Schwerbehinderung: Viele Behinderungen sind unsichtbar

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Unsichtbare Behinderungen betreffen eine groรŸe Anzahl von Menschen, die jedoch oft mit Vorurteilen und mangelndem Verstรคndnis konfrontiert sind.

Wรคhrend sichtbare Beeintrรคchtigungen durch Hilfsmittel wie Rollstรผhle oder Blindenstรถcke klar erkennbar sind, bleiben unsichtbare Behinderungen wie chronische Schmerzen oder psychische Erkrankungen oft unbemerkt. #

Der folgende Artikel zeigt die Schwierigkeiten auf, denen Betroffene im Alltag begegnen, und gibt Hinweise zum Umgang mit unsichtbaren Behinderungen.

Was sind unsichtbare Behinderungen?

Unsichtbare Behinderungen umfassen Erkrankungen und Symptome, die vom Betroffenen stark wahrgenommen werden, fรผr AuรŸenstehende jedoch nicht erkennbar sind. Zu diesen zรคhlen chronische Krankheiten wie Multiple Sklerose, Diabetes oder Epilepsie sowie psychische Erkrankungen, aber auch weniger bekannte Beschwerden wie das chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Trotz der unsichtbaren Natur dieser Behinderungen stellen sie eine erhebliche Belastung fรผr die betroffenen Menschen dar.

Ein zentrales Problem ist, dass viele Menschen ihre Symptome bewusst verbergen, um Stigmatisierungen zu vermeiden. Sie fรผrchten, als Simulanten abgestempelt zu werden, was zu zusรคtzlichen psychischen Belastungen fรผhren kann.

Diese Unsichtbarkeit kann aber auch dazu fรผhren, dass das Umfeld die Schwere der Erkrankung unterschรคtzt und Erwartungen an die Betroffenen stellt, die diese nicht erfรผllen kรถnnen.

Gesellschaftliche Herausforderungen fรผr Betroffene

Die Tatsache, dass unsichtbare Behinderungen nicht auf den ersten Blick erkennbar sind, fรผhrt hรคufig zu Missverstรคndnissen und Fehlurteilen. In einer Gesellschaft, in der sichtbare Beeintrรคchtigungen zunehmend akzeptiert werden, bleibt das Verstรคndnis fรผr unsichtbare Einschrรคnkungen oft auf der Strecke.

Beispielsweise sind Menschen mit Rollstรผhlen im รถffentlichen Raum oft besser integriert โ€“ fรผr sie werden Barrieren abgebaut und Hilfe angeboten. Menschen mit unsichtbaren Behinderungen hingegen erleben hรคufig, dass ihre Beschwerden nicht ernst genommen oder sie als faul abgestempelt werden.

GroรŸe Herausforderung fรผr Betroffene

Fรผr Betroffene stellt sich immer wieder die Frage, ob und in welchem Umfang sie ihre Beeintrรคchtigung offenlegen sollten. Diese Entscheidung ist oft schwierig, da negative Reaktionen oder gar Diskriminierung drohen. Gerade im Arbeitsumfeld kann dies weitreichende Konsequenzen haben.

Einerseits besteht keine Verpflichtung, den Arbeitgeber รผber gesundheitliche Einschrรคnkungen zu informieren, andererseits kรถnnte eine Offenlegung zu Erleichterungen fรผhren, beispielsweise durch angepasste Arbeitsbedingungen.

Probleme im Alltag und Berufsleben

Unsichtbare Behinderungen wirken sich auf viele Bereiche des Lebens aus. Im Berufsleben ist es hรคufig eine Herausforderung, den Anforderungen gerecht zu werden, da das Umfeld die Unsichtbarkeit der Symptome oft mit einer normalen Leistungsfรคhigkeit gleichsetzt.

Das fรผhrt nicht selten zu รœberforderung und zusรคtzlichem Druck. Ein weiteres Problem besteht darin, dass notwendige Anpassungen โ€“ wie flexible Arbeitszeiten oder ergonomische Arbeitsplรคtze โ€“ schwer zu bekommen sind, wenn die Beschwerden nicht offensichtlich sind.

