Öffentliche Arbeitgeber sind nach § 165 Satz 1 des Sozialgesetzbuches IX (SGB IX) verpflichtet, der Agentur für Arbeit frühzeitig frei werdende, neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze zu melden.
Diese Meldung umfasst auch Positionen, die für schwerbehinderte Menschen zugänglich sind. Eine bloße Veröffentlichung des Stellenangebots über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit erfüllt diese Meldepflicht nicht vollständig. Diese Verfehlung geschieht oft bei Stellenangeboten, was dazu führt, dass schwerbehinderte Bewerber regelmäßig, diskriminiert werden.
Ablehnung eines schwerbehinderten Bewerbers durch den Landkreis
Im November 2017 veröffentlichte ein Landkreis eine Stellenausschreibung für die Position des Amtsleiters im Rechts- und Kommunalamt über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit.
Ein Bewerber mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 reichte im November 2017 seine Bewerbung ein und gab dabei seine Schwerbehinderung an. Er wurde jedoch nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und erhielt am 11. April 2018 die Mitteilung, dass der Landkreis sich für einen anderen Bewerber entschieden habe.
Rechtsweg und Klage gemäß § 15 Abs. 2 AGG
Der betroffene Bewerber reichte eine Beschwerde nach § 13 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sowie einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ein. In seiner Klage argumentierte er, dass der Landkreis seine Schwerbehinderung im Auswahlverfahren nicht berücksichtigt habe, da die Meldung der Stelle an die Agentur für Arbeit gemäß § 165 SGB IX unterblieben sei.
Zudem habe der Landkreis ihn trotz ausreichender fachlicher Qualifikation nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und auf seine Beschwerde nicht reagiert, was die Vermutung einer Diskriminierung gemäß § 22 AGG begründete.
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Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, doch das Bundesarbeitsgericht hob diese Entscheidung auf und entschied zugunsten des Klägers. Das Gericht stellte fest, dass der Landkreis die Meldepflicht gemäß § 165 Satz 1 SGB IX verletzt habe. Zudem stellt die Veröffentlichung des Stellenangebots über die Jobbörse allein keine ausreichende Meldung dar.
Die unterlassene Meldung begründet die Vermutung, dass der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung benachteiligt wurde. Weitere Verstöße gegen Verfahrens- und Förderpflichten mussten nicht mehr geprüft werden, da die Vermutung bereits bestand. Darüber hinaus konnte die unterlassene Beantwortung der Beschwerde als Indiz für eine Benachteiligung gemäß § 22 AGG gewertet werden.
Konsequenzen und Entschädigungsanspruch
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass der Landkreis dem Kläger eine angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen hat. Diese Entschädigung soll einen nicht vermögensmäßigen Schaden abdecken und darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht überschreiten, sofern der Kläger auch ohne Benachteiligung nicht eingestellt worden wäre.
Bedeutung des Urteils für öffentliche Arbeitgeber
Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der vollständigen Einhaltung gesetzlicher Meldepflichten gegenüber schwerbehinderten Bewerbern. Öffentliche Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass alle vorgeschriebenen Schritte gemäß § 165 SGB IX eingehalten werden, um Diskriminierung zu vermeiden und rechtliche Konsequenzen zu verhindern.
Besonders umfasst dies die frühzeitige Meldung frei werdender und neuer Arbeitsplätze an die Agenturen für Arbeit, die Einladung schwerbehinderter Bewerber zu Vorstellungsgesprächen, sofern deren fachliche Eignung gegeben ist, sowie die zeitnahe und angemessene Bearbeitung von Beschwerden nach § 13 AGG.
Wichtiger Präzedenzfall gegen Diskriminierung
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. November 2021 (Az. 8 AZR 313/20) stellt einen wichtigen Präzedenzfall im Bereich der Diskriminierung schwerbehinderter Bewerber dar.
Es verdeutlicht, dass öffentliche Arbeitgeber ihre Verpflichtungen ernst nehmen müssen, um eine faire und diskriminierungsfreie Auswahl von Bewerbern zu gewährleisten. Die Missachtung dieser Pflichten kann zu erheblichen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen führen.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.