Eine verbreitete Annahme ist, dass eine Abfindung automatisch mit der Kündigung „mitkommt“. Das stimmt so nicht. Im deutschen Arbeitsrecht gibt es in der Regel keinen allgemeinen Rechtsanspruch auf eine Abfindung.
Abfindungen entstehen meist durch Verhandlungen – typischerweise im Rahmen eines Aufhebungsvertrags oder eines gerichtlichen Vergleichs im Kündigungsschutzprozess.
Eine Ausnahme bildet § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Bei betriebsbedingter Kündigung kann der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung eine Abfindung anbieten, wenn die Arbeitnehmerseite auf eine Klage verzichtet. Ein Automatismus ist das aber nicht.
Die verbreitete Faustformel: 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr
Wenn von einer „üblichen Abfindung“ die Rede ist, orientieren sich Praxis und Verhandlung oft an einer Faustformel: ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr.
Diese Daumenregel stammt nicht aus der Luft, sondern stammt aus dem Abfindungssatz des § 1a KSchG. Angefangene Jahre von mehr als sechs Monaten werden dabei häufig aufgerundet. Wichtig ist: Es bleibt eine Orientierung, keine starre Pflicht.
Je nach Ausgangslage sind Faktoren von 0,25 bis 1,0 – in besonderen Konstellationen auch darüber – zu sehen.
Was den Betrag im Einzelfall treibt
Die Verhandlungshöhe hängt maßgeblich von den Prozessrisiken ab: Je angreifbarer die Kündigung erscheint, desto eher zahlen Arbeitgeber mehr, um Planungssicherheit zu kaufen.
Einfluss haben außerdem Kündigungsgrund und Sozialdaten, die Größe und finanzielle Lage des Betriebs, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Gehaltsniveau samt variabler Bestandteile, eventuelle Sonderkündigungsschutzrechte sowie die Frage, ob ein Sozialplan oder Tarifvertrag greift.
In Sozialplänen werden oft feste Formeln vereinbart, die an die Betriebszugehörigkeit und persönliche Faktoren anknüpfen. In der Praxis werden deshalb über der 0,5-Faustformel auch Faktoren von 0,75, 1,0 oder mehr verhandelt, wenn die Karten für die Arbeitnehmerseite gut liegen.
Tabelle: Übliche Abfindung nach einer Kündigung
Konstellation | Abfindung (brutto) |
---|---|
3.000 € × 2 Jahre × Faktor 0,25 | 1.500 € |
3.000 € × 2 Jahre × Faktor 0,5 | 3.000 € |
3.000 € × 2 Jahre × Faktor 0,75 | 4.500 € |
3.000 € × 2 Jahre × Faktor 1,0 | 6.000 € |
4.000 € × 5 Jahre × Faktor 0,25 | 5.000 € |
4.000 € × 5 Jahre × Faktor 0,5 | 10.000 € |
4.000 € × 5 Jahre × Faktor 0,75 | 15.000 € |
4.000 € × 5 Jahre × Faktor 1,0 | 20.000 € |
5.000 € × 10 Jahre × Faktor 0,25 | 12.500 € |
5.000 € × 10 Jahre × Faktor 0,5 | 25.000 € |
5.000 € × 10 Jahre × Faktor 0,75 | 37.500 € |
5.000 € × 10 Jahre × Faktor 1,0 | 50.000 € |
Höchstgrenzen im Auflösungsurteil
Kommt es im Kündigungsschutzprozess ausnahmsweise zu einem Auflösungsurteil (das Gericht beendet das Arbeitsverhältnis gegen Abfindung), setzt das Gesetz obere Grenzen: Regulär bis zu zwölf Monatsverdienste, bei älteren Beschäftigten mit langer Betriebszugehörigkeit bis zu fünfzehn oder achtzehn Monatsverdiensten. Diese Obergrenzen beschreiben nicht das „Übliche“, sondern markieren den gerichtlichen Rahmen in speziellen Fällen.
