Schwerbehinderung: Kein Anspruch auf Parkerleichterung trotz Merkzeichen G und B

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Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass ein Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen “G” und “B” allein nicht ausreicht, um eine Parkerleichterung zu erhalten, wenn keine Gehbehinderung vorliegt. Auch eine Orientierungslosigkeit infolge einer geistigen Behinderung begründet keinen Anspruch auf besondere Parkrechte.

Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen

In einem Verfahren aus dem Jahr 2019 klagte ein Bürger vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf, um eine Parkerleichterung für Schwerbehinderte zu erlangen.

Obwohl er einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen “G” (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und “B” (Notwendigkeit ständiger Begleitung) besaß, wurde sein Antrag abgelehnt. Grund dafür war das Fehlen einer Gehbehinderung.

Der Kläger argumentierte, dass seine Orientierungslosigkeit aufgrund einer geistigen Behinderung eine Parkerleichterung rechtfertige. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab, ebenso der darauffolgende Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen.

Welche Voraussetzungen müssen für eine Parkerleichterung erfüllt sein?

Gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 11 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) können Straßenverkehrsbehörden in bestimmten Fällen Ausnahmen von den Verkehrsregeln genehmigen, darunter Parkerleichterungen für Schwerbehinderte. Die Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) konkretisiert, welche Personengruppen Anspruch auf solche Erleichterungen haben.

Neben Personen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung (“aG”) zählen dazu auch Blinde und Schwerbehinderte mit beidseitiger Amelie oder Phokomelie. Schwerbehinderte mit den Merkzeichen “G” und “B” können eine Parkerleichterung erhalten, wenn sie zusätzlich eine erhebliche Gehbehinderung aufweisen.

Warum reicht das Merkzeichen “B” allein nicht aus?

Das Merkzeichen “B” wird Personen zuerkannt, die aufgrund von Behinderungen auf eine ständige Begleitung angewiesen sind, beispielsweise bei geistiger Behinderung oder Orientierungsstörungen. Jedoch sieht die VwV-StVO vor, dass das Merkzeichen “B” allein keinen Anspruch auf Parkerleichterungen begründet.

Es muss in Kombination mit einer Gehbehinderung von bestimmtem Ausmaß vorliegen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die durch das Merkzeichen “B” abgedeckten Beeinträchtigungen bereits durch andere Maßnahmen kompensiert werden, etwa durch die Möglichkeit, eine Begleitperson kostenlos in öffentlichen Verkehrsmitteln mitzunehmen.

Welche Rolle spielt die Orientierungslosigkeit aufgrund geistiger Behinderung?

Die Orientierungslosigkeit des Klägers infolge seiner geistigen Behinderung wurde vom Gericht als typischer Fall für das Merkzeichen “B” angesehen. Da dieses Merkzeichen jedoch allein nicht für eine Parkerleichterung ausreicht, konnte seine Argumentation nicht überzeugen.

Das Gericht stellte fest, dass die Verwaltungsvorschriften diesen Sachverhalt bewusst geregelt haben und keine atypische Fallkonstellation vorliegt, die eine Ausnahme rechtfertigen würde.

Wie begründet das Gericht seine Entscheidung?

Das Oberverwaltungsgericht führte aus, dass die Straßenverkehrsbehörden grundsätzlich an die Verwaltungsvorschriften gebunden sind und nur in besonders gelagerten atypischen Fällen von diesen abweichen können.

Ein solcher atypischer Fall liegt jedoch nicht vor, wenn die Beeinträchtigungen des Antragstellers bereits durch die bestehenden Regelungen berücksichtigt werden. Die geistige Behinderung des Klägers und die daraus resultierende Orientierungslosigkeit sind durch das Merkzeichen “B” abgedeckt.

Da keine zusätzliche Gehbehinderung vorliegt, besteht kein Anspruch auf Parkerleichterung.

Die rechtlichen Grundlagen der Parkerleichterungen

Die Gewährung von Parkerleichterungen für Schwerbehinderte basiert auf § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO. Dieser Paragraf ermöglicht es den Straßenverkehrsbehörden, in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen von den Verkehrsregeln zu genehmigen.

Das Ermessen der Behörden wird durch die VwV-StVO gelenkt, die detailliert festlegt, welche Personengruppen Anspruch auf Parkerleichterungen haben. Diese Verwaltungsvorschrift dient der Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmungen und lenkt das Ermessen der Behörden, um eine einheitliche Verwaltungspraxis sicherzustellen.

Die Rolle der Schwerbehindertenausweise und Merkzeichen

Schwerbehindertenausweise dienen als offizieller Nachweis über das Vorliegen einer Behinderung und die damit verbundenen Merkzeichen. Diese Merkzeichen weisen auf spezifische Beeinträchtigungen hin und sind entscheidend für die Inanspruchnahme bestimmter Rechte und Vergünstigungen.

In diesem Zusammenhang sind besonders die Merkzeichen “aG” (außergewöhnliche Gehbehinderung), “G” (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und “B” (Notwendigkeit ständiger Begleitung) relevant.

