Unternehmen gründen ihre eigenen Zeitarbeitsfirmen

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Die Prekarisierung schreitet voran: Unternehmen gründen eigenen Zeitarbeitsfirmen

Unternehmen gründen ihre eigenen Zeitarbeitsfirmen, um Lohnkosten zu sparen. Kündigungsfristen und Tariflöhne werden so umgangen. Arbeitsrechtlich sind diese Praktiken umstritten, es bedarf einer Klärung.

Vorreiter ist hier der Schlecker Konzern, der seine Mitarbeiter im Bezirk Gütersloh dazu aufgefordert hat Aufhebungsverträge zu unterschreiben und bei der Zeitarbeitsfirma Meniar zu unterschreiben. Den Tariflohn von 12,71 Euro brutto wollte man sich anscheinend sparen, die Zeitarbeitsfirma bot den Beschäftigten einen Stundenlohn zwischen 6,50 und 7,0 Euro pro Stunde verdienen. Die Art der Arbeit und der Einsatzort sollten sich nicht ändern. Mitarbeiter, die sich auf das „Bäumchen wechsel Dich“ Spiel nicht einließen, hatten kurze Zeit später eine Versetzung im Briefkasten, da sie an einem „Projekt“ nicht teilnehmen wollten und die an das „Projekt“ gebundenen Konditionen nicht akzeptieren wollten. Die Versetzungen wurden vom Arbeitsgericht gestoppt, doch das Formular „Bewerbung um einen Arbeitsplatz bei der Firma Meniar“ wir noch weiter an die Beschäftigten ausgeteilt.

Bisher wurden Leihkräfte von Zeitarbeitsfirmen geordert, wenn es in Betrieben einen kurzfristigen Mehrbedarf gab oder um die Stammbelegschaft zu verkleinern. Die Strategie nun aber die gesamte Belegschaft out zu sourcen, sie an eine Zeitarbeitsfirma zu übergeben, das Beschäftigungsfeld aber nicht zu ändern, ist neu. Mitarbeiter verlassen offiziell die Firma und kehren als Leiharbeiter zurück.

Wie sehr sind die Zeitarbeitsfirmen von den Unternehmen, die den Zeitarbeitsfirmen die Arbeitskräfte anbieten, abhängig? Im Fall von Schlecker ist die Zeitarbeitsfirma Meniar formal eigenständig. Doch bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass es sowohl inhaltlich, als praktische Übereinstimmungen zwischen beiden Firmen gibt. Der Geschäftsführer von Meniar, Alois Over, war jahrelang ein Top Personalmanager von Schlecker. Gegenüber der Zeitung "Wirtschaftswoche" bestätigte die Konzernzentrale von Schlecker, dass Over „zu Koordinationszwecken ein Verbindungsbüro in der Konzernzentrale von Schlecker unterhält“. So ist es auch nicht verwunderlich, dass in aktuellen Stellenausschreibungen der Arbeitsagentur Bewerber gebeten werden Rückfragen an Over, zu richten Als Kontaktadresse wird das Koordinationsbüro in Ehingen genannt.

Es ist schon faszinierend welche neuen Tricks sich Unternehmen einfallen lassen, um Geld zu sparen und flexibel mit Arbeitskräften agieren zu können. So profitabel es für Unternehmen wie Schlecker ist, so umstritten ist dieses Vorgehen auch. Die Befürworter betonen, dass dieses Modell legal sei und niemand außerhalb des Gesetzes agiere. Peter Schüren, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Münster hegt nach einem Bericht von wiwo.de erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Modells. Er sieht in einer Leiharbeitsfirma unter dem Konzerndach „rechtsmissbräuchliche Strohmann-Konstruktion“. Das Arbeitsrecht biete die Möglichkeit dies zu unterbinden. Die Strohmann Konstruktion muss natürlich erst nachgewiesen werden.