Auch im privaten Umfeld kann es zu Spannungen kommen. Beziehungen kรถnnen darunter leiden, wenn Freunde oder Familie die Belastungen nicht nachvollziehen kรถnnen und Betroffene sich gezwungen sehen, stรคndig zu erklรคren, warum sie gewisse Aktivitรคten nicht mitmachen kรถnnen.

Studien und wissenschaftliche Erkenntnisse

Die Problematik unsichtbarer Behinderungen wird auch in der Forschung immer hรคufiger thematisiert. Eine umfassende Studie der Philipps-Universitรคt Marburg aus dem Jahr 2016 untersuchte die Auswirkungen solcher Erkrankungen auf den Alltag der Betroffenen. Anhand von Lupus erythematodes, einer Krankheit, die sowohl sichtbare als auch unsichtbare Symptome verursacht, konnte gezeigt werden, dass gerade die unsichtbaren Symptome wie Erschรถpfung und Schmerzen am hรคufigsten zu Konflikten mit dem Umfeld fรผhren.

Die Ergebnisse zeigten, dass mehr als die Hรคlfte der Befragten als โ€žfaulโ€œ oder โ€žsimulierendโ€œ bezeichnet wurden, obwohl sie unter ernsthaften Beschwerden litten.

Besonders gravierend ist, dass die Unsichtbarkeit dieser Beeintrรคchtigungen in der รถffentlichen Debatte oft vernachlรคssigt wird. Inklusion wird noch immer hauptsรคchlich mit physischen Barrieren assoziiert, wรคhrend die Bedรผrfnisse von Menschen mit unsichtbaren Einschrรคnkungen kaum Beachtung finden.

Tipps fรผr den Umgang mit unsichtbaren Behinderungen

Es gibt keine universelle Lรถsung, wie Betroffene mit ihrer Situation umgehen sollten, aber einige allgemeine Ratschlรคge kรถnnen helfen:

  1. Offenheit im privaten Umfeld: Bei engen Beziehungen kann es hilfreich sein, die Einschrรคnkungen offen anzusprechen. Verstรคndnis und Unterstรผtzung von nahestehenden Personen kรถnnen eine groรŸe Erleichterung sein.
  2. Abwรคgung im Arbeitsumfeld: Im Beruf ist es ratsam, gut abzuwรคgen, ob und wie viel man von seiner Beeintrรคchtigung preisgibt. Es hรคngt stark von der Unternehmenskultur und dem Verhรคltnis zu den Vorgesetzten ab, ob eine Offenlegung sinnvoll ist.
  3. Selektive Kommunikation: Im sozialen Umfeld sollte man ebenfalls gut รผberlegen, wen man informiert. Oft reicht es, nur jene Personen einzuweihen, die eine konkrete Unterstรผtzung bieten kรถnnen oder die einem emotional nahestehen.
  4. Selbstfรผrsorge und Selbstakzeptanz: Es ist wichtig, nicht stรคndig die eigene Situation verbergen zu mรผssen. Das stรคndige Verstecken der Symptome kostet viel Energie, die anderweitig sinnvoller genutzt werden kรถnnte.

Mehr Sichtbarkeit und Verstรคndnis nรถtig

Unsichtbare Behinderungen bringen viele Herausforderungen mit sich, die vom gesellschaftlichen Umfeld oft nicht ausreichend wahrgenommen werden. Die fehlende Sichtbarkeit fรผhrt dazu, dass Betroffene nicht nur mit ihren gesundheitlichen Problemen kรคmpfen mรผssen, sondern auch mit Vorurteilen und mangelndem Verstรคndnis.

Gesellschaftlich sollten unsichtbare Behinderungen mehr Raum in der Inklusionsdebatte erhalten. Nur so kann langfristig eine Verรคnderung erreicht werden, die allen Menschen โ€“ unabhรคngig von der Sichtbarkeit ihrer Beeintrรคchtigungen โ€“ eine gleichberechtigte Teilhabe ermรถglicht.