Unerwartet dauerhaft krank – Diese Hilfen stehen Dir zu

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Ein unerwarteter Unfall oder eine schwere Erkrankung kรถnnen den Alltag schlagartig auf den Kopf stellen und berufliche Perspektiven infrage stellen. In solchen Situationen stellen sich zahlreiche Fragen: Wie wirkt sich eine lรคngere Arbeitsunfรคhigkeit finanziell aus?

Welche Leistungen stehen Betroffenen zu, wenn es im schlimmsten Fall gar nicht mehr mรถglich ist, den bisherigen Beruf auszuรผben?

Erklรคrung anhand eines Beispiels

Zur Veranschaulichung wird im Folgenden das Beispiel von โ€žMarieโ€œ herangezogen. Sie arbeitete als Erzieherin in einer Kinderkrippe, erlitt jedoch bei einem Sportunfall eine schwere Verletzung und muss ihren Beruf vorerst ruhen lassen. Der Ablauf ihrer Genesung und der Wiedereinstieg in den Beruf zeigen exemplarisch, welche Schritte, Rechte und Hilfen zur Verfรผgung stehen kรถnnen.

Entgeltfortzahlung und Krankengeld: Erster Schutz bei lรคngerer Erkrankung

Wer aufgrund einer Erkrankung oder Verletzung arbeitsunfรคhig wird, profitiert zunรคchst in der Regel von der Entgeltfortzahlung. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind verpflichtet, das Gehalt fรผr bis zu sechs Wochen weiterzuzahlen. So geschah es auch bei Marie, die in dieser Zeit ihr gewohntes Einkommen erhielt.

Ist die Erkrankung nach Ablauf dieser sechs Wochen jedoch nicht ausgestanden, geht die Verantwortung auf die gesetzliche Krankenkasse รผber. In Maries Fall resultierte dies in einem Anspruch auf Krankengeld. Dieses betrรคgt 70 Prozent des Bruttogehalts, maximal jedoch 90 Prozent des Nettogehalts, und wird รผber einen Zeitraum von bis zu 72 Wochen gezahlt.

Die zuvor bereits in Anspruch genommenen sechs Wochen Entgeltfortzahlung werden dabei von der Hรถchstbezugsdauer (insgesamt 78 Wochen) abgezogen.

Verletztengeld nur bei Arbeits- oder Wegeunfall

Die gesetzliche Unfallversicherung zahlt Verletztengeld, sofern es sich um einen Arbeits- oder Wegeunfall oder um eine anerkannte Berufskrankheit handelt. In diesem Fall wรคren 80 Prozent des Bruttolohns mรถglich, allerdings ebenfalls gedeckelt durch die Hรถhe des Nettolohns.

Da Maries Unfall privat (beim Skifahren) passierte, greift die Unfallversicherung fรผr sie nicht. Die Bezugsdauer des Verletztengeldes kann ebenfalls bis zu 72 Wochen betragen, nachdem die sechs Wochen Entgeltfortzahlung ausgelaufen sind. Fรผr Sonderregelungen โ€“ insbesondere Hรถchstgrenzen โ€“ kรถnnen private Zusatzversicherungen eine ergรคnzende Absicherung bieten.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM): Fรผr einen Wiedereinstieg

Nach den sechs Wochen Entgeltfortzahlung lud Maries Arbeitgeberin sie zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) ein. Dieses Verfahren ist gesetzlich vorgeschrieben, wenn Beschรคftigte innerhalb eines Jahres mehr als sechs Wochen arbeitsunfรคhig sind. Ziel ist es, gemeinsam Lรถsungswege zu finden, damit der betroffenen Person die Rรผckkehr ins Unternehmen gelingt.

Teilnahme am BEM ist freiwillig. Allerdings entsteht fรผr den Arbeitgeber ein Risiko, spรคter eine krankheitsbedingte Kรผndigung nicht rechtssicher durchsetzen zu kรถnnen, wenn das Verfahren nicht ordnungsgemรครŸ angeboten wurde.

Fรผr Marie bot sich hier die Gelegenheit, mรถgliche Anpassungen zu besprechen, bevor sie ihre Arbeit wieder aufnimmt. Sie entschied sich im ersten Schritt fรผr eine medizinische Rehabilitation.

Medizinische Rehabilitation: Heilung fรถrdern und den Alltag erleichtern

Da die Krankenkasse langfristige Arbeitsunfรคhigkeit mรถglichst vermeiden mรถchte, forderte sie Marie zu einem Reha-Antrag auf. Zusammen mit ihrem Arzt beantragte sie eine medizinische Rehabilitation in einer speziellen Klinik. Solche MaรŸnahmen sollen den Genesungsprozess fรถrdern und langfristig die Erwerbsfรคhigkeit sichern.

Auch wenn eine vollstรคndige Genesung nicht immer garantiert werden kann, unterstรผtzt das Angebot dabei, bestmรถglich mit den bestehenden gesundheitlichen Einschrรคnkungen umzugehen.

Bei Marie leitete die Krankenkasse den Antrag an die Rentenversicherung weiter, die letztlich die Kosten fรผr die Reha รผbernahm. Die dort durchgefรผhrten Therapien umfassten unter anderem spezielle Sportprogramme und รœbungsanleitungen. Ergรคnzend stand ein Sozialdienst zur Verfรผgung, der รผber Unterstรผtzungsangebote nach der Reha informierte.

รœbergangsgeld statt Krankengeld

Wรคhrend der medizinischen Rehabilitation bezog Marie รœbergangsgeld von der Rentenversicherung. Diese Zahlung fรคllt in vielen Fรคllen geringer aus als das vorherige Krankengeld und wird nach anderen Grundsรคtzen berechnet. Nach dem Klinikaufenthalt war sie weiterhin arbeitsunfรคhig und kehrte zurรผck in den Bezug von Krankengeld.

