In Deutschland lebt ungefรคhr jeder zehnte Mensch mit einer Schwerbehinderung. Dies ist keinesfalls ein angestrebter Status, denn den Schwerbehindertenausweis erhรคlt man nur bei erheblichen gesundheitlichen Beeintrรคchtigungen.
Dennoch gibt es gute Grรผnde, sich mit dem Ausweis auseinanderzusetzen, wenn eine schweres Leiden oder eine Behinderung vorliegt.
Denn wer den Schwerbehindertenausweis besitzt, kann verschiedene sogenannte Nachteilsausgleiche als “Vorteil” in Anspruch nehmen. Offiziell spricht man nicht von โVorteilenโ, da es sich immer um einen Ausgleich fรผr vorhandene gesundheitliche Nachteile handelt, die in vielen Lebensbereichen erschwerend wirken.
Inhaltsverzeichnis
Was bedeutet Schwerbehinderung und was sind Merkzeichen?
Der Schwerbehindertenstatus wird in der Regel ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt. Maรgeblich ist dabei eine behรถrdliche Beurteilung, die unter anderem medizinische Gutachten einbezieht. Wer den Ausweis erhรคlt, kann in unterschiedlichen Bereichen Entlastungen erfahren.
Nicht immer liegt die tatsรคchliche Entlastung allein am Ausweis. Hรคufig entscheiden eingetragene Merkzeichen รผber spezifische Vergรผnstigungen oder Hilfen.
Diese Buchstabenkรผrzel wie G, B, AG, BL oder H dokumentieren die Art der Beeintrรคchtigung. So wird zum Beispiel zwischen einer erheblichen Gehbehinderung, Blindheit oder auรergewรถhnlicher Gehbehinderung unterschieden. An diese Merkzeichen knรผpfen sich verschiedene Formen des Nachteilsausgleichs, die den Alltag spรผrbar erleichtern sollen.
Wie sehen die steuerlichen Nachteilsausgleiche aus?
Viele Menschen sind unsicher, wie sie ihren Schwerbehindertenausweis steuerlich geltend machen kรถnnen. Ein zentraler Punkt ist der Pauschbetrag fรผr Menschen mit Behinderungen, der je nach Hรถhe des GdB ansteigt und das zu versteuernde Einkommen mindert.
Bei einem GdB von 20 setzt dieser Pauschbetrag ein, was bedeutet, dass Betroffene ihr Jahreseinkommen um einen festgelegten Betrag senken kรถnnen.
Allerdings sparen nur diejenigen tatsรคchlich Steuern, die รผberhaupt steuerpflichtig sind. Im Hรถchstfall kann der Pauschbetrag bei entsprechenden Merkzeichen bis zu 7.400 Euro betragen. Wie hoch die tatsรคchliche Steuerersparnis im Einzelfall ist, hรคngt vom Gesamteinkommen ab.
Wer ein Kraftfahrzeug nutzt, kann in manchen Fรคllen eine Ermรครigung oder sogar Befreiung bei der Kfz-Steuer in Anspruch nehmen. Dies hรคngt unter anderem vom Merkzeichen ab.
Menschen mit einer erheblichen Gehbehinderung (G) oder mit Gehรถrlosigkeit (GL) kรถnnen zum Beispiel eine ermรครigte Steuerzahlung erreichen.
Wer das Merkzeichen BL (Blindheit) oder AG (auรergewรถhnliche Gehbehinderung) besitzt, wird von der Kfz-Steuer sogar vollstรคndig befreit.
Im Bereich รถffentlicher Nahverkehr kann eine Wertmarke beantragt werden, die im Prinzip wie ein Deutschlandticket funktioniert und mit der man regional und รผberregional Busse und Bahnen nutzen kann.
Abhรคngig vom Merkzeichen kostet sie nur einen reduzierten Betrag im Jahr oder ist sogar kostenfrei verfรผgbar.
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Welche Vorteile ergeben sich im Berufsleben?
Fรผr viele Menschen mit Schwerbehindertenausweis sind die beruflichen Nachteilsausgleiche besonders wertvoll. Wer einen GdB von mindestens 50 hat und in einem Arbeitsverhรคltnis steht, hat Anspruch auf Zusatzurlaub.