Die Eintragung dieser Merkzeichen erfolgt nach einer Prüfung durch die zuständigen Behörden und ist für die Gewährung von Parkerleichterungen maßgeblich.

Warum wurde die Berufung abgelehnt?

Der Kläger hatte nach der Abweisung seiner Klage durch das Verwaltungsgericht Düsseldorf einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen lehnte diesen Antrag ab, da es keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils sah.

Es argumentierte, dass der Kläger nicht zu dem in der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO genannten Personenkreis gehöre und keine atypische Fallkonstellation vorliege, die eine Ausnahme rechtfertigen würde. Die geistige Behinderung und die damit verbundene Orientierungslosigkeit seien bereits durch das Merkzeichen “B” berücksichtigt.

Welche Möglichkeiten haben Betroffene ohne Gehbehinderung?

Personen, die trotz Schwerbehinderung keine Gehbehinderung aufweisen, können in der Regel keine Parkerleichterungen in Anspruch nehmen. Es gibt jedoch andere Unterstützungsmöglichkeiten, die je nach individueller Situation geprüft werden sollten.

Betroffene können sich an Beratungsstellen wenden, um alternative Hilfen zu erörtern, beispielsweise spezielle Fahrdienste oder die Beantragung anderer Merkzeichen, sofern entsprechende Beeinträchtigungen vorliegen. Zudem können sie prüfen, ob andere Formen des Nachteilsausgleichs für sie infrage kommen.

Der Fall und die Argumentation des Gerichts

Der Kläger litt unter einer geistigen Behinderung mit Orientierungslosigkeit und hatte die Merkzeichen “G” und “B” in seinem Schwerbehindertenausweis eingetragen. Er beantragte eine Parkerleichterung, da er aufgrund seiner Beeinträchtigung Schwierigkeiten im Straßenverkehr habe.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies seine Klage ab, da er keine Gehbehinderung aufwies, die eine Parkerleichterung rechtfertigen würde. Der Kläger argumentierte, dass seine Orientierungslosigkeit einen atypischen Fall darstelle, der eine Ausnahme von den Verwaltungsvorschriften rechtfertige.

Das Oberverwaltungsgericht stellte jedoch fest, dass die Merkzeichen “G” und “B” allein nicht ausreichen und dass eine Gehbehinderung von bestimmtem Ausmaß Voraussetzung für die Gewährung von Parkerleichterungen sei.

Die geistige Behinderung und die damit verbundene Orientierungslosigkeit seien durch das Merkzeichen “B” berücksichtigt. Eine zusätzliche Parkerleichterung sei nicht vorgesehen, da der Gesetzgeber die verschiedenen Beeinträchtigungen differenziert geregelt habe.

Die Verwaltungsvorschriften seien bewusst so gestaltet, dass sie diesen Sachverhalt abdecken.

Die Bedeutung des Gleichheitssatzes und der Verwaltungspraxis

Die Verwaltungsvorschriften zur StVO sind zwar keine Rechtsnormen, entfalten aber durch die Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz eine faktische Wirkung. Die Behörden müssen diese Vorschriften anwenden, um eine einheitliche und gerechte Verwaltungspraxis sicherzustellen.

Nur in besonderen, atypischen Fällen kann von diesen Vorschriften abgewichen werden. Das Gericht betonte, dass ein solcher atypischer Fall hier nicht vorliege, da die Beeinträchtigungen des Klägers bereits durch die bestehenden Merkzeichen abgedeckt seien. Die Verwaltung habe ihr Ermessen korrekt ausgeübt und die gesetzlichen Vorgaben eingehalten.

Vergleich mit anderen Personengruppen

Der Kläger versuchte, seine Situation mit der von Blinden gleichzusetzen, die nach der VwV-StVO Anspruch auf Parkerleichterungen haben. Das Gericht wies diesen Vergleich zurück und stellte fest, dass die Auswirkungen der unterschiedlichen Beeinträchtigungen nicht ohne Weiteres vergleichbar seien.

Blinde Personen gehören explizit zu den Personengruppen, für die Parkerleichterungen vorgesehen sind, während bei geistigen Behinderungen ohne Gehbehinderung dies nicht der Fall ist. Der Gesetzgeber hat bewusst eine Differenzierung vorgenommen, um den spezifischen Bedürfnissen der verschiedenen Personengruppen gerecht zu werden.

Schlussfolgerungen aus dem Urteil

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der gesetzlichen Regelungen und Verwaltungsvorschriften bei der Gewährung von Parkerleichterungen. Es zeigt, dass die Behörden und Gerichte strikt an diese Vorgaben gebunden sind und nur in Ausnahmefällen abweichen können.

Betroffene sollten daher genau prüfen, ob sie die Voraussetzungen für eine Parkerleichterung erfüllen, bevor sie einen entsprechenden Antrag stellen. Ohne das Vorliegen einer Gehbehinderung von bestimmtem Ausmaß ist es unwahrscheinlich, dass ein solcher Antrag Erfolg hat.