Schlecker ist nicht die erste Firma, die sich dieses Modells bedient, um Personalkosten zu sparen. Pioniere waren hier der VW Konzern, die Deutsche Telekom und die Bahn. Ziel war auch hier ein Abbau des Personals und der Personalkosten. Aber auch ein flexibler und bedarfsorientierter Umgang mit den Beschäftigten sollte möglich werden. Eine weitere Begründung für die DB Zeitarbeit sei der flexible Einsatz von Zugbegleiter, Eisenbahningenieure, Lokführer und Kaufleute mit eisenbahnrechtlichen Kenntnissen. Anstatt die Beschäftigten ganz zu entlassen, werden sie an die Zeitarbeitsfirma weiter gereicht.

Nach Bahn und Telekom gründeten auch der Reisekonzern TUI und der Chemieriese BASF, Einrichtungen des Deutschen Roten Kreuzes und der Arbeiterwohlfahrt, Krankenhäuser, Abfallentsorger und Immobiliengesellschaften Zeitarbeitsfirmen. Ein neuer Weg, um die Arbeitnehmerrechte zu umgehen und Personalabbau zu betreiben ohne ganz auf Arbeitskräfte verzichten zu müssen.

Zu Querelen kommt es nun aber auch mit den alteingesessenen Zeitarbeitsfirmen, die fürchten um Umsatzeinbuße. Außerdem sind diese wohl bemüht von ihrem schlechten Image als Ausbeuter weg zu kommen. Was Unternehmen mit ihren Billig-Verleihtöchtern sparen können, zeigt sich eindrucksvoll an dem Tarifvertrag über die Löhne zwischen dem Arbeitgeberverband AMP und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und PSA (CGZP). Es ist fraglich, ob diese Tarifverträge rechtens sind, da der Tarifgemeinschaft die Tariffähigkeit vom Arbeitsgericht Berlin abgesprochen wurde. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus. Mitglieder beim AMP bezahlen ihren Beschäftigten in Ostdeutschland auf der untersten Stufe 6 Euro. Im Unterschied wird auf der untersten Stufe von Mitgliedern des Arbeitgeberverbandes der IGZ 6,50 und der BZA 6,42 gezahlt. In der Entgeltgruppe 3 bekommt ein ostdeutscher Zeitarbeiter nach AMP-Tarif 6,47 Euro, beim BZA mindestens 8,15 Euro. Dutzende Unternehmen haben mit den Christen-Gewerkschaften Hausverträge abgeschlossen, in ihren Betrieben rangiert der Stundenlohn eher bei fünf Euro. Die Konkurrenz unter den Zeitarbeitsfirmen wird größer, Lohndumping ist an der Tagesordnung.

Um der Konkurrenz durch „firmeneigene“ Zeitarbeitsfirmen zu entgehen, fordert BZA-Präsident Enkerts für interne Zeitarbeit im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz die Gleichbehandlung mit den übrigen Beschäftigten im Unternehmen festgeschrieben wird. Doch die Ungleichbehandlung ist natürlich Teil des Konzeptes. Der Konkurrenzdruck unter den Beschäftigten wird größer, die Angst vor prekären Beschäftigungsverhältnissen nimmt zu. Die Unternehmen schaffen es aber sogar noch das Auslagern der Beschäftigten als eine gute Tat zu verkaufen, denn ohne die firmeneigenen Zeitarbeitsfirmen, würden die Angestellten schon längst auf der Strasse sitzen.

Ganz so reibungslos können die Firmen ihre neue Personalpolitik nicht durchführen. Die Gewerkschafter laufen nun Sturm, auch Streiks im Weihnachtgeschäft seien „eine Option“. Die Beschäftigten wehren sich, ziehen vor Gericht und in einigen Fällen sind die Beschäftigten wieder in ihr altes Beschäftigungsverhältnis zurück gekehrt. Der Kampf um höhere Löhne und einigermaßen gesicherte Beschäftigungsverhältnisse wird weitergehen, daran kann auch die Gründung einer Zeitarbeitsfirma nichts ändern. (25.11.2009)