Die Anzahl der zusรคtzlichen Urlaubstage richtet sich meist nach der Zahl der regulรคren Arbeitstage pro Woche. Wer zum Beispiel an fรผnf Tagen pro Woche arbeitet, erhรคlt fรผnf zusรคtzliche Urlaubstage im Jahr.
Fรผr die Sicherheit von Arbeitnehmern sorgt auรerdem der besondere Kรผndigungsschutz. Unternehmen, die eine Kรผndigung gegen einen schwerbehinderten Menschen aussprechen mรถchten, mรผssen zuvor das Integrationsamt einschalten.
Dieses prรผft gemeinsam mit der Arbeitgeberseite, ob es Mรถglichkeiten gibt, den Arbeitsplatz zu erhalten. Das kรถnnen unterstรผtzende Hilfen sein, zum Beispiel Assistenz, besondere Software oder verรคnderte Arbeitszeiten.
Allerdings bedeutet der besondere Kรผndigungsschutz nicht, dass eine Kรผndigung vรถllig unmรถglich wird. Schlieรt eine Firma beispielsweise komplett oder liegen andere schwerwiegende Grรผnde vor, kann auch ein besonderer Kรผndigungsschutz die Entlassung nicht verhindern.
Ebenso relevant ist die Altersrente fรผr schwerbehinderte Menschen. Wer einen GdB von mindestens 50 und mindestens 35 Versicherungsjahre in der Rentenversicherung vorweisen kann, kann bis zu fรผnf Jahre frรผher in Rente gehen.
Die ersten zwei Jahre frรผherer Rentenbezug sind in der Regel sogar ohne Abschlag mรถglich. Dies ist oft ein wichtiger Ausweg fรผr Betroffene, die mit Anfang 60 aus gesundheitlichen Grรผnden nicht mehr voll leistungsfรคhig sind und deshalb nach einer Alternative zum regulรคren Renteneintritt suchen.
Ausgleiche fรผr Mobilitรคt im Alltag
Viele Betroffene setzen groรe Hoffnungen in den Schwerbehindertenausweis, wenn es um die Bewรคltigung alltรคglicher Wege geht. Dabei ist hรคufig die Frage nach Parkmรถglichkeiten entscheidend. Es existieren jedoch verschiedene Parkausweise, die nicht mit dem eigentlichen Schwerbehindertenausweis selbst identisch sind.
Wer auf speziell ausgewiesenen Behindertenparkplรคtzen parken mรถchte, benรถtigt den blauen Parkausweis. Diesen erhรคlt nur, wer einen besonders hohen Behinderungsgrad oder spezifische Merkzeichen wie AG (auรergewรถhnliche Gehbehinderung) oder BL (Blindheit) vorweisen kann.
Taubblinde Menschen mit dem Merkzeichen TBL zรคhlen ebenfalls dazu. Mit dem blauen Parkausweis darf man auf den Flรคchen parken, die in der Regel direkt in Eingangs- oder Aufzugsnรคhe zu รถffentlichen Gebรคuden oder Supermรคrkten liegen.
Neben dem blauen gibt es noch den orangefarbenen und den gelben Parkausweis, die jedoch nicht zum Parken auf ausgewiesenen Behindertenparkplรคtzen berechtigen. Sie ermรถglichen aber Erleichterungen wie das Parken im eingeschrรคnkten Halteverbot oder auf Bewohnerparkplรคtzen fรผr einen gewissen Zeitraum.
Der orangefarbene Ausweis ist meist an einen GdB von mindestens 80 und bestimmte Merkzeichen gebunden und gilt bundesweit. Der gelbe ist dagegen auf einige Bundeslรคnder beschrรคnkt und unterliegt wiederum anderen Voraussetzungen.
Dies sorgt bei Betroffenen oft fรผr Verwirrung, da eine einheitliche Regelung bundesweit bislang nicht umgesetzt wurde.
Wie geht man vor, wenn sich der Gesundheitszustand verschlechtert?
Wenn eine bereits bestehende Behinderung sich verschlimmert oder neue Erkrankungen hinzukommen, ist es grundsรคtzlich mรถglich, beim Versorgungsamt einen รnderungsantrag zu stellen.
Mit diesem Vorgehen, das auch als โVerschlimmerungsantragโ bezeichnet wird, kann eine Erhรถhung des bereits festgestellten Grades der Behinderung geprรผft und eventuell ein neues Merkzeichen zuerkannt werden.
