Wer in Deutschland Bürgergeld bezieht, muss dem Jobcenter inzwischen fast ausnahmslos seine Kontoauszüge der letzten drei Monate aushändigen, sobald der Bewilligungszeitraum ausläuft und ein Weiterbewilligungsantrag gestellt wird.
Das Formular WBA – im April 2025 neu aufgelegt – nennt die Kontoauszüge ausdrücklich als „erforderliche Anlage“ und verlangt lückenlose Nachweise für alle Konten sämtlicher Haushaltsmitglieder.
Mitwirkungspflicht statt Verdachtsprüfung
Das Jobcenter stützt die Pflicht auf § 60 Absatz 1 Nr. 3 SGB I. Die Norm verpflichtet Leistungsberechtigte, Beweisurkunden vorzulegen, wenn diese für die Feststellung des Anspruchs erheblich sind.
In seinen Leitsätzen hat die Bundesagentur für Arbeit die Vorschrift konkretisiert: Kontoauszüge sind „sowohl für den Erst- als auch für den Weiterbewilligungsantrag“ maßgeblich; Umsatzausdrucke aus dem Online-Banking genügen nicht. Ein Verdacht auf Leistungsmissbrauch muss dafür nicht vorliegen.
Das Bundessozialgericht hat diese Rechtsauffassung schon 2008 und 2009 bestätigt. In den Urteilen B 14 AS 45/07 R und B 4 AS 10/08 R erklärten die Richter die Anforderung der letzten drei Monatsauszüge selbst ohne konkreten Missbrauchsverdacht für zulässig.
Von der Kann- zur Regelforderung
Lange blieb es dennoch Praxis, dass viele Jobcenter nur stichprobenartig oder bei Selbstständigen nach den Auszügen fragten.
Mit der Einführung des Bürgergeldes 2023 hat die Bundesagentur ihre Fachlichen Weisungen überarbeitet und die Vorlagepflicht als Regelfall festgeschrieben. Rz. 37.12 nennt ausdrücklich drei Monate als Standardzeitraum, von dem nur bei jahrelang unverändertem Leistungsbezug oder kurz vor Rentenbeginn abgewichen werden kann.
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Datenschutz: Was geschwärzt werden darf – und was nicht
Die Pflicht bedeutet keine totale Offenlegung. Sowohl die Fachlichen Weisungen als auch die Ausfüllhinweise zum Bürgergeldantrag verweisen auf Artikel 9 DSGVO: Wer besonders sensible Daten preisgeben würde, etwa Parteispenden oder Religionszugehörigkeit, darf Empfängernamen in Soll-Buchungen schwärzen.
Nicht geschwärzt werden dürfen dagegen alle Haben-Buchungen, die Kontostände und Einnahmen-zweckzeilen.
Digitale Einreichung – kein Hintertürchen mehr
Früher ließen sich Online-Anträge gelegentlich ohne Auszüge abschicken. Die aktuelle Online-WBA-Strecke verlangt jedoch, die Belege hochzuladen, bevor der Antrag abgeschickt werden kann.
Damit hat sich das vermeintliche Schlupfloch geschlossen. Die Bundesagentur wirbt zwar mit weniger Papier und Portokosten, doch der digitale Weg ändert nichts an der Nachweispflicht.
Was passiert, wenn Auszüge fehlen?
Bleiben die Kontoauszüge aus, ist das Jobcenter nach § 66 SGB I berechtigt, Leistungen zu versagen oder ganz einzustellen. Die Fachlichen Weisungen halten ausdrücklich fest, dass sogar ein unvollständiger Antrag zu bescheiden ist – mit der Folge, dass Leistungen wegen fehlender Mitwirkung ganz versagt werden können.
Kritik an der Ausweitung der Kontrolle
Dr. Utz Anhalt, Sozialrechtsexperte, kritisiert die „Routine-Durchleuchtung“ dass das Machtgefälle zwischen Amt und Leistungsempfängern verschärfe. “Während Steuerhinterziehung im großen Stil selten sofort Konsequenzen habe, werde den Ärmsten jede Einnahme einzeln nachgewiesen. Datenschützer betonen jedoch, dass die Schwärzungsmöglichkeit und die Löschung nicht relevanter Daten dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragen.”
Ein Ende der verschärften Praxis ist nicht absehbar. Im Gegenteil, die elektronische Akte des Jobcenters macht den Abgleich mit anderen Datenquellen einfacher und günstiger.
Für Bürgergeldbeziehende bleibt damit nur die Option, die Kontoauszüge fristgerecht einzureichen – geschwärzt, wo das Gesetz es erlaubt, aber vollständig genug, um Sanktionen zu vermeiden.