Schwerbehinderung: Viele Behinderungen sind unsichtbar

Lesedauer 3 Minuten

Unsichtbare Behinderungen betreffen eine große Anzahl von Menschen, die jedoch oft mit Vorurteilen und mangelndem Verständnis konfrontiert sind.

Während sichtbare Beeinträchtigungen durch Hilfsmittel wie Rollstühle oder Blindenstöcke klar erkennbar sind, bleiben unsichtbare Behinderungen wie chronische Schmerzen oder psychische Erkrankungen oft unbemerkt. #

Der folgende Artikel zeigt die Schwierigkeiten auf, denen Betroffene im Alltag begegnen, und gibt Hinweise zum Umgang mit unsichtbaren Behinderungen.

Was sind unsichtbare Behinderungen?

Unsichtbare Behinderungen umfassen Erkrankungen und Symptome, die vom Betroffenen stark wahrgenommen werden, für Außenstehende jedoch nicht erkennbar sind. Zu diesen zählen chronische Krankheiten wie Multiple Sklerose, Diabetes oder Epilepsie sowie psychische Erkrankungen, aber auch weniger bekannte Beschwerden wie das chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Trotz der unsichtbaren Natur dieser Behinderungen stellen sie eine erhebliche Belastung für die betroffenen Menschen dar.

Ein zentrales Problem ist, dass viele Menschen ihre Symptome bewusst verbergen, um Stigmatisierungen zu vermeiden. Sie fürchten, als Simulanten abgestempelt zu werden, was zu zusätzlichen psychischen Belastungen führen kann.

Diese Unsichtbarkeit kann aber auch dazu führen, dass das Umfeld die Schwere der Erkrankung unterschätzt und Erwartungen an die Betroffenen stellt, die diese nicht erfüllen können.

Gesellschaftliche Herausforderungen für Betroffene

Die Tatsache, dass unsichtbare Behinderungen nicht auf den ersten Blick erkennbar sind, führt häufig zu Missverständnissen und Fehlurteilen. In einer Gesellschaft, in der sichtbare Beeinträchtigungen zunehmend akzeptiert werden, bleibt das Verständnis für unsichtbare Einschränkungen oft auf der Strecke.

Beispielsweise sind Menschen mit Rollstühlen im öffentlichen Raum oft besser integriert – für sie werden Barrieren abgebaut und Hilfe angeboten. Menschen mit unsichtbaren Behinderungen hingegen erleben häufig, dass ihre Beschwerden nicht ernst genommen oder sie als faul abgestempelt werden.

Große Herausforderung für Betroffene

Für Betroffene stellt sich immer wieder die Frage, ob und in welchem Umfang sie ihre Beeinträchtigung offenlegen sollten. Diese Entscheidung ist oft schwierig, da negative Reaktionen oder gar Diskriminierung drohen. Gerade im Arbeitsumfeld kann dies weitreichende Konsequenzen haben.

Einerseits besteht keine Verpflichtung, den Arbeitgeber über gesundheitliche Einschränkungen zu informieren, andererseits könnte eine Offenlegung zu Erleichterungen führen, beispielsweise durch angepasste Arbeitsbedingungen.

Probleme im Alltag und Berufsleben

Unsichtbare Behinderungen wirken sich auf viele Bereiche des Lebens aus. Im Berufsleben ist es häufig eine Herausforderung, den Anforderungen gerecht zu werden, da das Umfeld die Unsichtbarkeit der Symptome oft mit einer normalen Leistungsfähigkeit gleichsetzt.

Das führt nicht selten zu Überforderung und zusätzlichem Druck. Ein weiteres Problem besteht darin, dass notwendige Anpassungen – wie flexible Arbeitszeiten oder ergonomische Arbeitsplätze – schwer zu bekommen sind, wenn die Beschwerden nicht offensichtlich sind.

Auch im privaten Umfeld kann es zu Spannungen kommen. Beziehungen können darunter leiden, wenn Freunde oder Familie die Belastungen nicht nachvollziehen können und Betroffene sich gezwungen sehen, ständig zu erklären, warum sie gewisse Aktivitäten nicht mitmachen können.

Studien und wissenschaftliche Erkenntnisse

Die Problematik unsichtbarer Behinderungen wird auch in der Forschung immer häufiger thematisiert. Eine umfassende Studie der Philipps-Universität Marburg aus dem Jahr 2016 untersuchte die Auswirkungen solcher Erkrankungen auf den Alltag der Betroffenen. Anhand von Lupus erythematodes, einer Krankheit, die sowohl sichtbare als auch unsichtbare Symptome verursacht, konnte gezeigt werden, dass gerade die unsichtbaren Symptome wie Erschöpfung und Schmerzen am häufigsten zu Konflikten mit dem Umfeld führen.

Die Ergebnisse zeigten, dass mehr als die Hälfte der Befragten als „faul“ oder „simulierend“ bezeichnet wurden, obwohl sie unter ernsthaften Beschwerden litten.

Besonders gravierend ist, dass die Unsichtbarkeit dieser Beeinträchtigungen in der öffentlichen Debatte oft vernachlässigt wird. Inklusion wird noch immer hauptsächlich mit physischen Barrieren assoziiert, während die Bedürfnisse von Menschen mit unsichtbaren Einschränkungen kaum Beachtung finden.

Tipps für den Umgang mit unsichtbaren Behinderungen

Es gibt keine universelle Lösung, wie Betroffene mit ihrer Situation umgehen sollten, aber einige allgemeine Ratschläge können helfen:

  1. Offenheit im privaten Umfeld: Bei engen Beziehungen kann es hilfreich sein, die Einschränkungen offen anzusprechen. Verständnis und Unterstützung von nahestehenden Personen können eine große Erleichterung sein.
  2. Abwägung im Arbeitsumfeld: Im Beruf ist es ratsam, gut abzuwägen, ob und wie viel man von seiner Beeinträchtigung preisgibt. Es hängt stark von der Unternehmenskultur und dem Verhältnis zu den Vorgesetzten ab, ob eine Offenlegung sinnvoll ist.
  3. Selektive Kommunikation: Im sozialen Umfeld sollte man ebenfalls gut überlegen, wen man informiert. Oft reicht es, nur jene Personen einzuweihen, die eine konkrete Unterstützung bieten können oder die einem emotional nahestehen.
  4. Selbstfürsorge und Selbstakzeptanz: Es ist wichtig, nicht ständig die eigene Situation verbergen zu müssen. Das ständige Verstecken der Symptome kostet viel Energie, die anderweitig sinnvoller genutzt werden könnte.

Mehr Sichtbarkeit und Verständnis nötig

Unsichtbare Behinderungen bringen viele Herausforderungen mit sich, die vom gesellschaftlichen Umfeld oft nicht ausreichend wahrgenommen werden. Die fehlende Sichtbarkeit führt dazu, dass Betroffene nicht nur mit ihren gesundheitlichen Problemen kämpfen müssen, sondern auch mit Vorurteilen und mangelndem Verständnis.

Gesellschaftlich sollten unsichtbare Behinderungen mehr Raum in der Inklusionsdebatte erhalten. Nur so kann langfristig eine Veränderung erreicht werden, die allen Menschen – unabhängig von der Sichtbarkeit ihrer Beeinträchtigungen – eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht.