und er würde diesen Zustand keinem Arbeitgeber antun wollen. Als Freiberufler könne er seine Arbeitszeit so legen wie seine Gesundheit es zulasse. Seine Arbeit bringe ihm dennoch seit Jahren nicht mehr genug Geld zum Leben ein. In Restaurants gehe er nicht und mache auch keinen Urlaub.
Auftragsflaute und schwere Erkrankung
Fiedler war über die Jahre hinweg mehrfach arbeitslos, machte Umschulungen und arbeitete im Minijob, baute sich eine Basis als Grafikdesigner auf.
Eine feste Anstellung fand er jedoch in der Region Dessau nicht und machte sich deshalb hauptberuflich selbstständig. Die Einnahmen schwankten, wie in dem Beruf üblich, sowieso, und irgendwann bleiben die Aufträge aus. Sein Krebs verschärfte die Situation, und er wurde von staatlicher Untersützung als Aufstocker abhängig.
Der Lohn ist zu niedrig, nicht das Bürgergeld zu hoch
Fiedler hat eine klare Position zu der Behauptung, dass das Bürgergeld Menschen vom Arbeiten abhalte. Er sagt gegenüber dem MDR: „Ich befürchte, dass der Frust derjenigen größer wird, die arbeiten gehen und die um jeden Penny kämpfen müssen.
Wenn die Bezahlung in Deutschland allgemein gerechter wäre, wären viele Sachen vom Tisch. Die Leute bekommen nicht zu viel vom Arbeitsamt – die Leute verdienen zu wenig auf Arbeit.“
Lohnt es sich zu arbeiten?
Markus Behrens von der Arbeitsagentur erklärt, warum Bürgergeld und Arbeit nicht konkurrieren, sondern sich ergänzen. Er sagt, dass Arbeit und Ausbildung sich immer lohnten, auch bei Menschen, die Bürgergeld bezögen.
Wer arbeite und mit Bürgergeld aufstocke, hätte mehr Geld als diejenigen, die nur Bürgergeld bezögen. Außerdem könnten sie sich aus dem Job heraus weiterentwickeln, und Arbeit stifte Identität.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.