Wie wird gerechnet – und was ist ein „Monatsverdienst“?
Für die Verhandlungspraxis hat sich eingebürgert, auf das Bruttomonatsgehalt abzustellen und regelmäßige Zulagen oder variable Vergütungsbestandteile sachgerecht einzubeziehen.
Ein Beispiel zeigt die Faustformel: Verdient jemand 4.000 Euro brutto im Monat und war sechs Jahre im Betrieb, ergibt sich als grober Richtwert eine Abfindung von 12.000 Euro.
Bei fünfzehn Jahren und 5.000 Euro Monatsgehalt läge der Richtwert bei 37.500 Euro. Ob dieser Wert am Ende passt, entscheidet jedoch die Gesamtlage des Falls.
Steuer und Sozialabgaben: Was netto übrig bleibt
Abfindungen sind einkommensteuerpflichtig. Um die Progression abzufedern, sieht § 34 EStG die sogenannte Fünftelregelung vor. Seit 1. Januar 2025 berücksichtigen Arbeitgeber diese Begünstigung nicht mehr im Lohnsteuerabzug; sie wirkt erst über die Steuererklärung, was vor allem ein Liquiditätsthema ist.
An der grundsätzlichen Möglichkeit der Tarifermäßigung ändert sich nichts. Sozialversicherungsbeiträge fallen auf eine „echte“ Abfindung – also eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes – grundsätzlich nicht an; Vorsicht ist geboten, wenn Zahlungen in Wahrheit Entgeltbestandteile ersetzen oder Zeiträume der Weiterbeschäftigung abgelten.
Arbeitsagentur: Sperrzeit-Risiken bei Aufhebungsverträgen
Wer anstelle einer Kündigung einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, riskiert grundsätzlich eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, wenn kein „wichtiger Grund“ vorliegt. In der Verwaltungspraxis wird ein wichtiger Grund eher anerkannt, wenn eine betriebsbedingte Kündigung konkret droht, die ordentliche Kündigungsfrist gewahrt bleibt und die Abfindungshöhe in einem nachvollziehbaren Rahmen liegt.
Unabhängig davon gilt: Die Sperrzeit dauert bei Arbeitsaufgabe regelmäßig zwölf Wochen; Details regeln die fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit. Eine Abfindung allein löst keine Sperrzeit aus, entscheidend ist der Grund der Beendigung und die Ausgestaltung des Vertrags.
Sonderfälle: Sozialplan, Turboklausel und Aufstockungen
Bei Betriebsänderungen können Sozialpläne verbindliche Berechnungsformeln vorgeben und so zu deutlich höheren oder niedrigeren Ergebnissen führen als die gängige Faustformel.
Häufig finden sich außerdem Sprinter- bzw. Turboklauseln: Wer früher ausscheidet, erhöht seine Abfindung oder erhält eine zusätzliche Prämie.
Solche Klauseln sind zulässig, müssen aber schriftlich ausgeübt werden; sie sollten mit Blick auf Anschlussbeschäftigung und mögliche Sperrzeitfolgen bedacht werden.
Fazit: Was „üblich“ bei Abfindungen ist – und wie Sie es einordnen
Als Marke für Verhandlungen hat sich 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr etabliert. Realistisch ist ein Korridor zwischen etwa 0,25 und 1,0 – je nach Kündigungsgrund, Beweislage, Verhandlungsmacht, Vergütungsstruktur, Schutzrechten und der Frage, ob ein Sozialplan gilt. Nach oben begrenzen in speziellen gerichtlichen Konstellationen die Auflösungsurteil-Grenzen von zwölf bis achtzehn Monatsverdiensten.
Was am Ende „üblich“ ist, bestimmt weniger eine Formel als die Chancen im Streit um die Wirksamkeit der Kündigung – und eine kluge Gestaltung mit Blick auf Steuer, Sozialversicherung und Arbeitsagentur