Fรผr die zeitliche Begrenzung gelten hier genaue Vorgaben: Die Phasen von Entgeltfortzahlung und รœbergangsgeld werden auf die Gesamtbezugsdauer des Krankengeldes angerechnet.

Stufenweise Wiedereingliederung: Schrittweise Rรผckkehr an den Arbeitsplatz

Nach Abschluss der Reha bot Maries Arbeitgeberin ihr eine stufenweise Wiedereingliederung an. Dabei handelt es sich um ein bewรคhrtes Instrument, um die stundenweise Rรผckkehr an den bisherigen Arbeitsplatz zu erleichtern.

Wรคhrend dieser Phase bleibt die betroffene Person weiter krankgeschrieben und erhรคlt in der Regel Krankengeld, sofern diese MaรŸnahme nicht innerhalb von vier Wochen nach der Reha startet; dann kรคme รœbergangsgeld in Betracht.

Dieses Modell ermรถglicht eine schrittweise Steigerung der tรคglichen oder wรถchentlichen Arbeitszeit, ohne sofort den vollen Umfang des alten Pensums bewรคltigen zu mรผssen. Fรผr Marie hatte dies den Vorteil, langsam an die Belastungen des Berufsalltags herangefรผhrt zu werden.

Die Arbeitgeberin musste in diesem Fall keinen Lohn zahlen, da der Lebensunterhalt wรคhrend der Wiedereingliederung durch Krankengeld gesichert blieb.

Berufliche Rehabilitation: Neue Perspektiven

Trotz der stufenweisen Wiedereingliederung merkte Marie bald, dass sie als Erzieherin in der Kinderkrippe nicht mehr voll einsatzfรคhig sein wรผrde. Aufgrund kรถrperlicher Einschrรคnkungen war es nicht mรถglich, Kinder sicher zu heben, zu tragen oder zu wickeln. An diesem Punkt rรผckten die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in den Fokus.

Diese Form der beruflichen Rehabilitation soll dafรผr sorgen, dass Menschen mit gesundheitlichen Einschrรคnkungen weiterhin am Erwerbsleben teilnehmen kรถnnen.

Mรถgliche MaรŸnahmen im Rahmen der beruflichen Reha

Eine Vielzahl an Leistungen und technischen Hilfen steht zur Verfรผgung, beispielsweise:

  • Spezielle Computer oder angepasste Arbeitsgerรคte (z. B. Tragehilfen, Handbikes)
  • Kraftfahrzeughilfe fรผr den behindertengerechten Umbau des eigenen Fahrzeugs
  • Fรถrderung von Arbeitsassistenz, die unterstรผtzend zur Seite steht
  • BildungsmaรŸnahmen wie Umschulungen, gefรถrderte Praktika und Lehrgรคnge

Diese Unterstรผtzung kann auch bei einer Existenzgrรผndung oder Fortfรผhrung eines bestehenden Unternehmens in Anspruch genommen werden. Fรผr Marie gestaltete sich die Umschulung zur Rechtsanwaltsfachangestellten als aussichtsreicher Weg, um weiterhin berufstรคtig sein zu kรถnnen.

Wรคhrend der MaรŸnahme erhielt sie finanzielle Leistungen von der Rentenversicherung, die auch die Kosten fรผr Lehrgangsgebรผhren sowie Fahrtkosten, Unterkunft und Verpflegung รผbernahm.

Welcher Trรคger letztlich zustรคndig ist, kann variieren. Je nach Einzelfall kommen Rentenversicherung, Agentur fรผr Arbeit oder Unfallversicherung in Betracht. Kostenlose und unabhรคngige Beratungsangebote (z. B. die sogenannte โ€žErgรคnzende Unabhรคngige Teilhabeberatungโ€œ, EUTB) unterstรผtzen bei der Klรคrung offener Fragen.

Grad der Behinderung und Gleichstellung: Rechtsansprรผche bei lรคngeren Einschrรคnkungen

Maries Unfall zieht gesundheitliche Beeintrรคchtigungen von mehr als einem halben Jahr nach sich. Damit besteht die Mรถglichkeit, einen Grad der Behinderung (GdB) feststellen zu lassen. Mit steigender Hรถhe des GdB erรถffnen sich bestimmte Nachteilsausgleiche und Rechte, etwa in Bezug auf Kรผndigungsschutz oder steuerliche Vergรผnstigungen.

Wer entsprechende Einschrรคnkungen vorweist, kann zudem eine Schwerbehinderteneigenschaft erlangen oder sich bei niedrigerem GdB (zwischen 30 und 50) unter Umstรคnden gleichstellen lassen. Dadurch erweitern sich oft die Aussichten auf einen angepassten oder neu gestalteten Arbeitsplatz.

Nach dem Krankengeld: Perspektiven bei Erwerbsminderung

Wenn das Krankengeld nach 72 Wochen endet und keine Rรผckkehr ins Erwerbsleben gelingt, steht mรถglicherweise eine Erwerbsminderungsrente im Raum. In solchen Fรคllen ist es wichtig, rechtzeitig zu klรคren, wovon der Lebensunterhalt bestritten werden kann.

Verlaufen alle Reha und BEM-MaรŸnahmen erfolglos oder kommt es zu einer sog. โ€žAussteuerungโ€œ aus dem Krankengeld, bietet die Erwerbsminderungsrente eine finanzielle Basis. Hier empfiehlt es sich, frรผhzeitig Informationen bei den Rentenversicherungstrรคgern und Beratungsstellen einzuholen.