Allerdings ist hier Vorsicht geboten. Nach einer erneuten Prรผfung der Unterlagen kann es auch passieren, dass der bislang anerkannte Grad der Behinderung niedriger eingestuft wird, wenn die Behรถrden zu einem anderen Gesamtergebnis kommen. Aus diesem Grund wird empfohlen, sich vor einem entsprechenden Antrag von Fachleuten beraten zu lassen, um keine ungewollten Folgen zu riskieren.
Was ist darรผber hinaus noch wichtig?
Neben den genannten Bereichen existieren noch weitere Nachteilsausgleiche. Dabei kann es um Ermรครigungen beim Rundfunkbeitrag gehen oder um bestimmte Vorteile im Freizeitbereich.
Die genauen Konditionen hรคngen von den jeweiligen Merkzeichen und den gesetzlichen Regelungen der Bundeslรคnder ab. Daher ist es stets sinnvoll, sich ausfรผhrlich beraten zu lassen und den individuellen Fall zu prรผfen. Sozialverbรคnde oder Behindertenbeauftragte in den Kommunen kรถnnen Auskunft รผber aktuelle Regelungen geben und unterstรผtzend bei Antragsverfahren wirken.
Ein Beispiel aus der Praxis: Wie ein Schwerbehindertenausweis den Arbeitsalltag erleichtern kann
Frau M. arbeitet seit vielen Jahren als Bรผrokraft in einem mittelstรคndischen Unternehmen. Vor einigen Monaten verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand aufgrund einer fortschreitenden chronischen Gelenkerkrankung. Ihr Arzt stellte fest, dass sie im Alltag zunehmend auf eine Gehhilfe angewiesen ist und sich auch bei einfachen Gรคngen schnell erschรถpft.
Nach einer Begutachtung wurde bei Frau M. ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt, sodass sie einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen G (erhebliche Gehbehinderung) erhielt.
In ihrem Betrieb hat Frau M. nun Anspruch auf fรผnf zusรคtzliche Urlaubstage pro Jahr, weil sie an fรผnf Tagen in der Woche arbeitet. Darรผber hinaus profitiert sie vom besonderen Kรผndigungsschutz, der ihr ein hohes Maร an Sicherheit gibt.
Sollten betriebliche Probleme auftreten, mรผsste das Integrationsamt hinzugezogen werden, um gemeinsam mit dem Unternehmen nach Lรถsungen zu suchen und ihren Arbeitsplatz mรถglichst zu erhalten.
Fรผr Frau M. ist zudem die alltรคgliche Mobilitรคt wichtig. Da sie nicht mehr so lange Strecken laufen kann, beantragte sie bei der Straรenverkehrsbehรถrde den orangefarbenen Parkausweis, der bei entsprechender gesundheitlicher Einschrรคnkung bundesweit anerkannt wird.
Zwar berechtigt er sie nicht zum Parken auf den klassischen Behindertenparkplรคtzen, ermรถglicht ihr aber unter anderem das Parken in Bereichen mit eingeschrรคnktem Halteverbot fรผr eine bestimmte Dauer. Damit gewinnt sie im Alltag mehr Flexibilitรคt, etwa wenn sie schnell etwas erledigen muss oder auf Arztbesuche angewiesen ist.
Frau M. lieร sich vor ihren Antrรคgen ausfรผhrlich von ihrem รถrtlichen Sozialverband beraten und konnte so sicherstellen, dass sie alle notwendigen Unterlagen korrekt einreichte. Ihr Beispiel zeigt, wie der Schwerbehindertenausweis โ kombiniert mit den passenden Merkzeichen โ die tรคglichen Hรผrden bei Arbeit und Mobilitรคt merklich senken kann.
Wie lรคsst sich das Fazit ziehen?
Der Schwerbehindertenausweis kann fรผr Menschen mit gravierenden Erkrankungen oder Behinderungen eine wesentliche Unterstรผtzung im Alltag bedeuten. Die Nachteilsausgleiche sind weitreichend und umfassen steuerliche Entlastungen, berufliche Vorteile und Erleichterungen in der Mobilitรคt.
Wer einen Antrag auf Feststellung einer Behinderung oder auf Aktualisierung des Grades der Behinderung stellt, sollte allerdings nicht unvorbereitet vorgehen. Eine eingehende Beratung ist ratsam, um Fehler zu vermeiden und von den zustehenden Rechten zu profitieren.